Schönberger Pastor Jochen Schmachtel geht in den Ruhestand Immer dicht an die Menschen rangegangen

Von Marion Wulf-Nixdorf

Jochen Schmachtel war seine letzten sieben Berufsjahre Gemeindepastor in Schönberg.

Foto. M. Wulf-Nixdorf

30.09.2015 · Schönberg. Zehn Jahre war Jochen Schmachtel, 63, Gemeindepastor in Schönberg – seiner letzten beruflichen Station. „Ich habe mit 14 angefangen zu arbeiten – da darf ich mit 63 in den Ruhestand gehen“, meint er. Gemeinsam mit seiner Frau Friedel, B-Katechetin und Sozialpädagogin, freut er sich auf einen neuen Lebensabschnitt in Wismar. Die drei Kinder gehen längst eigene Wege.

Wenn man Schmachtels besucht, landet man in der Küche. Hell und gemütlich – hier spielt sich viel Leben ab. Der Blick geht durch die Veranda in den großen Pfarrgarten. Die Mittagseinladung scheint selbstverständlich zu sein, Friedel werkelt im Hintergrund. Irgendwie fühlt man sich hier immer willkommen, mag nicht weggehen.

Jochen Schmachtel war sicher für seine Vorgesetzten kein einfacher Partner. „Altbischof Rathke konnte mit mir umgehen“, erinnert er sich. „Auch wenn ich wohl manchmal frech war...“ Seine Erziehung sei besonders gewesen, meint er, als er mit einer fünf in Betragen nach Hause kam, sagte seine Mutter nur: „So müssen meine Jungs sein...“

Vom Bäckermeister zum Gemeindepastor

Schmachtel, geboren in Neukloster, fängt mit 14 eine Bäckerlehre in Wismar an. „Ich bin von der Schule abgegangen, weil ich die Nase voll hatte.“ Der Schuldirektor hatte ihn immer wieder zu Gesprächen bestellt, weil er nicht an der Jugendweihe teilnehmen wollte. Dabei hatte sein älterer Bruder es doch getan! „Diese Gespräche führten zu meinem Ausscheiden.“

Trotz des frühen Aufstehens als Bäckerlehrling schafft er es, an der Volkshochschule seinen 10.-Klasse- Abschluss zu machen. Manchmal sei er um 21.30 Uhr zu Hause gewesen von der Abendschule, habe drei Stunden geschlafen und dann ging’s schon wieder los in Richtung Wismar in die Bäckerei. Der Meister sei stolz auf ihn gewesen und habe ihm empfohlen, Back- und Süßwareningenieur zu werden. Dafür konnte man in Dippoldiswalde an der Fachschule studieren. Aber die Großbäckerei, in der er ein Jahr vor dem Studium arbeiten musste, gibt ihm nach seiner anderthalbjährigen Armeezeit keine Delegierung – und ohne die kein Studium. So arbeitete er in der Bäckerei seines Vaters in Neukloster, machte seinen Handwerksmeister.

Wie weiter im Leben? Der neue Pastor in Neukloster Hans-Werner Jennerjahn, zu dem Jochen gute Kontakte hat, meint, entweder solle er die Bäckerei seines Vaters übernehmen und Kirchenältester werden – oder Theologie studieren. Schon vor der Schulzeit war er Sonntag für Sonntag in den Gottesdienst gegangen. „Ich hab mir nie was sagen lassen“, sagt Schmachtel rückblickend, „aber an entscheidenden Punkten eben doch...“ Er nahm den Rat Jennerjans an, ging auf die Evangelische Predigerschule nach Erfurt und fühlte sich da von 1974 bis 1978 durch die sehr praktisch orientierte Ausbildung genau richtig. „Das katechetische Praktikum, die gemeindepädagogische Ausrichtung – das war für mich ideal. Die anderen im Predigerseminar staunten nach ihrer Uniausbildung, was wir aus Erfurt konnten.“

„Sie können gut zuhören“

Nach dem Vikariat in Mirow hörte Jochen Schmachtel einen Mut machenden Satz von dem damaligen Landesbischof Heinrich Rathke: „Sie können gut zuhören – solche Leute brauchen wir.“ Nach seiner ersten Pfarrstelle in Baumgarten arbeitete er als Stadtjugendpastor in Rostock. Schmachtel absolvierte eine Supervisionsausbildung, zu der auch systemische Familientherapie gehörte. In den Rostocker Jahren hatte er es mit suizidgefährdeten Jugendlichen zu tun, mit den Menschen zwischen Kindheit und Erwachsensein, die destruktiv mit sich umgingen. „Da haben mir die Leute viel von sich gezeigt“, sinniert Schmachtel und wird immer stiller.

Als ganz wichtige Begegnung nennt Schmachtel die mit dem amerikanischen Franziskaner Richard Rohr. Vaterhunger, das Wort hörte er Anfang der 1990er-Jahre von ihm. Von ihm lernte er über Jahre nachhaltige Glaubens- und Lebenseinstellungen. „Der Schmerz hat mich ins Studium geführt“, sagt Schmachtel, und Richard Rohr sei der Erste gewesen, der ihm Antworten geben konnte, nach denen er lange gesucht hatte. Es kam die vorletzte Berufsstation: Er wurde nach Pommern „ausgeliehen“, wo er 1999 bis 2006 die Telefonseelsorge (TS) leitete. „Ich habe irre viel gelernt in der Arbeit der TS“, sagt Schmachtel.

Nach den sieben Jahren dort wollte Schmachtel gern nach Mecklenburg zurück und übernahm die Pfarrstelle in Schönberg mit zeitweiser Vakanzvertretung in Herrnburg. In Schönberg wird im Team gearbeitet mit dem Kirchenmusiker Christoph D. Minke und Küster Christoph Rathke. Letztes größeres Projekt ist der Aufbau eines Trauertreffs mit Schnapp aus Warnow, dann mit Eva Hutzel aus Herrnburg. „Manchmal kommen vier, manchmal acht Trauernde ... