EKD-Chef Bedford-Strohm rief in Greifswald zum Vertrauen in die Botschaft auf Raus aus der Depression

Von Sybille Marx

Voller Saal: Zum öffentlichen Vortrag des EKD-Ratsvorsitzenden Heinrich Bedford-Strohm im Greifswalder Krupp-Kolleg kamen über 200 Zuhörer – Tagungsteilnehmer und andere Interessierte.

Foto: Sybille Marx

01.06.2018 · Greifswald. Wer heute Mitglied der evangelischen Kirche ist oder wird, wird es nicht mehr aus Konvention oder Pflicht, sagte EKD-Ratschef Heinrich Bedford-Strohm kürzlich beim internationalen Kongress „Kirche(n) gestalten“ in Greifswald. Darin liege eine Chance – und eine Herausforderung.

Schluss mit Selbstzerknirschung: Die evangelische Kirche wird zwar kleiner, aber vielleicht auch entschiedener! Ungefähr so könnte man die erste These zusammenfassen, die Heinrich Bedford-Strohm am 25. Mai beim internationalen Kongress „Kirche(n) gestalten“ im Greifswalder Krupp-Kolleg entfaltet. Das Uni-Institut zur Erforschung von Evangelisation und Gemeindeentwicklung hat eingeladen, rund 170 Theologen und Kirchenmitarbeiter sind angereist, um drei Tage lang darüber zu beraten, wie die Kirche sich reformieren kann – in Zeiten sinkender Mitgliedszahlen, in einer individualisierten, pluralistischen Gesellschaft. Zu Bedford-Strohms Abendvortrag sind über 50 weitere Zuhörer gekommen.

„Wir müssen aus unserer Depression herauskommen und eine mentale Dynamik der Fülle entwickeln“, meint der Ratsvorsitzende. Zwar sei 1950 noch fast jeder Deutsche Mitglied in der evangelischen oder katholischen Kirchen gewesen, heute seien es noch nur 58 Prozent. Aber das sei nicht vergleichbar, denn wer heute zur Kirche gehöre, gehöre aus Überzeugung dazu, nicht mehr aus Konvention oder sozialem Druck. „Die Zahlen sind ehrlicher“, meint er. Und so gelte es, den Blick vom vermeintlichen Kirchenverfall wegzulenken und sich stattdessen zu freuen über alle Kirchenmitglieder, die aus freien Stücken da seien, und über das, was in der Gemeindepraxis gelinge – ausgehend von den biblischen Verheißungen der Fülle.

Weniger Bürokratie, mehr Flexibilität

Zweite These: Weniger Bürokratie, mehr Flexibilität. „Brauchen wir wirklich jede Entscheidungsebene?“, fragt Bedford-Strohm. Könne nicht manche Sitzung ausfallen, wenn weniger Menschen beteiligt würden und alle darauf vertrauten, „dass die, die es machen, es auch gut machen?“ Junge Menschen verabredeten sich heute über Internet-Plattformen, nutzten gern Workspaces – offene Büros, in denen sie in Austausch kämen. „Passen neue Begegnungsräume nicht auch viel besser zur Kirche als ein preußisch gewachsenes Institutionengebilde?“

Weitere These: Die Pastoren- Ausbildung sollte lebensnäher sein, vielleicht weniger Gewicht auf die Vermittlung von Alt-Hebräisch und Altgriechisch legen, dafür ein Jahr Gemeinde-Praktikum schon mitten im Studium einführen. Auch die Digitalisierung müsse man ernster nehmen als bisher, meint Bedford-Strohm: „18,5 Stunden pro Woche sind Jugendliche heute im Netz unterwegs“. Die Frage sei nicht, ob, sondern wie die Kirche dort Kontakt mit ihnen aufnehmen könne.

"Viele wollen dankbar leben lernen“

„Durch Sein in der Liebe missionarische Kraft entwickeln“, lautet seine These Nummer sieben. Wer von der Liebe Gottes spreche, müsse das Sein in der Liebe auch ausstrahlen. „Das kann natürlich nicht verordnet werden, sondern basiert darauf, dass wir alle uns immer wieder inspirieren lassen, uns selbst die Nahrung immer wieder holen.“ Und seine zehnte These schließlich lautete: Was viele Menschen heute ersehnen, darauf antworte die Bibel, „man muss es ihnen nur erschließen.“ Glücksforscher hätten etwa nachgewiesen, dass viele Menschen dankbar leben lernen wollten.

„Und was könnte mich dankbarer machen als zu glauben, dass Gott mich geschaffen hat“, sagt der Theologe. Auch Vergebung spiele für das Wohlbefinden eine große Rolle, die Rede von Sünde und Buße sei also nicht vom alten Eisen. Und so schließt Bedford- Strohm mit einem Satz, der zuversichtlich klingen würde, wenn das Wort „eigentlich“ nicht auch leise Zweifel transportierte: „Wir sind vielleicht nicht immer die starken Botschafter“, sagt er. „Aber die Botschaft, die wir vertreten, ist so stark, dass wir uns über die Zukunft eigentlich keine Sorgen machen müssen.“

Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 22/2018