Eine Woche jeden Tag 25 Kilometer unterwegs Pilgern vor der Haustür

Von Marion Wulf-Nixdorf

Fünf Frauen, vier Männer, evangelisch, katholisch, atheistisch, aus Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen, waren eine Woche auf dem Birgitta-Pilgerweg unterwegs.

Foto: M. Wulf-Nixdorf

10.06.2016 · Tessin. Am Freitag werden sie in der katholischen Propsteikirche St. Anna in Schwerin erwartet: Die neun Frauen und Männer, die eine Woche lang auf dem Birgitta-Weg von Tessin in die Landeshauptstadt gepilgert sind. Ihre letzte gemeinsame Übernachtung werden sie in der Versöhnungsgemeinde in Schwerin-Lankow haben.

Ich hebe einen Rucksack an – und gehe in die Knie. Himmel, ist der schwer! Der Besitzer ist das erste Mal pilgernd unterwegs und wird vermutlich in ein, zwei Tagen eine Menge Ballast abgeworfen haben. Eine Frau lacht: „Heben Sie mal meinen an!“ Ja, sie kennt sich schon aus und hat leichtes Gepäck dabei.

Ich bin voller Bewunderung: Draußen sind gefühlte 40 Grad und die Frauen und Männer haben jeden Tag um die 25 Kilometer zu Fuß vor sich. Angelika Lindenbeck, 65, Fotoreporterin aus Zaschendorf, zeigt mir fröhlich ihre Schuhe: „Die haben schon 1000 Kilometer hinter sich!“ Pilgern könne man gut vor der Haustür, sagt Kersten J. Koepcke, der mit dem katholischen Pilger-Profi Wilhelm Reichel aus Güstrow die Gruppe begleitet. In MV seien 1004 Kilometer Pilgerwege ausgeschildert.

Die meisten aus der Gruppe haben schon Pilger-Erfahrungen. Zum Beispiel der Arzt Johannes Schmitz, 61, aus Nortorf bei Rendsburg. Vor vier Jahren fing er mit Tagestouren an. Sein erster siebentägiger Pilgerweg führte vom Ulmer Münster, dem er aus seinen Studentenzeiten sehr verbunden ist, nach Rothenburg/Tauber. Nun wollte er mal nicht allein pilgern und lernte auf der Pilgermesse in Hamburg Kersten J. Koepcke an einem Stand kennen und beschloss, diesen Weg auf den Spuren der Heiligen Birgitta mitzugehen. Der Allgemeinmediziner hat ein wenig medizinisches Hilfsmaterial bei. „Ich hoffe, dass ich nicht soviel gebraucht werde...“

In der Tessiner Kirche, dem ersten Treffpunkt, halten die fünf Frauen und vier Männer aus Schleswig-Holstein, Niedersachsen und MV am vergangenen Freitag (3. Juni) ihr erstes gemeinsames Abendgebet, die Vesper, angeleitet heute von Kersten Koepke, dem mecklenburgischen Kirchen- und Tourismusbeauftragten. Jeder wird persönlich gesegnet, dazu gehört der Wunsch „und führe dich wieder heil nach Hause.“ Jeder bekommt ein Pilgerkreuz. Johannes Schmitz hängt seines zu dem Taizé-Kreuz um den Hals.

Offen, neu und neugierig

Zu der Gruppe gehören nicht nur evangelische und katholische Christen, auch eine Atheistin ist dabei. Heike Seelenbünder, 51, aus Sassnitz, war unter anderem schon sechs Wochen allein auf dem klassischen Jakobsweg unterwegs. Dass sie als einzige Nicht- Christin mit auf dem Weg ist, findet sie spannend und sagt: „Ich bin offen!“

Pilger-Neuling und die Jüngste, 46, ist Christine Balßuweit aus Rerik: „Ich bin neu und neugierig.“ Der Älteste mit 68 Jahren und auch Pilger- Neuling kommt aus Bad Oldesloe, betont aber, „Warnemünder Jung“ zu sein: Norbert Tuscher.

Die erste Übernachtung ist im Gemeindesaal im Pfarrhaus Tessin. Die Pilger werden freundlich von Uwe K. Lettow, ehemaliger Kirchenältester in der Gemeinde, begrüßt. Er ist schon vertraut mit Pilgern. Im vergangenen Jahr habe bereits eine größere Gruppe aus dem Pilgerkloster Tempzin hier Station gemacht. Das sei zur Erntezeit gewesen, da hätten es sich einige nachts auch im Garten und Baumhaus gemütlich gemacht, erzählt er.

Nachdem alle ihre Schlafmatten unter dem Kreuz ausgebreitet haben, gehen einige aus der Gruppe schnell noch für das Abendbrot und das nächste Frühstück einkaufen. Der Tag endet mit der Komplet, dem Nachtgebet.

Nächste Tages-Station ist am Sonnabend Laage. Wenn sie dort ankommen, wird kaum noch ein Laden aufhaben und so müssen sie für Sonnabend und Sonntag vorsorgen. Von Laage geht es dann nach Reinshagen, Güstrow, Baumgarten, Tempzin, Müsselmow und am Freitagabend ist die letzte Station Schwerin. Dann wird die Vesper in der katholischen Propsteikirche gehalten und in der Versöhnungsgemeinde in Lankow übernachtet. Bevor alle – hoffentlich – gesund und gestärkt in ihr Zuhause gehen.

Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 24/2016


INFO

Zu einem Pilgerwochenende mit Bernd Lohse, Koordinator der Pilgerarbeit im Norden, laden Kirchengemeinde und Stadt Grevesmühlen am 17. und 18. Juni nach Grevesmühlen ein.

Infos/Anmeldung: Stadtinformation Grevesmühlen, Tel.: 03881 / 723 222, info@grevesmuehlen.de