Pastorin Müller-Busse will Ehrenamtlichen helfen „Talente nicht vergraben!“

Luise Müller-Busse

Foto: S. Marx

14.06.2015 · Greifswald. Der Pommersche Kirchenkreis geht neue Wege: Erstmals ist eine Pastorin hauptamtlich dafür zuständig, die Ehrenamtskultur im Kreis zu stärken: Luise Müller-Busse (54) aus Schleswig-Holstein. Aber wie schafft man das? Sybille Marx hat nachgefragt.

Frau Müller-Busse, wie schätzen Sie die Lage ein: Wie gut ist es bei uns um die Ehrenamtlichen- Kultur bestellt?

Ich werde in den nächsten Monaten erstmal gucken, wo es schon gut lauft und wo es eher knirscht im Gebälk. Ich vermute, dass die Lage in den einzelnen Orten sehr unterschiedlich ist. Die demographische Entwicklung hat hier und da vielleicht auch Situationen geschaffen, in denen Haupt- und Ehrenamtliche in überfordernden Rollen arbeiten.

Was können Sie daran ändern?

Ich biete an, Einzelne und Gemeinden zu beraten, ganz persönlich, man kann mich einfach anrufen. Außerdem wollen wir als Kirchenkreis mit dem Gemeindedienst der Nordkirche weiter Lektoren und Prädikanten aus-und weiterbilden, Schulungen und Seminare anbieten. Die Arbeit mit Ehrenamtlichen ist ja schon lange ein Schwerpunkt für mich, insofern reizt mich das sehr.

Wie kommt das?

Als Gemeindepastorin und Krankenhausseelsorgerin in Schleswig- Holstein habe ich einfach die Erfahrung gemacht, dass Ehrenamtliche ein unglaublicher Schatz sind für den Besuchsdienst und für Gottesdienste! Ich war für drei Kliniken in Bad Segeberg und Bad Oldesloe zuständig und habe dort Ehrenamtlichen- Teams geleitet. Zusammen haben wir es geschafft, dass jeder Patient einmal in der Woche Besuch bekam und dass regelmäßig Gottesdienste in den Kliniken gefeiert wurden.

Was hat die Ehrenamtlichen dort motiviert?

Ich glaube, sie hatten das Gefühl, sich selbst dabei besser kennen zu lernen, sich zu entfalten. Das hat natürlich auch etwas mit Schulung und Begleitung zu tun. Manche haben gemerkt, dass diese Arbeit doch nichts für sie ist, aber viele haben die Erfahrung gemacht: Ja, das liegt mir! Und ich habe öfter Satze gehört wie: „Zu dieser Gruppe zu gehören macht mir Spaß.“ Es ist ein Wir-Gefühl entstanden und das Bewusstsein, zusammen etwas bewegen zu können. Das brauchen wir auch in den Kirchengemeinden, glaube ich.

Wie sieht ihre Vision von Kirche aus: Sollen Laien künftig allein Gottesdienste halten?

Ich will die Pastoren nicht ersetzen, jeder Hauptamtliche ist ein Gewinn und sollte bleiben, wenn es finanziell möglich ist! Aber manche Pastoren hier haben 14 Kirchen, für sie wäre es sicher eine Entlastung, wenn ein Team von Ehrenamtlichen ihnen alle paar Wochen einen Gottesdienst abnehmen wurde. Auch für die Gemeinde ist das eine Bereicherung. So sieht man die Dinge mal aus einem neuen Blickwinkel.

Sollten Laien auch taufen, trauen und beerdigen dürfen?

Ich werde gemeinsam mit den Verantwortlichen im Kirchenkreis überlegen, was da möglich und sinnvoll ist. Im Moment denken wir mit dem Gemeindedienst der Nordkirche darüber nach, eine Kuratoren-Ausbildung zu installieren. Kurator heißt: Der, der sich kümmert. Es konnte Ehrenamtliche geben, die für die Kirche in ihrem Ort Verantwortung übernehmen, sie für Besucher öffnen, vielleicht einmal in der Woche auch eine Andacht anbieten. Lebendige Gemeinde zu sein bedeutet ja nicht, einen Pastor zu haben, der alles macht, sondern zusammen den Glauben zu leben!

Aber gibt es hier genug Leute, die so viel Verantwortung übernehmen wollen? Bisher arbeiten im Kreis auch nur neun Prädikanten, also ausgebildete Laienprediger.

Das stimmt, das sind nicht so viele, aber es ist ein guter Anfang und dieses Jahr werden wieder drei Prädikanten fertig. Wir haben außerdem unzählige Lektoren, die in Gottesdiensten mitwirken, zum Teil auch Lesepredigten halten. Ich glaube, dass die Prädikanten-Ausbildung noch nicht bekannt genug ist oder viele noch nicht überlegt haben, ob das was für sie ist. Das konnte für Gemeinden aber ein spannender Prozess sein, wenn sie sich da auf den Weg machten. Jesus sagt ja, dass wir unsere Talente nicht vergraben sollen. Wenn man sich einbringt mit dem, was man gut kann und gerne macht, hat das auch etwas mit Sinngebung zu tun und damit, den eigenen Platz in der Gemeinschaft zu finden. Wichtig ist natürlich, dass man nicht überfordert wird, sondern nur so viel Verantwortung tragt, wie man auch will. Die Freude am Amt muss bleiben.

Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 24/2015