Ein harmloses Foto mit Folgen Reichspräsident Friedrich Ebert in der Badehose

Von Thomas Morell

"Illustrierte Zeitung" vom 24.08.1919: Reichspräsident Friedrich Ebert (re.) und Reichswehrminister Gustav Noske in Badehosen an der Ostsee

Foto: epd-bild/Jens-Ulrich Koch

23.08.2019 · Haffkrug/Berlin. Schon vor 100 Jahren hat man mit Fotos Politik gemacht: Ein Bild von Reichspräsident Ebert in Badehose wurde genutzt, um den Sozialdemokraten und mit ihm die junge Demokratie in Verruf zu bringen.

Erst wenige Monate war die erste deutsche Republik alt, da wurde sie von einem harmlosen Foto vom Ostseestrand erschüttert. Vor 100 Jahren, am 24. August 1919, zeigte die "Berliner Illustrirte Zeitung" auf ihrem Titel den neuen Reichspräsidenten Friedrich Ebert und Reichswehrminister Gustav Noske in Badehose. Aufgenommen worden war das Foto wenige Wochen zuvor im Ostseebad Haffkrug in der Lübecker Bucht. Vor allem die rechte antidemokratische Presse nutzte das Foto für neue Angriffe auf die junge Demokratie.

Im November 1918 endete der Erste Weltkrieg, nachdem Kieler Matrosen gemeutert hatten und Kaiser Wilhelm II. abgedankt hatte. Armut, Kriegsschäden und bürgerkriegsähnliche Kämpfe begleiteten die Gründung der Weimarer Republik. Am 19. Januar 1919 wurde die Verfassunggebende Nationalversammlung gewählt, drei Wochen später bestimmte sie den Sozialdemokraten Friedrich Ebert in Weimar zum - vorläufigen - ersten deutschen Reichspräsidenten. Vereidigt wurde er erst im August, nachdem die neue Verfassung in Kraft getreten war.

Zuvor reiste Ebert im Sommer im Anschluss an einen Besuch in Hamburg nach Haffkrug, um dort ein Waisenhaus der Stiftung "Pro" zu besichtigen. Das Haus steht noch und dient seit 1974 der Erholung von Senioren. Wichtig war der Besuch, weil Ebert das "Pro"-Vorstandsmitglied Henry Everling als Minister gewinnen wollte - allerdings vergeblich. Nach dem offiziellen Teil wurde ein Bad in der Ostsee vorgeschlagen.

Der örtliche Fotograf Wilhelm Steffen bat darum, von den sechs Männern im Wasser ein Foto machen zu dürfen. Es zeigt neben Ebert, Noske und Everling die "Pro"-Vorstandsmitglieder Julius Müller und Gustav Lehne sowie - als "Neptun" mit einer Forke in der Hand - Stiftungsvorstand Josef Rieger. Der kleinste Mann auf dem Foto ist Friedrich Ebert. Die Männer stimmten dem Foto zwar zu, doch Ebert nahm Steffen das Versprechen ab, es nur privat zu verwenden und nicht zu veröffentlichen - ein folgenschwerer Leichtsinn. Steffen willigte ein, hielt sich aber nicht an sein Versprechen. Wie das Bild letztendlich nach Berlin kam, ist ungeklärt.

Das Foto wurde der Berliner Presse zugespielt und erschien zuerst am 9. August in der rechtskonservativen "Deutschen Tageszeitung" - mit allen sechs Männern und einem Text. Ebert und Noske, so hieß es dort wahrheitswidrig, hätten das Foto veranlasst, um "ihre ganze Mannesschönheit zur Schau" zu stellen.

Für ihre Ausgabe am 24. August setzte die "Berliner Illustrirte Zeitung", eine der auflagenstärksten Zeitschriften der Weimarer Republik, das Foto auf den Titel. Es zeigte ganzseitig nur noch Ebert und Noske sowie den im Wasser liegend Stiftungsvorstand Josef Rieger als "Neptun". Bereits drei Tage vorher, am 21. August, waren zahlreiche Exemplare im Handel. An diesem Tag wurde Ebert als erster deutscher Reichspräsident vereidigt.

Fotos in den Zeitungen waren Anfang des vergangenen Jahrhunderts noch ungewohnt. Die "Berliner Illustrirte Zeitung" war die erste, die gezielt Bilder einsetzte. Sie setzte statt fester Abonnements auf den Straßenverkauf. Interessante Titelfotos sollten zum Kauf der Wochenzeitschrift motivieren. Anders als die "Deutsche Tageszeitung" zählte die "Berliner Illustrirte Zeitung" zur liberalen Presse.

Die öffentliche Empörung über das Foto war auch deshalb so groß, weil Ebert und Noske nur mit einer Badehose bekleidet waren. "Standesgemäß" gingen Männer damals mit einem Badekostüm ins Wasser, das den Oberkörper bedeckte.

Die "Deutsche Tageszeitung" ging anschließend noch einen Schritt weiter und veröffentlichte in hoher Auflage eine Postkarte mit dem Titel "Einst und jetzt!". Darauf sind Kaiser Wilhelm II. und Reichsmarschall Paul von Hindenburg in schmucker Uniform den beiden Demokraten Ebert und Noske in Badehose gegenübergestellt.

Das Satiremagazin "Kladderadatsch" reimte: "Heil dir am Badestrand/ Herrscher im Vaterland/ Heil, Ebert, dir!/ Du hast die Badebüx,/ sonst hast du weiter nix/ als deines Leibes Zier,/ Heil, Ebert, dir!" Bei späteren Auftritten Eberts sollen seine Kritiker Badehosen geschwenkt haben.

Gegen die Verwendung des Fotos strengte Ebert seine erste Beleidigungsklage vor dem Berliner Landgericht an. Zwar erließ das Landgericht ein Verbot der Postkarte, doch war die Verbreitung nicht mehr zu verhindern. Mit insgesamt 173 Strafanträgen stritt Ebert bis zu seinem Tod 1925 gerichtlich für die Würde seiner Person und seines Amtes. Er wurde als "größter Lump in Deutschland", "Schwein", "Esel", "Rotzjunge" und "Obermistvieh" geschmäht.

Heute werden Badehosen-Bilder von Politikern oft als Versuch für positive Image-Werbung eingesetzt. Italiens Innenminister Matteo Salvini ist auf Strand-Sommertour gegangen, Wladimir Putin, Barack Obama und Nicolas Sarkozy präsentierten ihre muskulösen Oberkörper. In Deutschland sprang einst Bundespräsident Richard von Weizsäcker als fast 80-Jähriger vom Beckenrand.

Lediglich der spätere Noske-Nachfolger Rudolf Scharping, ebenfalls Sozialdemokrat, machte 2001 Furore mit einem Foto, das ihn auf Mallorca im Swimming-Pool mit seiner Freundin zeigte, während Bundeswehr-Soldaten unmittelbar vor einem Einsatz in Mazedonien standen - da war er die längste Zeit Verteidigungsminister gewesen.

Quelle: epd