Diskussion zur Friedhofskultur Kirchlicher Friedhof als Herausforderung

Idyllisch gelegen, aber unökonomisch: Viele Friedhöfe geraten unter durch den kulturellen und demographischen Wandel unter massiven Kostendruck.

© T. Baier

13.04.2014 · Plau am See. Die Friedhofskultur, die sich über Jahrhunderte in unserem Land ausbildete, steht heute vor einem grundlegenden Wandel. Anders als in den zurückliegenden Jahrhunderten hat der Friedhof seine Monopolstellung als Bestattungsort verloren. Und das bringt denen, die solch einen Begräbnisort unterhalten, also Kirchengemeinden, aber auch Kommunen, erhebliche Probleme. Stephan Poppe, Pastor in Plau am See und Landessynodaler der Nordkirche, möchte eine breite Diskussion darüber in der kirchlichen und gesellschaftlichen Öffentlichkeit anstoßen:

Der Kirchenkreisrat des Kirchenkreises Mecklenburg hat auf seiner Januarsitzung eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die sich mit der Zukunft der kirchlichen Friedhöfe in Mecklenburg beschäftigen wird. Dieser Schritt war dringend notwendig und ist sehr zu begrüßen. Doch die Arbeitsgruppe wird sich vorwiegend mit rechtlichen Fragen und verwaltungstechnischen Lösungen beschäftigen.

Eine öffentliche Diskussion über die Zukunft der kirchlichen Friedhöfe in Mecklenburg muss die Arbeit dieser Gruppe jedoch begleiten. In der Kirchenzeitung, in den Kirchengemeinderäten, den Regionalkonferenzen, der Kirchenkreissynode und den Konventen muss in der nächsten Zeit über die Zukunft und die Kirchlichkeit unserer Friedhöfe gesprochen werden, denn es werden auch unangenehme Entscheidungen zu treffen sein.

Die wichtigste Frage dieser Diskussion lautet: „Was bedeutet es für eine christliche Gemeinde, einen Friedhof zu betreiben?“ Viele Kirchenälteste und Mitarbeiter werden wahrscheinlich antworten: „Ein Friedhof bedeutet für eine Gemeinde vor allem Arbeit und Ärger.“ Die verwaltungsrechtliche Antwort auf diese Frage lautet: „Die Kirche übernimmt eine staatliche Aufgabe der Daseinsvorsorge.“ Aber sollen diese Antworten wirklich den kirchlichen Umgang mit eigenen Friedhöfen dominieren? Ein Blick in die Vergangenheit und ein Blick in die Gegenwart mögen unseren Vorstellungen über die Zukunft der kirchlichen Friedhöfe vielleicht neue Horizonte öffnen.

Über fast 1 000 Jahre Kirchengeschichte in Mecklenburg waren die Friedhöfe um die Kirchen in Städten und Dörfern ein nicht wegzudenkender Grundbaustein im christlichen Leben. In vielen Dörfern ist dieses Ensemble noch immer erhalten; eine mittelalterliche Kirche und auf dem Platz um die Kirche der Friedhof des Ortes. In anderen Orten wurde dieser Zusammenhang im 19. Jahrhundert gelöst. Friedhöfe wurden an den Ortsrand verlagert und wurden kommunal.

Neue Trends


Heute ist es chic, auf See oder im Wald bestattet zu werden. Manch einer stellt sich – verbotener Weise – die Asche der Angehörigen auch in die Schrankwand. Die Hansestadt Bremen lockert im Moment als erstes Bundesland den so genannten „Friedhofszwang“. Andere Länder werden sicher folgen. Die Kirchen sind gut beraten, in dieser Diskussion nicht die Kultur des Zwanges zu unterstützen.

Die Folge aber ist, dass es weniger Bestattungen auf den vorhandenen Friedhöfen gibt. Hinzu kommt, dass in unserem Land ein massiver Bevölkerungsrückgang zu verzeichnen ist. Kindergärten, Schulen, Einkaufsstellen, Amtsverwaltungen, Arztpraxen, Krankenhäuser, Bahnhöfe und Postfilialen wurden geschlossen. Nur die Zahl der Friedhöfe blieb annähernd konstant – und nimmt man die „Friedwälder“ hinzu, ist sie sogar gestiegen. Das bedeutet: Immer weniger Familien zahlen immer höhere Gebühren für die Friedhöfe – was den Abschied von der Friedhofskultur erneut beschleunigt.

Bei Bestattungen auf dem Friedhof geht der Trend weg vom traditionellen Familiengrab für Bestattungen im Sarg eindeutig hin zur Urnenbeisetzung in einem Grab mit möglichst wenig Pflegeaufwand. Auch diese Entwicklung wird das Gesicht der Friedhöfe vollkommen verändern: Wo viele Jahre Hecken, Zäune, Blumen und teils imposante Grabmale das Bild bestimmten, wird es in Zukunft vor allem Rasen, Gemeinschaftsgräber, Freiflächen und vereinzelte traditionelle Grabstellen geben.

Doch auch diese Entwicklung sollte aus dem kirchlichen Raum heraus nicht kritisiert werden. Ob die kirchlichen Friedhöfe Ort der Auferstehungshoffnung bleiben oder vielleicht erst wieder werden, liegt viel stärker an der christlichen Gemeinde vor Ort, als an den bestattungspflichtigen Angehörigen eines Verstorbenen.

