Rosemaria Griehl feiert Goldenes Ordinationsjubiläum „Frau Pastor“ auf der Kanzel

Von Sophie Ludewig

Pastorin Griehl auf dem Weg zum Gottesdienst im Jahr 1966.

Foto: privat

03.04.2016 · Waren. Pastorin Rosemaria Griehl hat sich am Sonntag Gäste eingeladen: Sie feiert ihr 50. Ordinationsjubiläum. Ein solcher Tag ist mehr als nur ein privater Erinnerungstag. Frauen gleichberechtigt auf der Kanzel – das war ein langer Weg. Im Osten war Mecklenburg die erste Landeskirche, die das Anliegen ihrer Synode aufgriff und ein erstes Theologinnengesetz verabschiedete, sagt Mecklenburgs ehemaliger Landesbischof Heinrich Rathke, „allerdings mit beschämenden Zugeständnissen für die Tätigkeit einer Theologin: Sie möge allenfalls Kindergottesdienst halten.“ Es gab vier Theologinnengesetze in Mecklenburg, erst das vierte vom 2. April 1972 brachte kirchenrechtlich gesehen die volle Gleichstellung der Pastorin als „ordinierte Theologin“. Pastorin Ilse Margreth Kulow ist am 31. Oktober 1962 eingesegnet worden. Damit wird sie meist als erste Pastorin in Mecklenburg genannt. Oder ist es Rosemaria Griehl, die am 3. April 1966 ordiniert wurde?

Heutzutage wundert sich kein norddeutscher Lutheraner mehr, wenn vorn am Altar eine Pastorin das Abendmahl austeilt, ein Kind tauft oder auf der Kanzel steht und predigt. Vor 50 Jahren sah das noch ganz anders aus – da gab es Widerstand, wenn eine Frau die Männerbastion Pfarramt stürmen wollte. Trotzdem ließen sich einige Damen davon nicht beeindrucken und forderten ihr Recht auf Gleichberechtigung ein. Zu ihnen gehörte auch Rosemaria Griehl, die als eine der ersten Frauen in Mecklenburg am 3. April 1966 die Ordination erhielt.

„Ich hatte ganz schön Herzklopfen“, erinnert sich Rosemaria Griehl an den Tag, als sie in der St. Georgenkirche in Waren von Landessuperintendent Martin Lippold ordiniert wurde. An jenem Palmsonntag war die Kirche bis auf den letzten Platz gefüllt – eine Frau wird Pastor, das wollte sich keiner entgehen lassen. „Die Leute sind sehr neugierig auf mich gewesen und hinterher haben wir noch gemeinsam ein schönes großes Fest gefeiert – es war ein wunderbarer Tag“, blickt Rosemaria Griehl zurück.

Der Weg bis dahin war nicht immer einfach. Das Interesse für religiöse Themen und eine intensive Auseinandersetzung mit dem Glauben hatte sie als junges Mädchen in Parchim entwickelt, wohin sie mit ihrer Familie nach der Flucht aus ihrem Heimatort Elbing in Ostpreußen im Februar 1945 kam. Die damals 14-Jährige fand dort in der lebendigen kirchlichen Jugendarbeit ein neues Zuhause und viele Anregungen. Sie stellte unentwegt Fragen und hatte einen so großen Wissensdurst, dass Otto Schröder, der damalige Vikar und spätere Landessuperintendent von Parchim, eines Tages zu ihr sagte: „Sie müssten Theologie studieren, so interessiert wie Sie sind.“

Für die Schülerin war das ein merkwürdiger Vorschlag – Frauen, die studierten, gab es so etwas überhaupt? „Als ich nach Hause kam und meiner Mutter davon erzählte, erwiderte sie nur entsetzt: ‚Aber Kind, immer diese kalten Kirchen!‘“, erinnert sich die heute 85-Jährige lachend. Trotz der Warnung der Mutter vor unterkühlten und zugigen Gotteshäusern nahm sie 1950 als eine von nur sieben jungen Frauen das Theologiestudium an der Universität Rostock auf – zunächst gar nicht mit dem Ziel, einmal ins Pfarramt zu gehen. „Das Studium habe ich einfach nur genossen, denn es ist ja so vielseitig. Ich konnte neue Sprachen lernen, mich mit Bibelkunde, Geschichte, Rhetorik, Pädagogik beschäftigen und hatte nebenbei auch noch Orgelunterricht.“

Gottesdienst ja – aber ohne Talar

Als Rosemaria Griehl 1956 das Erste Theologische Examen ablegte, wollte sie erst einmal ihren Platz in der Gemeindearbeit finden. Ihre erste Aufgabe hatte sie als Lehrvikarin im Stift Bethlehem in Ludwigslust. Als dort eines Sonntags kein Pfarrer zur Verfügung stand, wurde der Oberkirchenrat gefragt, ob nicht die Vikarin den Gottesdienst alleine übernehmen könnte. Die Antwort lautete: Ja, aber sie darf keinen Talar tragen, nur ein schlichtes schwarzes Kleid.

