St. Marien Parchim feiert Festwoche Drei Jubiläen: 700 - 500 - 25 Jahre

Von Marion Wulf-Nixdorf

Kirche lebt durch Menschen: Pastorin Jessica Warnke-Stockmann, Annedore Heidrich, Hermann Brause, Claudia Ahlfeld, Dana Falk und Irla Wulf (v.l.n.r.) haben sich bei der Vorbereitung der Festwoche engagiert.

Foto: Marion Wulf-Nixdorf

29.06.2014 · Parchim. Drei Jubiläen auf einen Schlag: Die zweite Kirchweihe von St. Marien Parchim wurde vor 700 Jahren gefeiert. Die Glocken sind 500 Jahre alt. Und vor 25 Jahren fand die friedliche Revolution statt. Verschiedene Gemeindegruppen und ein Vorbereitungskreis haben eine Festwoche vorbereitet.

Dana Falks liebster Platz in der Parchimer Marienkirche, in der sie seit 2008 als Küsterin arbeitet, ist die Orgelempore: „Der Blick ist toll. Ich liebe es, wenn da oben gesungen wird“, sagt sie. Dadurch, dass sie viel putzen muss, kennt sie jede Ecke der großen Kirche. Und auch die Menschen, die sich hier begegnen: „Ich bin in vielen Gremien“, unter anderem organisiert sie die Offene Kirche, die vom 16. Juni bis 4. September einlädt. Dafür Ehrenamtliche zu finden, sei sehr schwer, betont Pastorin Jessica Warnke- Stockmann. „Unsere Gemeinde ist jung, im Kirchengemeinderat zum Beispiel sind alle berufstätig. Damit ist Ehrenamt an Arbeitstagen schwerer zu organisieren.“

Zu denjenigen, die die Kirche zwei Mal die Woche offen halten und gern durch sie führen, gehört Hermann Brause. Der Geologie-Professor aus Leipzig hat 2000 mit seiner Frau und der Familie seiner Tochter in Parchim ein Doppelhaus gebaut und engagiert sich seither in der Kirche, ist Mitglied im 2007 gegründeten Bauförderverein mit seinen 52 Mitgliedern. Vier großformatige Kirchenkalender hat er bisher erarbeitet, mit schönen Bildern von Fotografen der Gruppe „Die Lichtmaler“ und historischen Details auf den Rückseiten. Daraus ist nun ein Buch entstanden, eine Chronik mit vielen Bildern, die zur Festwoche fertig sein wird. Das erste Exemplar (142 Seiten, 25 Euro) wird Bischof Andreas von Maltzahn bekommen, der im Festgottesdienst an diesem Sonntag die Predigt halten wird.

Wenn man mit Brause in die Kirche geht, hat man das Gefühl: Er weiß alles über deren Geschichte. Sein liebster Platz ist unter der Kanzel von 1601. Da ist ein Kopf unten angebracht – wer mag es sein? „Da darf man phantasieren“, sagt der Geologe im Ruhestand, dem ansonsten Fakten näher liegen. Allein über die Kanzel kann er stundenlang erzählen. Er weist auf Daniel, der einen Löwen im Arm hält mit einem großen offenen Maul. Aber er tut Daniel nichts. Oder zeigt auf einen Bärtigen: „Da haben Sie einen Friseursalon um 1600...“

Hermann Brause ist der freundliche Antreiber, Mahner: Er hat schon vor vier Jahren angefangen zu drängen, dass die Festwoche 2014 vorbereitet werden müsse: 700 Jahre zweite Kirchweihe – 500 Jahre Glocken – 25 Jahre „Wende“. Er wird die 16 Tafeln einer Ausstellung, u. a. mit Fotos von Willi Voß aus der Wendezeit, wieder aufbauen. Sie war schon vor fünf Jahren zu sehen.

Die dritte im Bunde der Vorbereiter der Festwoche ist Annedore Heidrich, seit 1976 in Parchim lebend, 20 Jahre war sie Kirchenälteste. Sie ist die „Telefonzentrale“ der Kirchengemeinde. Sagt sie selbst und die anderen auch. Sie koordiniert, organisiert, weiß Bescheid. Ihr liebster Platz ist in der Nähe der Kanzel. Aber nur, wenn ihr Mann nicht mit ist. Ist der dabei, sitzen beide gern hinten. Sie organisiert die Kirchencafés mit, zu denen der Förderverein an jedem zweiten Sonntag im Monat um 15 Uhr einlädt und zu denen zwischen 25 und 60 Menschen kommen. Da werden manchmal zwölf Kuchen benötigt. Sie weiß genau, wer wann gebacken hat und wen sie mal wieder fragen kann, ohne ihn zu überfordern. Zwölf Leute aus der Gemeinde haben einen Hygienekurs besucht, ihre Küchen kontrollieren lassen – damit sie auch für öffentliche Feste backen und kochen dürfen. Die Gemeinde musste auch einen Kühlschrank anschaffen, falls etwas übrig bleibt. Der steht in der Kirche versteckt in einer Ecke. Aber es wird nicht nur Kaffee getrunken, Kuchen gegessen – es stehen auch immer Musik und ein besonderer Programmpunkt auf dem Plan. „Und viele warten auf diese Sonntagnachmittage“, sagt Annedore Heidrich.

