Viele pommersche Kirchensiegel werden erneuert Schon alles besiegelt?

Von Sybille Marx

Statt einer Bibel zeigt Samtens jetzt den Christusträger Christophorus.

Foto: kiz/J. Gerber

01.05.2016 · Gingst/Greifswald/Bergen. Wegen einer Bestimmung im Siegelgesetz der Nordkirche müssen fast alle Gemeinden ihre Stempel neu anfertigen. Nervig, finden manche im Pommerschen Kirchenkreis. Wichtig, sagt die Verwaltung. Macht Spaß, meint ein Pastor auf Rügen.

Es ist ein kleines Detail, aber ein entscheidendes: Im Siegel, mit dem eine Kirchengemeinde ihre offiziellen Papiere stempelt, muss künftig der Name der Gemeinde stehen: „Ev. Kirchengemeinde XY“, so schreibt es das Siegelgesetz der Nordkirche seit 2012 vor. Bei den meisten pommerschen Gemeinden steht aber noch „Kirche zu XY“ in der Umschrift, erklärt Hartmut Dobbe, Leiter des pommerschen Kirchenamts in Greifswald. Außerdem haben sich die Vorgaben zum Siegel-Motiv geändert. „Darum müssen die Siegel nun angepasst werden.“

Eine Arbeit, die manche Pastoren lästig finden. „Ich habe mich auch erst geärgert, dass wir uns damit herumschlagen müssen“, erzählt Pastor Joachim Gerber, der für die Gemeinden Gingst, Waase und Samtens auf Rügen zuständig ist. Aber dann habe es Spaß gemacht, mit den Kirchengemeinderäten zu beraten, welches Motiv die neuen Stempel zeigen sollen. „Denn die Frage ist ja: Womit soll man unsere Gemeinde verbinden, was ist charakteristisch für uns?“

Auf Rügen hätten die Siegel früher fast alle eine aufgeschlagene Bibel gezeigt, erzählt Gerber. Jana Holzberg, Archivarin im pommerschen Kirchenkreisarchiv, in dem auch alte Siegel gesammelt werden, bestätigt: „Es war wohl eine Zeitlang üblich, dass benachbarte Gemeinden das gleiche Motiv hatten“, in der Demminer Region etwa ein Kreuz mit Ähren.

"Das ist eine große Herausforderung“

Das Siegelgesetz der Nordkirche schreibt dagegen vor, dass jede Gemeinde ein eigenes, unverwechselbares Motiv braucht – eines, das einen Bezug zur Geschichte der Gemeinde oder zu ihrer Bedeutung hat und so zeitlos ist, dass es gut 100 Jahre in Gebrauch bleiben kann. „Das ist eine große Herausforderung“, sagt Carmen Belitz aus der Rechtsabteilung des Landeskirchenamts Kiel. „Vor allem fusionierte Gemeinden haben es schwer.“ Aber darin liege eben auch eine Chance. „Es ist ein bisschen wie eine Leitbilddiskussion.“ Beliebte Motive seien die Namenspatrone der Kirchen, historische Ausstattungsstücke – oder der eigene Kirchbau.

Joachim Gerber hat sich mit seiner Gingster Gemeinde entschieden, die Frontansicht der Kirche zu zeigen, mit Jakobsmuschel und Lutherrose daneben. „Unsere Kirche sieht man von weit her, die ist landschaftsprägend“, erklärt er. Die Jakobsmuschel verweise auf Jakobus als Namenspatron der Kirche und die Lutherrose, die sich auch am Barockaltar der Kirche finde, stehe für „evangelisch“.

Die winzige Kirchengemeinde Waase dagegen hat den auferstandenen Christus gewählt, wie er auch auf einem Altarbild der dortigen Kirche zu sehen ist. „Unser wertvoller Altar zieht die Massen an“, sagt Gerber. Und auch theologisch passe das Motiv gut: „Wir sagen damit, dass der lebendige Christus mitten unter uns ist.“ Auf dem Bild sei seine rechte Hand zum Segen erhoben. „Christus segnet unsere Gemeinde und den Betrachter des Siegels, das ist unsere Aussage.“

"Christus zu den Menschen tragen"

Gerbers dritte Gemeinde Samtens wird auf wichtigen Schriftstücken künftig das Bild des Christophorus mit Jesus auf dem Rücken hinterlassen, wie es auch als Wandmalerei in der Kirche zu finden ist. „Denn das ist doch unsere Aufgabe: Christus zu den Menschen zu tragen“, erklärt Gerber. Auch dieser Jesus habe die Hand zum Segen ausgestreckt, während seine andere Hand auf einem Kreuz ruhe, das an einen Baum erinnere, „den wahren Baum des Lebens“.

In der Kirchengemeinde Bergen auf Rügen hat man sich für den romanischen Altarkelch aus der Kirche als Motiv entschieden. „Das ist jetzt eine runde Sache“, meint Pastor Jörn Kiefer. Kirchenkreis-Archivarin Jana Holzberg begleitet den Prozess der Siegel- Umstellung im Pommerschen Kirchenkreis mit Neugier und Begeisterung. „Früher waren Siegel ja sehr einfach gestaltet“, sagt sie. Auch aus technischen Gründen. „Heute erzählen manche schon fast eine Geschichte, das ist wirklich toll!“

Weil das auf wenigen Quadratmillimetern eine hohe Kunst ist, hatten Joachim Gerber, Jörn Kiefer und ihre Gemeinden einen Siegelgrafiker aus Berlin beauftragt. „Von den Ergebnissen waren wir sofort begeistert“, erzählt Gerber. Die Kirchenkreisverwaltung habe sie auch durchgewunken. So sind sie nun im kirchlichen Amtsblatt veröffentlicht – als Sicherheit für jeden, der mit diesen Gemeinden Geschäfte abschließen will.

Weitere neue Siegel dürften nach und nach dort sichtbar werden. Im Greifswalder Kirchenamt schätzt man, dass in zwei bis drei Jahren die ganze Anpassung besiegelt ist.

Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 18/2016