Sprengelbericht auf der Nordkirchensynode: Ortsgemeinden haben die Kraft, Menschen zu beheimaten

Die Bischöfe Dr. Andreas v. Maltzahn (li.) und Dr. Hans-Jürgen Abromeit (2. v.li.) bei ihrem Sprengelbericht

Foto: Nordkirche/M. Warnecke

24.09.2015 · Travemünde. Zum Thema Ortsgemeinde(n) im Sprengel Mecklenburg und Pommern berichteten die Bischöfe Dr. Hans-Jürgen Abromeit (Greifswald) und Dr. Andreas v. Maltzahn (Schwerin) am heutigen Donnerstag auf der Synode der Nordkirche in Travemünde. Weitere Berichte zum Schwerpunktthema der Tagung hielten Bischöfin Kirsten Fehrs (Hamburg) und Bischof Gothart Magaard (Schleswig).

Die Bischöfe ordneten die 424 Kirchengemeinden im Sprengel Mecklenburg und Pommern in drei Kategorien ein: So gebe es Ortsgemeinden, die die gesamte Palette an Angeboten und Arbeitsfeldern vorhalten und bespielen, beispielsweise Gottesdienst, Seniorenarbeit, Konfirmandenunterricht und Christenlehre, Kirchenmusik und Angebote für Familien. Welche, die nicht mehr die gesamte Angebotspalette haben und Ortsgemeinden, die an die Grenze ihrer Gestaltungsfähigkeit gekommen sind. Zugleich verwies Bischof Abromeit darauf, dass die geografische Lage der Kirchengemeinden eine Rolle spielt. So sei es ein Unterschied, ob eine Ortsgemeinde im Umfeld einer Stadt oder Kleinstadt bzw. in Tourismusorten ansässig sei oder im Hinterland.

Als spezifische Stärke stellte Bischof Dr. Andreas v. Maltzahn heraus, dass „in einer sich rasant wandelnden Welt die Ortsgemeinden die Kraft haben, Menschen im Nahbereich zu beheimaten“. Er fügte hinzu: „Zukunftsforscher halten ‚Nachbarschaft‘ für eines der Zukunftsthemen.“ Die Beheimatung gelte nicht nur für Gemeindeglieder, sondern in gewisser Hinsicht auch für Konfessionslose, wie das Beispiel der zirka 200 Kirchbaufördervereine zeige, in deren Reihen sich zahlreiche Menschen engagieren, ohne Kirchenmitglied zu sein. Darüber hinaus gehörten Ortsgemeinden in ländlichen Räumen manchmal zu den letzten zivilgesellschaftlichen Akteuren.

"Kirchengemeinden sind der Herzschlag der Kirche“


Aufgrund der demografischen Entwicklung stehen auch aktive Ortsgemeinden vor großen Herausforderungen. „Auf der einen Seite gibt es an vielen Orten, lebendige Gemeinden mit vielfachen Aktivitäten, die weit in die Zivilgesellschaft hineinreichen“, berichtete Bischof Abromeit. Andererseits gingen die Gemeindegliederzahlen zurück, so dass „manche Ortgemeinden sich nicht fragen, welche Zukunft sie haben, sondern, ob sie überhaupt eine Zukunft haben“.  

Hans-Jürgen Abromeit unterstrich in diesem Zusammenhang die Kernaussage, dass  Kirchengemeinden der Herzschlag der Kirche sind und sich an ihnen die Zukunft der Kirche entscheide. Glaube ist immer gemeinschaftlich, sei es in der Taufe, beim seelsorgerlichen Gespräch, beim Abendmahl. Bischof Abromeit: „Es braucht die vom Glauben überzeugte und den Glauben gemeinschaftlich lebende Gemeinde, um auch die gesellschaftlichen Aufgaben in einer erkennbar christlichen Weise erledigen zu können: die Zuwendung zu Flüchtlingen, die Seelsorge in einem Altenheim, die Gestaltung eines christlichen Kindergartens, die Lebendigkeit einer kirchenmusikalischen Arbeit usw.“

"Erprobungsregionen" als flexibler Lösungsansatz

Angesichts der Veränderungen in ländlichen Räumen plädierte Bischof v. Maltzahn für einen Umbau kirchlicher Strukturen. Trotz schon praktizierter regionaler Zusammenarbeit gebe es Kirchengemeinden, die „so ausgedehnt und an die Grenze der Gestaltungsfähigkeit gekommen sind, dass die bisherigen Lösungsansätze nicht mehr greifen“, so Andreas v. Maltzahn. Deshalb sei es nötig, die bisherigen Gemeindeformen zu flexibilisieren, um orts- bzw. regionalspezifische Lösungen zu ermöglichen. Daher schlug Bischof v. Maltzahn ,Erprobungsregionen‘ vor, die es besser ermöglichen, „die vorhandenen Ressourcen so einzusetzen, dass Menschen in Kontakt mit dem Evangelium kommen und bleiben“.

