Meinung Pastorin Petra Huse: Meine liebe Kirche!

Von Petra Huse

Pastorin Petra Huse

Foto: D. Vogel

07.01.2018 · Anklam. Zu Jahresbeginn fragen wir Geistliche aus MV, was sie sich 2018 von ihrer Kirche erhoffen und sich für das Jahr wünschen. Heute: Petra Huse, Pastorin in Anklam.

Eine sichtbare und eine unsichtbare Gestalt hast du, sagt Martin Luther. Auf Deine unsichtbare, geistliche Gemeinschaft setze ich meine Hoffnung. Gott weiß, wer dazugehört und was sie leitet. Deine sichtbare Gestalt, die ganz und gar irdische Institution, hat für mich aber durchaus auch etwas Heimatliches. Ich kann sie hier und da verändern oder gestalten, und zuweilen leide ich auch an ihr.

Wenn ich an 2018 denke, mache ich mir etwas Sorgen um Dich. Weißt Du, meine liebe Kirche, Du bist mir rein äußerlich ein wenig zu pummelig und behäbig geworden. Auch wenn Du so gern jammerst, erinnerst Du Dich denn nicht mehr daran, wie blass und schwach Du zu anderen Zeiten ausgesehen hast? Du brauchst doch eigentlich gar nicht so viel. Nicht so viel Geld, nicht so viel Show, nicht so viel Hochglanz und Selbstdarstellung. Könntest Du Dich nicht aus eigener Kraft wieder ein bisschen mehr bewegen, statt Dich vom Zeitgeist herumschubsen zu lassen?

Und bitte, sei im neuen Jahr nicht wieder so moralisch! Du bist so gern moralisch, ich weiß. Vielleicht ist das auch leichter als ein ständiges Balancieren auf Messers Schneide. Aber weißt Du, sprich doch im neuen Jahr einfach wieder mehr von Hoffnung und Erlösung, von Gnade und Verheißung statt von dem, was „richtig“ ist.

Du bist doch der einzige Ort, wo Menschen eine Pause machen dürfen vom ständigen Bewerten und Beurteilen. Mach Deine Arme ganz weit für all die Verunsicherten, Gestressten, Suchenden und Ängstlichen! Und sei mutig – trau Dich! Du hast eine Ordnung, die Du nicht verheimlichen musst, und eine Tradition, über die Du ruhig sprechen darfst.

Meine liebe Kirche, in Dir findet sich so viel Erstaunliches, Merkwürdiges, Schönes, eine so große Vielfalt passt in Dich hinein, dass es mich ungemein beruhigt. Du bist zum Glück viel mehr als eine Meinung. Du gehörst mir nicht, aber ich gehöre zu Dir – und das ist schön.

Ich wünschte nur, Du würdest nicht so oft auf Mehrheiten schielen und Dich nicht so leicht von Moden und individuellen Wünschen einwickeln lassen. Sei doch bitte klar in dem, was Dir anvertraut ist, und mache nicht so viele Worthülsen.

Bitte zieh Dich im neuen Jahr nicht zurück, meine liebe Kirche! Schon gar nicht aus dem allerletzten Winkel, den baufälligen Mauern und den verlassenen Dörfern. Du wirst so dringend gebraucht!

Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 01/2018