Sechs Vikare begannen ihre praktische Ausbildung zwischen Wismar und Sanitz Weihnachten ohne Konsumrausch

Von Marion Wulf-Nixdorf

Fotos: Marion Wulf-Nixdorf

20.12.2015 · Sanitz. Sie sind alle um die 30, treffen sich ein Mal in der Woche in Sanitz und reden über ihre Erfahrungen in ihrer pädagogischen Schulphase, die bis Februar dauert, und über das Leben. Auch wenn sie nur sechs Stunden in der Woche selbst unterrichten müssen und sechs hospitieren: Sie hätten nicht erwartet, dass es so anstrengend in der Schule ist, sagen sie übereinstimmend.

Wencke Wetzel, 30 Jahre alt, weiß genau, was sie will: „Ich will Pastorin werden!“ „Ich finde es schön, so ein Maß an Sicherheit zu haben wie Wencke es hat“, sagt Mit-Vikarin Franziska Seichter. Ja, sie will wie die anderen, die im September mit ihrer praktischen Ausbildung vor Ort begannen und zurzeit in der Schule in Religion hospitieren und unterrichten, natürlich auch ins Pfarramt. Aber diese fast überbordende Sicherheit von Wencke – die lässt sie alle staunen.

Wencke Wetzel in Sanitz

Wencke sagt selbst, dass es vielleicht naiv klingt. Aber so sei es nun mal: Sie wolle Pastorin werden und nichts anderes. Sie kommt aus einem nicht religiösen Elternhaus. Mit 12 hat sie das erste Mal eine Kirche betreten, mit 16 das erste Mal einen lutherischen Gottesdienst erlebt. Über einen Freund war sie als junge Frau zu einigen Veranstaltungen in einer Pfingstgemeinde eingeladen worden, merkte dort aber, dass das nicht ihre Spiritualität sei. Sie suchte weiter und kam in die Heilig-Geist-Gemeinde in Rostock, traf auf den damaligen Gemeindepastor Johannes Wolf. Mit 19 Jahren ließ sie sich taufen. Inzwischen ist sie kirchlich verheiratet, ihr sechs Jahre alter Sohn getauft.

Wencke studierte in Rostock Theologie, hat während dessen viele praktische Erfahrungen mit kirchennahen Jobs wie in der Behindertenarbeit und Altenpflege gemacht, mit denen sie – als älteste von fünf Geschwistern – ihr Studium finanzierte. Toll finden ihre Mitvikare, dass ihre Eltern sie begleiten, zur feierlichen Einführung ins Vikariat im Ratzeburger Dom waren sie selbstverständlich dabei. „Sie verstehen nicht alles, was ich mache, aber ich musste nicht kämpfen“, sagt Wencke und strahlt. Sie ist Vikarin in Sanitz, ihr Vikariatsanleiter ist Pastor Gottfried Voss. Ihre Schulphase absolviert sie an der Regionalschule in Sanitz in der 5. bis 9. Klasse. Jetzt freut sie sich auf Weihnachten, auf Feiern ohne Konsumrausch. Eben auf christliche Weihnachten.

Gideon Röder in Lichtenhagen

Es gibt einen weiteren Vikar in dieser Gruppe, der einen das Staunen lehrt: Gideon Röder, 29, aus Sachsen war Siebenten-Tags-Adventist und hat mit seinen Eltern aktiv seinen Glauben gelebt. Für die Siebenten-Tags-Adventisten gibt es in Deutschland nur einen Ausbildungsstätte in Friedensau bei Magdeburg. Dorthin wollte er nicht, das war ihm zu klein. Er begann ein Theologiestudium in Leipzig, ging dann für zwei Semester nach Jerusalem an die Hebräische Universität, von da aus nach Berlin und dann nach Kyoto in Japan.

2012 kam er nach Berlin und beschloss zu konvertieren. Nun ist Gideon Röder seit drei Jahren Mitglied der evangelischen Kirche und absolviert sein Vikariat bei Pastorin Anke Kieseler in Lichtenhagen-Dorf. Er ist in der Schulphase an der Grundschule Lichtenhagen-Dorf und unterrichtet in den Klassen 1 bis 4. Er freut sich darauf, sein Wissen aus dem Studium nun endlich in der Kirchengemeinde einbringen zu können.

Franziska Seichter in Wismar und Dreveskirchen

Franziska Seichter, 29, ist Vikarin bei Sindy Altenburg in Dreveskirchen und wohnt in Wismar. Darüber ist sie, das „Stadtkind", froh, denn ihre Schule, die Evangelische Grundschule Robert Lansemann mit Orientierungsstufe, ist in Wismar und in der Stadt gibt es einfach mehr Möglichkeiten, etwas zu unternehmen, sagt die Alleinlebende. „Das Unterrichten in der Grundschule macht mir viel Spaß, denn es ist unheimlich toll zu entdecken, welche Themen Kinder in der Welt sehen und welche Themen sie bewegen“, sagt die junge Frau.

