Philipp Staak Der Baupastor von Spantekow

Von Sybille Marx

„Wir bräuchten einen hauptamtlichen Kirchenpfleger“, sagt Philipp Staak, Pastor von zwei Gemeinden mit insgesamt 20 Gebäuden.

© kiz

22.06.2014 · Greifswald. Der Erhalt der pommerschen Kirchen bleibt meist an den Pastoren hängen, erst recht in Großgemeinden wie Spantekow. 20 Gebäude gilt es hier zu bewahren – finanziell und zeitlich ein Riesenproblem, sagt Pastor Staak. Und die Nordkirche habe nichts besser gemacht. Im Gegenteil.

Dicht an dicht stehen Ordner in einem Karussel, Kisten stapeln sich im Regal, alle sorgsam beschriftet, und der Schreibtisch ist fast leer. Ein perfekt aufgeräumtes Arbeitszimmer. Hat hier einer zu viel Zeit? Im Gegenteil, sagt Pastor Philipp Staak, während seine Finger noch schnell einen Brief abheften. „Diese Ordnung ist meine einzige Chance, der vielen Arbeit Herr zu werden – zumal das Chaos der ersten zwei Jahre Nordkirche die Aufgaben noch vervielfacht hat.“

Seit Staak vor fast zehn Jahren mit seiner Frau in den kleinen Ort Spantekow südlich der Peene zog, kommt er aus dem Bauen nicht mehr raus. Über 20 Gebäude gehören zu seiner Doppel-Gemeinde: 13 Kirchen, dann noch Pfarrhäuser, Gemeindehäuser, alte Pfarrscheunen, ein Küsterhaus... alles verteilt auf fast 30 Ortschaften. „An vielen Gebäuden musste man dringend was machen“, erzählt er. Manche sind heute noch Sorgenkinder, allen voran der Turm der Kirche Boldekow. Ein Gutachten hatte 2012 ergeben: „Keiner kann erklären, warum dieser Turm überhaupt noch steht. Er könnte im Grunde jeden Tag einstürzen“, erklärt Staak. Trotzdem gibt das Landesamt für Kultur- und Denkmalpflege keine Gelder. Und Mittel des Pommerschen Evangelischen Kirchenkreises drohen zu verfallen. Für den Pastor mal wieder der Erweis: Die Gemeinden sind auf sich allein gestellt, und die Finanz- und Verwaltungsstrukturen der Nordkirche passen nicht zu den pommerschen Problemen.

Dass ein Pastor neben der Seelsorge ständig Fördermittelanträge schreibt, mit Architekten reden, Bauexperten aus der Kirchenverwaltung und dem Denkmalamt kontaktieren, Termine auf der Baustelle koordinieren muss – im Pommerschen Kirchenkreis ist das nichts Ungewöhnliches. Eine Untersuchung darüber, wie stark Bauthemen inzwischen den Alltag der Pastoren belasten, gibt es allerdings nicht und ist auch nicht geplant, sagt Kreis- Sprecher Sebastian Kühl. Die Lage sei je nach Gemeinde sehr unterschiedlich.

„Die würden mich auslachen und gehen“

Rein rechnerisch gilt: Im Schnitt kommen auf einen Gemeindepastor vier Kirchen, meist noch weitere Gebäude. Und offiziell zuständig für ihren Erhalt ist nicht etwa die Kirchenleitung, sondern die Gemeinde vor Ort, oder genauer: der Kirchengemeinderat (KGR), wie Propst Gerd Panknin aus Demmin betont. Das Laien-Gremium also. Problem: „Ich kann schlecht in den Kirchengemeinderat hineinrufen, Leute, das sind Eure Häuser, kümmert Euch“, sagt Philipp Staak mit ruhiger Stimme. „Da würden die mich auslachen und gehen.“ Weder von der Mentalität, noch von der Zeit und den Fähigkeiten könnten Ehrenamtliche die geforderte Verantwortung für über 20 Gebäude übernehmen. Also macht Staak den Vorsitz im KGR – und regelt den Erhalt aller Häuser.

Keine Ausnahme, meint der pommersche Pastorenvertreter Joachim Gerber aus Gingst auf Rügen. „In den meisten Gemeinden bleibt die Bautätigkeit am Pastor hängen.“ Laien dafür zu finden, sei so gut wie unmöglich. „Und da, wo sich Fördervereine für den Erhalt einer Kirche bilden, gibt es ja immer auch Konflikte.“ Weil bei den Vereinsmitgliedern meist das Gefühl entstehe: Wenn wir das Geld ranholen, müssen wir auch über die Kirche bestimmen dürfen.

Die Pastoren wiederum hätten mit der Seelsorge eigentlich genug Aufgaben, sagt Gerber. Und im Vikariat werde die Frage, wie man die Sanierung einer Kirche organisiert, nur nebenbei abgehandelt. „In meinem Vikariat gab’s sowas gar nicht.“

Mit Philipp Staak haben die Spantekower insofern Glück gehabt. „Ich hab als Student in Berlin phasenweise mehr Zeit mit dem Jobben auf Baustellen verbracht als an der Uni“, sagt der 41-Jährige lachend. „Mir macht sowas auch Spaß.“ Nur brauche er die Zeit, die er heute mit Baufragen verbringe, viel dringender für die Besuche von Gemeindegliedern. „Die Menschen haben ein Recht auf eine pfarramtliche und seelsorgerliche Betreuung“, meint Staak. Aus seiner Sicht ist daher klar: „Es müsste in einer Gemeinde mit vielen Gebäuden einen hauptamtlichen Kirchenpfleger geben. Und die Menschen vor Ort müssten zugerüstet werden, dann könnte man viele Schäden an den mittlerweile sanierten Kirchen vermeiden. “ Eine solche Stelle kann die Gemeinde aber nicht bezahlen.

"Gemeinden fallen hinten runter“

Die Bildung der Nordkirche hätte eine Chance sein können, endlich entlastende Lösungen zu finden, meint Staak. Statt dessen hätten die Synoden Strukturen beschlossen, in der eine pommersche Dorfgemeinde mit 13 Kirchen und 800 Gemeindegliedern auf weiter Fläche nun genauso viel Kirchensteuermittel bekomme wie eine schleswig-holsteinische Dorfgemeinde mit nur einer Kirche und kleiner Fläche. Denn die Höhe des Betrags hängt vor allem von der Gemeindegliederzahl ab. „Dadurch fallen Gemeinden wie Spantekow und Boldekow- Wusseken hinten runter.“

Beim Pommerschen Kirchenkreis will man von Bau-Last für die Pastoren trotzdem nicht sprechen. Manchen mache das Bauen ja Spaß, heißt es. Und: „Die Pastoren werden bezüglich der Bautätigkeit sehr stark durch den Pommerschen Evangelischen Kirchenkreis unterstützt“, lässt Propst Gerd Panknin über den Kreis-Sprecher mitteilen. „Dafür gibt es Bausachverständige, die den Prozess kundig begleiten. Und das sowohl von landeskirchlicher Ebene als auch auf Propsteiebene.“

Eine von drei Stellen in der Bauabteilung des neu gebildeten Greifswalder Kirchenamts war allerdings monatelang nicht besetzt, die Kollegin krank. „Ich habe eineinhalb Jahre lang auf Briefe keinerlei schriftliche Antworten bekommen“, erzählt Philipp Staak. Arbeit sei offenbar liegen geblieben. „Ich weiß, dass die Kollegen dort alle kompetent und fleißig sind, aber sie leiden eben auch unter den Strukturen und der erhöhten Bürokratie in der Nordkirche“, glaubt er.

„Hoffnung habe ich immer“

Manchmal wünscht sich Philipp Staak nun, er dürfte mit den Handwerkern und Laien vor Ort „ihre“ Kirche erhalten und sich dazu Beratung im Kirchenamt holen. „An einer Kirche zu bauen, zieht Menschen an und macht etwas interessant, was sie oft nur von Außen kennen“, meint er. Doch den Leuten vor Ort werde die Kirche nicht anvertraut. Die meisten Gotteshäuser hierzulande stehen unter Denkmalschutz, viele Auflagen gelten. „Man braucht für jeden Schritt die Beratung und Genehmigung des Landesdenkmalamts und der Kirchenverwaltung“, seufzt Staak. Wenn dann noch monatelang keiner zu erreichen sei, komme nichts voran.

Dem Turm von Boldekow läuft so langsam die Zeit weg. Seit 2008 kämpft die Gemeinde um Gelder für dessen Rettung, erzählt der Pastor. 2013 habe der Pommersche Kirchenkreis endlich zugesagt, eine größere Summe zu geben, 50 000 Euro. „Aber dann konnten wir den Eigenanteil nicht aufbringen, weil das Landesdenkmalamt kein Geld gab.“ Gleiches Problem in diesem Jahr: Das Land fördert die Turmsanierung nicht, auch vom Kirchenkreis kommt daher möglicherweise kein Geld.

Philipp Staak hat den Turm trotzdem noch nicht aufgegeben. „Hoffnung habe ich immer“, sagt er. Und zumindest eine positive Veränderung sieht er: Vor ein paar Monaten hat sich die Greifswalder Bauabteilung so eingerichtet, dass Briefe wieder beantwortet werden. Ein neuer Mitarbeiter, der Architekt Christopher Schalinski, hat die Zuständigkeit u. a. für Boldekow übernommen. „Herr Schalinski war neulich mit mir in der Kirchengemeinde unterwegs und hat sich viel Zeit genommen“, erzählt Staak. So ist er sicher: Irgendwann kommt die Förderung doch noch. Die Frage ist wohl nur, ob der Turm dann noch steht.

Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 25/2014