"Eines der letzten großen Kapitel des DDR-Unrechtsstaates" Petition fordert Aufklärung über DDR-Zwangsadoptionen

06.04.2018 · Berlin.

Betroffene von Zwangsadoptionen in der DDR fordern von Bundestag und Bundesregierung mehr Unterstützung bei der Aufklärung von staatlichem Kindesentzug. In einer Petition, die am Donnerstag an den Vorsitzenden des Petitionsausschusses im Bundestag, Marian Wendt (CDU), übergeben wurde, fordert die Interessengemeinschaft "Gestohlene Kinder der DDR" unter anderem die Verlängerung von Aufbewahrungsfristen für Akten in Geburtskliniken, die Einrichtung einer zentralen Clearingstelle und eine gesetzliche Auskunftspflicht für alle Adoptivstellen. "Jeder Mensch hat ein Recht darauf, alles über seine Herkunft zu erfahren", sagte der Sprecher der Interessengemeinschaft, Frank Schumann, in Berlin.

Wendt kündigte an, die eingereichte Petition zu DDR-Zwangsadoptionen zu nutzen, um eine politische Debatte über dieses lange verdrängte Thema anzustoßen. Diese besonders dunkle Seite der DDR-Vergangenheit müsse endlich aufgearbeitet werden, sagte der aus Torgau stammende CDU-Politiker der "Leipziger Volkszeitung" (Freitag). "Es ist vielleicht eines der letzten großen Kapitel des DDR-Unrechtsstaates." Die Forderungen der Petition etwa nach längeren Aufbewahrungsfristen von Klinikunterlagen und der Einrichtung einer zentralen Clearingstelle würden gründlich geprüft. Die Datenlage sei aber äußerst schwierig, da viele Akten neben den Kliniken auch in ehemaligen Jugendwerkhöfen oder bei der Stasi lagerten und daher schwer auffindbar seien, so Wendt weiter.

"Fahrt für Gerechtigkeit"

Der Petitionsübergabe war ein am Mittwoch in Dresden gestarteter Autokonvoi mit Ziel Berlin vorangegangen. Der Autokorso mit rund 80 Teilnehmern stand unter dem Motto "Fahrt für Gerechtigkeit". Die vor zwei Jahren von Betroffenen gegründete Interessengemeinschaft zählt nach eigenen Angaben etwa 1.500 Mitglieder, darunter sind auch Angehörige von Betroffenen sowie Familienmitglieder der mittlerweile zweiten und dritten Generation.

Schumann betonte, viele Betroffene von Zwangsadoptionen scheiterten "schon an den rechtlichen Hürden wie dem Datenschutz". Dazu kämen in den ostdeutschen Bundesländern personelle Kontinuitäten in den Adoptionsstellen und Jugendämtern. Häufig hätten betroffene Eltern oder Kinder bei der Suche nach Aufklärung in den vergangenen zwei Jahrzehnten dort den gleichen Mitarbeitern gegenüber gesessen wie vor 1989.

Die Interessengemeinschaft geht von 300 bis 400 Fällen aus, in denen Kinder ihren leiblichen Eltern gegen deren Willen entzogen wurden. Häufig habe es sich um Eltern gehandelt, die nach Lesart des SED-Regimes als "asozial" galten oder die politisch unliebsam waren, sagte Schumann. Die Kinder seien gleich nach der Geburt für tot erklärt und ohne Wissen der leiblichen Eltern regimetreuen Paaren zur Adoption vermittelt worden.

Quelle: epd