Franziska Seichter stammt wie Gideon aus Sachsen. Sie ist in Dresden aufgewachsen und hat in Hamburg studiert. „Eine sehr wegweisende Erfahrung war das Praktikum, das ich im vergangenen Jahr in der Evangelischen Stiftung Alsterdorf in Hamburg gemacht habe“, erzählt sie. „Es war eine tolle Möglichkeit für mich, mich als Theologin in der praktischen Arbeit auszuprobieren. Besonders viel Spaß hatte ich dabei zum Einen beim Einbringen von theologischen Themen in die Planung und Durchführung von Veranstaltungen, aber auch dabei, die Themen aus biblischen Geschichten im Heute zum Sprechen zu bringen. Dieses Praktikumsjahr hat entscheidend dazu beigetragen, dass ich mit viel Lust und Elan ins Vikariat gegangen bin.

Julia Schmid in Bad Doberan

Julia Schmid, 27, kommt aus Flensburg. Sie hat in Halle, Straßburg und Berlin studiert und ist in Bad Doberan bei Pastor Albrecht Jax Vikarin. Julia Schmid freut sich auf ihren Beruf, weil „man so vielseitig mit Menschen aller Generationen arbeitet – zwischen Büro und Seelsorge“.

Ihr Schulpraktikum macht sie an der Christlichen Münsterschule. Es gibt viel Zusammenarbeit zwischen Kirchengemeinde und Schule, freut sie sich. Die Kirchengemeinde lernt sie jetzt als „interessiertes Gemeindeglied“ kennen, wie sie sagt. Besonders sei für sie, dass so viele Touristen ins Doberaner Münster kommen und man deswegen vielleicht auch „Kontakt haben kann zu Menschen, die sonst nicht in eine Kirche gehen“.

Cornelius Wergin in Wismar

Cornelius Wergin, 29, fühlt sich total ausgelastet von der Schule, da bleibt wenig Zeit für die Gemeinde. Er ist Vikar bei Pastor Thomas Cremer in der Heilig-Geist-Gemeinde in Wismar und macht sein Schulpraktikum am Gerhard-Hauptmann-Gymnasium in der 7., 9. und 11. Klasse.

Er hat in Rostock, Leipzig und Halle Theologie studiert. Der Vater einer Tochter kommt aus einer mecklenburgisch- sächsischen christlichen Familie. Ihm erscheint „der Beruf sinnhaft. Ich kann das, was mich als Christ begeistert, weitergeben und ich kann mich aktiv in die Gesellschaft damit einbringen“, sagt er. Cornelius Wergin ist in der kirchlichen Kinder- und Jugendarbeit groß geworden. Durch seinen Vater, der sich bereits zu DDR-Zeiten kirchlich engagierte und den Paulskirchenkeller in Schwerin aufgebaut hat, hat er erfahren, wie Kirche Halt und Schutz geben kann.

Friederike Meyer in Rostock und Kessin

Eine, die erfahren hat, was es heißt in einem offenen Pfarrhaus zu leben, ist Friedrike Meyer, 29. Diese Offenheit, die sie bei ihren Eltern zu Hause erlebt hat, möchte sie gerne weiter geben. Der Pastoren-Beruf sei Berufung, meint sie. Im Vikariat möchte sie herausfinden, ob sie sich diesen Herausforderungen gewachsen fühlt. Als sie während des Studiums ein Praktikum in einer Gemeinde gemacht hat, sei sie „sehr erfüllt“ gewesen. Aber die Mutter eines 7-jährigen Sohnes weiß auch aus eigener Erfahrung, wie schwer es werden kann, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen.

Friederike ist Vikarin in Kessin bei Pastor Lutz Breckenfelder. Ihre Schulphase absolviert sie an der christlichen Christopherus-Schule in Rostock in der 6. bis 10. Klasse. Ihre Motivation, vielleicht Pastorin zu werden, besteht unter anderem darin, dass sie gern Menschen in besonderen Lebensmomenten begleiten möchte wie bei der Taufe, Hochzeit oder auch Krankheit und Tod.

Alle sechs Vikare sind nun neugierig auf ihre Ausbildungsgemeinden, in denen sie ab März tätig sein werden. Insgesamt gibt es für die Anfänger- Vikare zwischen Lübeck und Greifswald drei regionale Gruppen, zu denen 19 Vikare gehören. Die Lübeck- Gruppe, die Gruppe zwischen Wismar und Sanitz und die Pommern-Gruppe. Jede Gruppe trifft sich ein Mal in der Woche mit der Mentorin Pastorin Marlies Richter. Im Februar werden die Vikare das Schulvikariat mit einer Prüfung, der Lehrprobe, abschließen und dann in der Kirchengemeinde tätig sein. Im Februar 2018 werden sie ihre letzten Prüfungen haben.

Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 51/2015