Suche nach neuen Konzepten

Es wird Kirchengemeinden geben, die Friedhöfe schließen. Diesen Prozess kann die Gemeinde beschleunigen, in dem sie in naher Zukunft einen entsprechenden Beschluss fasst. Oder sie kann die Entwicklung abwarten und bei abnehmender Bestattungszahl die Gebühren jeweils kostendeckend anheben, bis niemand mehr auf diesem Friedhof seine Angehörigen beisetzen möchte. Welcher Weg auch beschritten wird, die Pflege des Grundstückes wird immer in der Verantwortung der jeweiligen Kirchengemeinde stehen.

Die Gemeinden können sich auch an die Kommunen wenden und Hilfe beim Unterhalt der Friedhöfe einfordern. Die Kommunen sind verpflichtet, in gewissem Rahmen zu helfen. Jedoch werden die kommunal Verantwortlichen ihre Hilfe begrenzen und darauf drängen, die Zahl der kirchlichen Friedhöfe in einer (vielfach fusionierten) Kommune deutlich zu reduzieren. Einer dauerhaften Subventionierung von überflüssiger Infrastruktur wird kein kommunaler Kämmerer zustimmen.

Die Gemeinden können auch versuchen, mit Hilfe von neuen Bewirtschaftungsformen die Kosten der Friedhöfe zu senken. So wäre es möglich, regionale Zweckverbände oder Arbeitsgemeinschaften für Verwaltung und Pflege von Friedhöfen zu gründen. Auch sollte dringend darüber nachgedacht werden, ob nicht parallel zu den über 100 Kirchbaufördervereinen in Mecklenburg „Friedhofsvereine“ ins Leben gerufen werden.

Friedhöfe gehören zur Gemeinde

Oft haben die Friedhöfe das kulturelle Gedächtnis eines Ortes viel sichtbarer bewahrt als eine Kirche, die aus dem 19. Jahrhundert stammt. Fördervereinen gelingt es an vielen Orten, Menschen zur Mitarbeit zu motivieren und finanzielle Mittel bereitzustellen. Warum nicht auch zu Gunsten eines Friedhofes? Jede Gemeinde wird die Erfahrung machen, dass freiwillige Hilfe beim Kirchenbau und auf dem Friedhof nicht nur die Kosten deutlich senkt, sondern auch die Nutzung belebt.

Eine Friedhofsstiftung könnte auf der Ebene des Kirchenkreises ins Leben gerufen werden. Wir haben kirchliche Stiftungen fürs Bauen und die gemeindliche Arbeit, wir haben das Diakonische Werk, das Kirchenmusikwerk, das Posaunenwerk und bald auch ein „Energiewerk“, aber mit den Friedhöfen werden viele Gemeinden alleingelassen. Die Landeskirche in Berlin und Brandenburg hat vor Jahren so eine Stiftung ins Leben gerufen, um historische Friedhöfe weiterzuentwickeln und die Entwicklung der kirchlichen Friedhofskultur fachlich zu begleiten.

Der rechtliche Rahmen für die Finanzierung der Friedhöfe muss auf den Prüfstand gestellt werden. Bisher ist es durch kirchenrechtliche Regelungen ausgeschlossen, dass eine Gemeinde Gelder aus anderen „Töpfen“ dem Friedhof zur Verfügung stellt. Stillgelegte Friedhöfe werden jedoch aus gemeindlichen oder Kirchenkreismitteln unterhalten. Hier ist dringend eine Öffnungsklausel geboten, dass kleine, sich nicht selbst durch Gebühren tragende Friedhöfe andere kirchliche Gelder bekommen können. Die Friedhöfe sind Teil der ureigensten gemeindlichen Arbeit und müssen auch aus finanzieller Sicht so betrachtet werden.

Abschied von der Gebührenordnung

Grundsätzlich sollten Wege gesucht werden, Friedhöfe ohne Gebühren zu betreiben. Vor hundert Jahren gab es in unseren Gemeinden Tauf- und Abendmahlsgebühren, Glockengeld und an manchen Orten sogar Gebühren für die Nutzung von Gesangbüchern. Übriggeblieben sind flächendeckend allein die Friedhofsgebühren! Wenn der gebührenfreie Friedhof der einzige Weg ist, einen kleinen Friedhof als kirchlichen Friedhof im Dorf zu halten, dann sollte keine kirchenrechtliche Regelung dem entgegenstehen. Der stillgelegte Friedhof muss auch aus gemeindlichen Geldern unterhalten werden.

Das Himmelreich und die Auferstehung verdienen wir uns nicht. Kein Mensch kann sich eine Eintrittskarte für die Ewigkeit kaufen, sondern Gottes Gnade allein öffnet die Tür von diesem sterblichen Leben zu einem unverweslichen Sein. Wenn wir nicht allein Verwalter staatlicher Aufgaben sein wollen, sondern auch auf unseren Friedhöfen durch die Ordnungen und das Erscheinungsbild das Evangelium verkündigen wollen, ist es Zeit, den kirchlichen Friedhof neu zu denken.

Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 15/2014