Claudia Ahlfeld ist die Musikerin der Gemeinde. Vor 14 Jahren kam sie aus Baden-Württemberg in die 18 000-Einwohnerstadt an der Elde. Sie leitet den Gemeindechor – „klein und familiär“ – mit seinen rund 15 Mitgliedern zwischen 15 und 84. Da die benachbarte Georgengemeinde einen A-Kantor hat, freuen sich die Mariensänger, wenn sie in St. Georgen bei großen Aufführungen mitsingen dürfen bzw. Verstärkung bekommen wie jetzt zum großen Festkonzert am kommenden Mittwoch in der Festwoche. Außerdem spielt Claudia Ahlfeld in den Gottesdiensten Orgel.

Die frühere Katechetin, Gemeindehelferin und Reisesekretärin Irla Wulf – aus dem Erzgebirge 1959 nach Parchim gekommen – gehört zu Georgen, ist aber besonders froh, dass in Parchim „Grenzgänge“ von der einen zur anderen Gemeinde üblich sind. In Parchim treffen sich die Georgen- und die Mariengemeinde an den zweiten Festtagen Ostern und Pfingsten, Himmelfahrt, Buß- und Bettag zu gemeinsamen Gottesdiensten, Konfirmandenunterricht und Junge Gemeinde werden gemeinsam gehalten – das liegt vielleicht auch daran, dass die Pastorin mit dem Georgenpastor verheiratet ist.

Grenzgängerin war Irla Wulf auch beruflich: nach der Wende schied sie aus dem kirchlichen Dienst und baute im Landratsamt die Jugendhilfe mit auf. Seit 13 Jahren ist sie Rentnerin und weiter aktiv mit Töpferkursen, geht in die Altenheime und arbeitet in der Kinderarbeit mit.

Jessica Warnke-Stockmann, seit 2011 als Pastorin in Parchim tätig, davor in Roggenstorf, ist begeistert von so vielen aktiven Ehrenamtlichen in verschiedenen Bereichen in dieser Stadt. Diese Kirche habe eine besondere spirituelle Ausstrahlung, sagt sie und dass sie sich „körperlich wohl“ fühlt hier. Besonders gern ist sie in der Winterkirche, die 1976-81 über das sogenannte Sonderbauprogramm der Evangelischen Kirche in Deutschland in einem Seitenjoch im ersten Stock entstand – mit großen Fenstern in das Kirchenschiff hinein. Dabei wurden auch Funktionsräume eingebaut, ein Gemeinderaum entstand – ein Gemeindezentrum in der großen Backsteinkirche. Eine einzigartige Besonderheit ist im Gemeinderaum zu sehen: Jüdische Grabsteine, alle vor 1350, wurden beim Anbau des Querschiffes um 1420 als Bausteine verwendet – in Pestzeiten war der Friedhof geschliffen worden, weiß Hermann Brause – und bei dem Umbau zum Gemeinderaum sehr pietätvoll sichtbar gemacht.

Bis zur Festwoche wird die Restaurierung der Ausmalung von Willi Schomann von 1908 in einem Joch abgeschlossen sein. Das Gerüst wandert dann weiter – bis 2017 soll die gesamte Sanierung beendet sein. Dann ist über zehn Jahre gebaut worden, u. a. musste 2006 der Dachstuhl wegen Schwammbefalls erneuert werden. Allein seit 2010 sind zwei Millionen Euro verbaut worden – ein Drittel musste die Kirchengemeinde mit ihren ca. 1 300 Mitgliedern als Eigenmittel aufbringen. „Viele Ehrenamtliche sind an das Bauen gebunden“, sagt die Pastorin und freut sich, dass dann Kräfte für anderes in der Kirchengemeinde zur Verfügung stehen. Zum Beispiel soll das ehemalige 2. Pfarrhaus neben dem jetzt noch genutzten Pfarrhaus, in dem bis vor ca. 1 ½ Jahren die Arbeitsstelle für Kinder- und Jugendarbeit war, ein Haus der Begegnung und eine kleine Pilgerherberge werden. Aber jetzt wird erst einmal gefeiert – eine ganze Woche lang!

Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 26/2014