In rechtlicher Hinsicht biete die Kirchengemeindeordnung der Landeskirche kreatives Potenzial, um Freiraum für neue Gemeindeformen zu schaffen. Dies könnten lokale „Gemeinden“ ohne den Status einer Körperschaft öffentlichen Rechts unter dem Dach einer größeren Kirchengemeinde oder thematisch orientierte „Gemeinden“ in Großstädten sein, regte der Bischof v. Maltzahn. Denkbar wäre darüber hinaus ein Erprobungsgsgesetz. Inhaltlich gehe es darum, ehrenamtliche Professionen zu stärken. Dies könne durch entsprechende Fortbildungen und neue Ehrenämter wie das von Gemeindekuratoren geschehen. Diese könnten als Einzelperson oder als Team größere Verantwortung in der Gemeindeleitung übernehmen.

Die beiden Bischöfe machten deutlich, dass es natürlich Zeit brauche solche Optionen umzusetzen. Doch „Gemeinde neu zu denken und von den Charismen der Gemeindeglieder her Gemeinde bauen zu wollen, sei wichtig und steht uns Protestanten allemal gut an“, so ihr Schlusswort.

Sprengel Schleswig und Holstein

Gothart Magaard, Bischof im Sprengel Schleswig und Holstein, sprach sich in seinem Bericht dafür aus, zukünftig stärker Synergien zu nutzen, sowohl zwischen einzelnen Kirchengemeinden als auch zwischen Kirchengemeinden und Kommunen: „In jedem Fall sind die engagierten Christenmenschen ja zugleich Mitglieder der Bürgergemeinde. Viele sind vielfältig engagiert in Sportvereinen, in der Kommunalpolitik und in kulturellen Einrichtungen. Diese Verwobenheit gilt es wertzuschätzen und zu stärken. Und es gilt, miteinander querzudenken, Neues zu wagen.“

Magaard hob die enge Einbindung der Kirchengemeinden in das Gemeinwesen hervor. Er sagte: „Entscheidende Herausforderungen teilen Christen- und Bürgergemeinde in unserem Sprengel: von der Zukunft ländlicher Räume angefangen bis hin zur Herausforderung, Menschen in sozialen Notlagen die Unterstützung zukommen zu lassen, die Not tut.“

Sprengel Hamburg und Lübeck

Kirsten Fehrs, Bischöfin im Sprengel Hamburg und Lübeck, die in ihrem Beitrag des gemeinsamen Sprengelberichts dieses Mal ausdrücklich den Fokus auf die Metropole legte, erinnerte an das große Engagement vieler Menschen in Hamburg. „Gerade in der aktuellen Flüchtlingssituation merke ich, wie über 3.000 Ehrenamtliche mit Hauptamtlichen und Pastoren aus den evangelischen Gemeinden es schaffen, in die Stadtteile hineinzuwirken und echte fürsorgende Gemeinschaft zu sein“. Kirche und Diakonie zählten in der Hansestadt zu den wichtigsten zivilgesellschaftlichen Kooperationspartnern auf Senats- und Bezirksebene, so Fehrs weiter: „Und das oft dort, wo evangelische Christen in der Minderheit sind.“

Die Bischöfin ist überzeugt: „Evangelische Kirche kann im Gespräch sein, weil sie mit ihrer Gemeinde als einzige Institution überall vor Ort ist. Es ist das Zusammengehen von Glaubenssprache und praktischer Tat, die uns überzeugend macht. Für unsere Mitglieder und für alle anderen. Die Arbeit wird sein, Toleranz und Feinsinn für das dichte Zusammenspiel großer Unterschiede zu fördern, den Frieden auch unter den Religionen zu halten.“

Quelle: Nordkirche (cme/ak/emw/sg/maw)



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