Kirche im Blickpunkt Die Schweriner Petrusgemeinde wird 40

Von Donnerstag bis Sonntag wird in und an der Petruskirche auf dem Großen Dreesch in Schwerin gefeiert.

Foto: Archiv

22.06.2014 · Schwerin. Vor 40 Jahren wurde im Schweriner Plattenbaugebiet Großer Dreesch die Petrusgemeinde gegründet. Das 40-jährige Jubiläum wird in der kommenden Woche mit einem Festprogramm gefeiert. Pastor Ralf Schlenker schreibt über die Kirchengemeinde:

Nur wer sich ändert bleibt sich treu“ – dieser Satz des Liedermachers Wolf Biermann begleitete das Petrus-Gemeindewochenende 2014 in Lutherstadt Wittenberg. Für mich beschreibt er nach wie vor die Situation der Petrusgemeinde am besten. Nach der Gründung 1974 fanden die Gottesdienste in der Schlosskirche und später in der katholischen St. Andreaskirche statt. Erst zehn Jahre später wurde die eigene Kirche mit Gemeindezentrum fertiggestellt. In der dann größten Gemeinde Mecklenburgs mit bis zu 6 000 Gemeindegliedern arbeiteten zeitweise vier Pastorinnen und Pastoren. Es gab übervolle Gottesdienste.

Nach der Wende 1989 wandelte sich das Bild. Wer es sich leisten konnte, zog in die Innenstadt oder ins eigene Haus am Stadtrand. Die „Kirche in der Platte“ wurde zur „Brennpunktgemeinde“. Mit dem Wandel der Bevölkerungsstruktur im Stadtteil veränderten sich auch die Aufgaben in der Gemeinde.

Die Zahl 40 ist in biblischer Tradition von hoher Symbolkraft. Und die Gemeindeglieder spüren bewusst oder unbewusst, dass die Petrusgemeinde wieder an einem tiefgreifenden Umbruch in ihrer Arbeit angekommen ist. Einige gehen enttäuscht. Das ist bitter. Andere kommen mit vielen Ideen. Manches kann davon aufgegriffen werden, anderes muss warten. Strukturen werden besprochen, Realitäten brechen sie auf.

Kirchenasyl und Tafel

Dafür einige Beispiele: Vor zwei Jahren entwickelte die Gemeinde das „Kinderfrühstück“ am Sonntag. Fünf bis zehn Kinder waren ab 9.30 Uhr zum Frühstück in der Kirche und nahmen am Gottesdienst bzw. Kindergottesdienst teil. Inzwischen sind jedoch am Tafel-Donnerstag bis zu 20 Kinder in der Gemeinde. Also verlagerte der Gemeindepädagoge seinen Arbeitsschwerpunkt auf diesen Tag und am Sonntag läuft ein „Notprogramm“. Vor einem Jahr wurden die Räume im oberen Bereich des Gemeindezentrums für die Arbeit mit Kindern- und Jugendlichen renoviert. Seit einigen Monaten leben dort zwölf Menschen im Kirchenasyl. Die Gemeinde musste zusammenrücken und startete eine erfolgreiche Spendenaktion.

Am Donnerstag sitzen vormittags regelmäßig 25 Menschen am Tisch, die rund um die Tafelausgabe eine Aufgabe haben. Nach Andacht und Frühstück wird die Arbeit besprochen. Doch zum Sonntagsgottesdienst kommen die wenigsten aus der Runde. Daher gehen die Mitarbeiter raus zu den Menschen. Mit dem Projekt „Gesicht zeigen“ betritt die Gemeinde – unterstützt von der Stiftung „Kirche mit Anderen“ und der „Fünf Prozent Initiative“ – Neuland. Der Gemeindepädagoge ist mit seinem auffälligen „Bakfiets“ auf den Spielplätzen und vor der Einkaufspassage präsent. Einmal monatlich findet in Zusammenarbeit mit den Freikirchen ein Gottesdienst auf der Kepler-Straße statt – daher genannt „Kepler open air“.

Was manchem Unruhe macht, deuten andere als Lebendigkeit. Ich habe den Himmelfahrtgottesdienst noch gut in Erinnerung. Da saßen trotz Kälte draußen im Garten Gemeindeglieder aus der Anfangszeit neben Leuten von der Tafel, Gäste aus dem Asyl neben Leuten aus der Freikirche, Getaufte neben Suchenden. Eine Frau brachte Decken, andere trugen Stühle und beim Gesang kam sogar Bewegung mit hinein. Als die Kinder die Luftballons aufstiegen ließen, kam es zu einer Panne. Sie stiegen nicht hoch genug, um das Hochhaus nebenan zu überfliegen. Sie sanken und verfingen sich in den Bäumen. Kaum war der Segen gesprochen, kümmerten sich Menschen darum, entfernten einige Gebetskarten und die Ballons lernten fliegen. Dieses Bild begleitet mich und andere, wenn ich an die Zukunft der Petrusgemeinde denke. Nicht Höhenflüge werden möglich sein, aber ein stetiges Miteinander in aller Verschiedenheit in guter Verbindung zum Himmel.

Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 25/2014