Diese zweitklassige Behandlung setzte sich auch in Plau am See fort, wo Rosemaria Griehl ab 1957 zur Unterstützung des Pastors als so genannte Pfarrvikarin arbeitete. Nach dem Zweiten Theologischen Examen und ihrer Einsegnung 1959 war die Gemeinde allerdings so von ihr begeistert, dass eine Delegation des Kirchengemeinderats nach Schwerin zu Bischof Niklot Beste fuhr, um die Übertragung der zweiten Pfarrstelle in Plau an sie zu erwirken. Doch sie wurden schwer enttäuscht. Mit dem Verweis auf 1. Mose 3, 16, wo es heißt, dass Gott zuerst den Mann schuf und zur Frau sagte: „Der Mann soll dein Herr sein“, lehnte Bischof Beste den Antrag ab. „Eine weitere beliebte Bibelstelle, die von den Gegnern der Frauenordination angeführt wurde, war 1. Korinther 14, 34: ‚Das Weib schweige in der Gemeinde‘“, berichtet Rosemaria Griehl. „Wenn es nach denen gegangen wäre, hätten wir höchstens mal einen Kindergottesdienst halten oder Konfirmandenunterricht geben dürfen.“

Weil aber nun einmal Not am Mann war, übernahm die Vikarin in Plau fast jeden Sonntag einen Gottesdienst. Die Reaktionen der Gemeindemitglieder seien dabei durchweg positiv gewesen: „Nach einem Gottesdienst kam ein Mann auf mich zu und sagte: ‚Also, erst hab’ ich gedacht: ’Ne Frau als Paster – naja. Aber denn hat’s mir sehr gut gefallen.“ Als die Herbstsynode der Landeskirche 1965 den Antrag des Theologinnenausschusses auf Zulassung der Frauenordination annahm, wollten die Plauer eine Pastorinnenstelle in ihrer Stadt einrichten. „Leider hat sich Pastor Timm dagegen gestellt, sodass ich trotz des Rückhalts in der Gemeinde keine Pastorin in Plau werden konnte – das hat mich ziemlich verzweifeln lassen.“

Zur Not eben auch eine Frau

Doch dann ergab sich eine Alternative zu Plau. In Waren suchte die St. Georgengemeinde jemanden, der die zweite Pfarrstelle übernahm – zur Not eben auch eine Frau. Rosemaria Griehl: „Pastor Siegert soll damals gesagt haben: Frau Griehl wäre doch eine gute Wahl. Sie ist zwar eine Frau, aber die Plauer sagen, sie macht das ganz gut dort in der Gemeinde.“ So wechselte sie 1966 in die Müritzstadt, wo die Gemeinde sie herzlich aufgenommen habe. „Als es mir dann hier so gut ging, musste ich immer an die Stelle im 1. Buch Mose denken: ‚Ihr gedachtet es böse mit mir zu machen, aber Gott gedachte es gut zu machen‘.“

Als ordinierte Pastorin durfte sie zwar nun auch die Sakramente allein verwalten, aber eine völlige Gleichstellung mit ihren männlichen Kollegen erfolgte erst Jahre später. Ab 1972 konnten Pastorinnen in Mecklenburg den Vorsitz im Kirchengemeinderat und damit die Gemeindeleitung übernehmen und ab 1982 galt in allen Landeskirchen der DDR das neue Pfarrerdienstgesetz, das Männer und Frauen gleich behandelte. Damit fiel auch die Bestimmung weg, dass eine Pastorin nach ihrer Heirat ihr Amt aufgeben musste. „Da ich unverheiratet geblieben bin, hatte mich diese Bestimmung ja nie persönlich gestört, aber es war natürlich schon eine gemeine Sache“, meint Rosemaria Griehl.

Für sie sei die Gemeinde immer ihre Familie gewesen und durch ihre jüngere Schwester habe sie darüber hinaus auch eine große Familie dazu geschenkt bekommen. Ihrer Heimatgemeinde in St. Georgen ist sie auch nach ihrem Eintritt in den Ruhestand im Jahr 1992 treu geblieben: Immer noch singt sie im Kirchenchor mit, und ein Sonntag ohne Gottesdienst in „ihrer“ Kirche sei für sie undenkbar. Den Beruf der Pastorin würde sie übrigens immer wieder wählen, denn: „Es ist so wunderbar, mit so vielen verschiedenen Menschen zusammenzuarbeiten und ihnen von Gottes Liebe und seiner Frohen Botschaft zu erzählen.“

Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 14/2016


Mehr zum Thema

Wer mehr lesen möchte über Pastorinnen in der Mecklenburgischen Landeskirche, dem sei der Aufsatz von Pastorin i. R. Jutta Schnauer aus Rostock im Jahrbuch für Mecklenburgische Kirchengeschichte empfohlen (zugleich die Festschrift zum 85. Geburtstag für Dr. Heinrich Rathke): „Als Frau im Dienst einer Kirche für andere“, S. 156-166, Redarius Verlag Wismar, 2014, ISBN 978-3-941917-07-1.

Ebenfalls lesenswert: der Aufsatz von Pastorin i. R. Hanna Strack aus Pinnow zum Leben von Pastorin Ilse Margreth Kulow. „Kampf für die Frauenordination in der DDR“, S. 155-159 im Katalog zur Wanderausstellung „Von gar nicht abschätzbarer Bedeutung – Frauen schreiben Reformationsgeschichte", Lutherische Verlagsgesellschaft Kiel 2016, ISBN 978-3- 87503-187-4. Beide Texten bieten weitere Literaturangaben.