71. Bachwoche beendet Rund 11.000 Besucher bei der Greifswalder Bachwoche

Bach-Toccata mit Festivalleiter Prof. Jochen A. Modeß beim Luther-Straßen-Fest am Samstag in Greifswald

Foto: R. Neumann

18.06.2017 · Greifswald. Rund 11.000 Besucher haben in diesem Jahr die 71. Greifswalder Bachwoche besucht, etwas mehr als im Jahr zuvor. Unter dem Titel "Reformatio Mundi" wurden 46 Konzerte, Gottesdienste und weitere Veranstaltungen angeboten. Außerdem wurde eine Gedenktafel für Bachwochen-Gründerin Annelise Pflugbeil (1918-2015) enthüllt. Zum Abschluss predigte Bischof Abromeit im Greifswalder Dom.

Die „Hymne der Reformation“ hat Bischof Dr. Hans-Jürgen Abromeit in den Mittelpunkt seiner Predigt im Festgottesdienst gestellt: „Ein feste Burg ist unser Gott“, geschrieben und vielleicht auch komponiert von Martin Luther. Der Greifswalder Bischof sagte: „Dieses Lutherlied ist Ausdruck eines unerschütterlichen Gottvertrauens. Als Luther es um 1527 herum schrieb, hatte er gerade eine Reihe existentieller Erschütterungen erlitten: Eine eigene schwere Krankheit und die Pest in Wittenberg, an der sein Sohn erkrankte und der einige seiner Freunde zum Opfer fielen. Dazu kam, dass die reformatorische Bewegung zu zerfallen drohte. Dagegen singt Luther an mit seinem Vertrauenslied.“
 
"Gott ist nicht nur harmonisch und vollkommen"

Dabei beschreibe Luther keinen naiven Glauben an einen Gott mit Superkräften. Stattdessen formuliere er eine Theologie des Kreuzes. „Gott ist nicht nur harmonisch und vollkommen, sondern in Gott liegt aufgrund der Menschwerdung und des Todes Jesu Christi auch ein Bruch. Vor diesem Hintergrund versteht man, warum Martin Luther der Menschwerdung Gottes in Jesus Christus einen so großen Sinn beigemessen hat“, sagte Bischof Abromeit im Greifswalder Dom.
 
Damit verändere sich das Bild des weit im Himmel thronenden Gottes allerdings grundlegend: „Es ist nicht einfaches Gottvertrauen, was Luther aus seiner Depression hilft, sondern konkretes Zutrauen zu Jesus Christus. Auch Jesus hat gelitten, auch er kennt das Leid. So wagt es Luther, das jüdische Gottesbild des ‚Herrn der Heerscharen‘ weiter zu entwickeln in das Bild des in Jesus Christus Mensch gewordenen Gottes. Das bedeutet aber nun für Luther: Gott leidet nicht nur mit, sondern Gott selbst leidet.“

Gäste aus aller Welt

Vor der Predigt hatten der Bachwochenchor und das Orchester die gleichnamige Bachkantate (Kantate BWV 80) aufgeführt. Die diesjährige Bachwoche stand unter dem Motto Reformatio Mundi (Reformation der Welt), und so waren auch im Gottesdienst Gäste aus aller Welt dabei: Ein Kirchenchor aus Namibia, Sängerinnen und Sänger aus Südafrika, ein amerikanischer Organist und Dr. Fredrik Modéus, Bischof der schwedischen Partnerdiözese Växjö. Er sagte in seinem Grußwort: „In einer globalisierten Welt ist es wichtig, weltweite Kirche zu sein. Wir brauchen einander, um gemeinsam zu überlegen, wie wir die Herausforderungen einer säkularisierten Welt angehen können. Lasst uns nie die Hoffnung verlieren, dass wir auch in dieser Zeit Kirche sein können, nicht unseretwegen, sondern aufgrund der Gnade Gottes.“
 
Modéus ist seit 2015 Bischof der 222 Kirchengemeinden umfassenden Diözese im südlichen Schweden und besucht die Nordkirche in diesen Tagen zum ersten Mal. Die Verbindungen zur Diözese Växjö reichen weit zurück: Nach dem Dreißigjähren Krieg war Pommern fast 200 Jahre lang schwedisch. Zu DDR-Zeiten unterstützten die Schweden das kirchliche Leben in Pommern, es gab bereits seit den 1970er Jahren Begegnungen zwischen schwedischen und pommerschen Kirchengemeinden. 2011 wurde ein Partnerschaftsvertrag zwischen der Diözese Växjö und der Pommerschen Evangelischen Kirche geschlossen, der ein Jahr später auf die Nordkirche überging.

Gedenktafel für Annelise Pflugbeil enthüllt

Bereits am Samstag wurde am Lutherhof in der Martin-Luther-Straße 8 eine Gedenktafel für die Mitbegründerin der Greifswalder Bachwoche, Annelise Pflugbeil (1918-2015), enthüllt. 40 Jahre lebte Annelise Pflugbeil im Wohngebäude des Lutherhofs. Dort hatte sie nach ihrer Flucht aus Stettin im Jahre 1945 im früheren Verwaltungsamt Klavierunterricht geben können. Dort fand auch die schicksalhafte Begegnung mit ihrem späteren Mann, dem Kantor Hans Pflugbeil statt. Vor 71 Jahren begründeten sie die Greifswalder Bachwoche, die durch alle Jahrzehnte mit ihren Erfolgen, aber auch Repressionen durch den DDR-Staat bis heute weiterbesteht.

"Mit ihrer Freundlichkeit, Kompetenz und Ermutigung hat Annelise Pflugbeil die Bachwoche über Jahrzehnte genährt: Also wirklich: die 'Mutter der Bachwoche', wie sie intern genannt wird", sagte Superintendent i.R. Rainer Neumann zur Enthüllung der Gedenktafel. Für ihren Mann, Hans Pflugbeil, gebe es eine entsprechende Tafel am Gebäude des Institutes für Kirchenmusik und Musikwissenschaft in der nahegelegenen Bahnhofstraße. Dort war damals die gemeinsame Wohnung des Ehepaares.

"MeMo" 2018

Die 72. Greifswalder Bachwoche wird vom 4. bis 10. Juni 2018 stattfinden. Es wird die 25. Bachwoche und die letzte unter Leitung von Professor Jochen A. Modeß sein, der im Herbst 2018 in den Ruhestand tritt. Unter dem Titel "MeMo" soll sie eine Rückbesinnung auf 25 Jahre Bachwoche werden. Die Greifswalder Bachwoche ist das älteste Musikfestival Mecklenburg-Vorpommerns. Träger ist die Nordkirche.

Quelle: Bischofskanzlei Greifswald/Bachwoche/epd


Weitere Informationen: www.greifswalder-bachwoche.de