Der Weg führt in die Region Pröpstin Britta Carstensen über den erneuten Strukturprozess in Mecklenburg

Pröpstin Britta Carstensen

Foto: kirche-mv.de/D. Vogel

25.11.2017 · Neustrelitz. Die mecklenburgische Kirchenkreissynode hat im Frühjahr 2014 die Initiative „Stadt, Land, Kirche – Zukunft in Mecklenburg“ in Gang gesetzt. Leitfragen dieses Prozesses sind unter anderem: Wie können Kirchengemeinden ihren Auftrag in Zukunft erfüllen? Wie soll Kirche in Mecklenburg im Jahr 2030 aussehen? Welche Strukturen, Arbeitsplätze, Gebäude sind dazu nötig und möglich? Es geht um die Gestaltung der neuen Stellenpläne und um eine neue „Pfarrgemeinde- Haus-Planung“. Sie soll bei der Entscheidung helfen, welche Gemeindehäuser in Zukunft vom Kirchenkreis gefördert werden. Nicole Kiesewetter sprach darüber mit der Neustrelitzer Pröpstin Britta Carstensen.

Frau Carstensen, warum ist dieser Prozess nötig?

Britta Carstensen: Wir müssen uns den Realitäten anpassen. Durch die sinkende Zahl der Gemeindemitglieder haben wir sehr viele kleine Gemeinden, für die es immer schwerer wird, aus eigener Kraft ihren vielfältigen Aufgaben nachzukommen. Außerdem werden wir durch den Mitgliederrückgang perspektivisch weniger Finanzmittel zur Verfügung haben. Deshalb müssen wir jetzt die Weichen für neue Strukturen stellen.

Wie sollen die aussehen?

Wir haben vier Struktureinheiten geschaffen und jede Kirchengemeinde wird einer der vier Struktureinheiten zugeordnet: Es gibt die drei Oberzentren Rostock, Schwerin, Neubrandenburg. Die brauchen künftig 700 Gemeindeglieder für eine Vollbeschäftigungseinheit (VbE). Die Mittelzentren Bad Doberan, Grevesmühlen, Güstrow, Hagenow, Ludwigslust, Neustrelitz, Parchim, Ribnitz, Teterow, Waren- Müritz, Wismar brauchen 650 Gemeindeglieder. Dann haben wir die „Einheit Ländlicher Raum/dichter besiedelt“, das heißt über 50 Einwohner pro Quadratkilometer. Hier werden 600 Gemeindeglieder für eine VbE gebraucht. Und die kleinste Struktur ist „Ländlicher Raum/ dünner besiedelt“ mit unter 50 Einwohner pro Quadratkilometer, dort werden künftig 500 Gemeindemitglieder für eine VbE gebraucht.

Das bedeutet: Für eine volle Personalstelle müssen Gemeinden in Zukunft enger kooperieren?

Ja, denn gerade kleine Kirchengemeinden auf dem Land haben oft weit weniger als 500 Gemeindeglieder. Aber nicht nur die Landgemeinden, im Kern sind alle Kirchengemeinden um ihres Auftrags willen gehalten, geschwisterlich zusammenzuarbeiten. Denn gleichzeitig soll ja auch die Gemeinschaft der Dienste gewahrt bleiben. Das heißt, Stellenpläne sollen so aufgestellt sein, dass Pastoren, Gemeindepädagogen, Kirchenmusiker und Küster/Verwaltung in der Kirchengemeinde bzw. der Kirchenregion gemeinsam ihren Dienst tun können. Daher wird sich in vielen Gegenden die Kirchenregion zur neuen Bezugsgröße entwickeln.

Nun gibt es an verschiedenen Stellen Widerstand gegen die Pläne des Kirchenkreises...

Ja, das lässt sich nicht leugnen. Denn wahr ist ja auch: Der neue Stellenplan verlangt vor allem der Propstei Neustrelitz einiges ab. Wir verlieren im Propstei- Durchschnitt 17 Prozent unserer bisherigen Stellen, in der Region Stargard sind es sogar 25 Prozent – und wir kommen schon von einem relativ niedrigen Stellenzahlenniveau. Das zwingt die Kirchengemeinden, in relativ kurzer Zeit ganz neue Vorstellungen für ihre kirchliche Arbeit zu entwickeln.

Es ist eine große Herausforderung, Abschied zu nehmen von der relativen Übersichtlichkeit der Ortskirchengemeinde hin zu einer gelebten geschwisterlichen Verbundenheit in der Region. Das wird nur gelingen, wenn gleichzeitig Schwerpunkte bei den Aktivitäten und Angeboten gesetzt werden.

Viele haben Sorge, dass dann die Nähe verloren geht. Und dass mit weniger Personal letztlich die gleiche Arbeit getan werden muss. Gerade was die Verwaltung und den Erhalt der Kirchen und Friedhöfe angeht. Sie sehen die Grenze dessen erreicht, was machbar ist. Das ist mir bewusst – auch wenn ich nicht alle Sorgen teile. Wo es notwendig ist, werde ich weiter versuchen, gemeinsam mit meinen Pröpste- Kollegen nach Lösungen zu suchen. Ich denke aber auch, dass Chancen in dem Prozess liegen.

Welche Chancen sehen Sie?

Eine der größten Chancen liegt bestimmt in der Arbeit in einem Team von Mitarbeitern, das die Dinge zusammen angeht. Ich erhoffe mir eine starke Gemeinschaft der Dienste und Ideen für eine fantasievolle kirchliche Arbeit. Wenn wir in der Fläche nicht mehr an allen Orten alles vorhalten können und wollen, dann können wir uns umgekehrt konzentrieren. Hoffentlich mehr gaben- und stärkenorientiert arbeiten. Und uns dahin wenden, wo kirchlich etwas wächst. Oder geistlich wachsen will. Ich denke auch, wir werden immer mehr zu einer Beteiligungskirche werden. Was ich nicht schlecht finde. Und Ehrenamtlichkeit wird noch einmal einen ganz neuen Stellenwert bekommen. Die größte Chance liegt aber darin, mitten im Wandel ein neues Gottvertrauen zu lernen.

Wie sieht der weitere Zeitplan in diesem Prozess aus?

Im Moment arbeiten die Kirchengemeinden und Kirchenregionen an Plänen, wie sich der neue Stellenplan vor Ort umsetzen lässt. Sie arbeiten dazu dem Stellenplanausschuss der Propstei zu, die den Regionalkonferenzen am Ende einen abschließenden Stellenplanentwurf zum Votum vorlegen wird. Im April 2018 wird der Kirchenkreisrat dann einen Beschluss zum kirchengemeindlichen Stellenplan treffen. Dieser wird dann im Rahmen der Beratungen zum Haushalt 2019 im Herbst kommenden Jahres von der Synode beschlossen.

Frau Carstensen, was erwarten Sie von den kirchlichen Mitarbeitern?

Was wir erhoffen, erbitten und auch erwarten, das ist Beweglichkeit. Es geht nicht um den Erhalt eines Pfarrhauses, es geht um das gelebte Evangelium. Ich weiß, es ist schwierig die Herzen der Menschen in diesem Prozess mitzunehmen, aber diese Veränderungen sind nicht das Ende der Fahnenstange. Und sie sind nicht das Ende der Kirche.

Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 47/2017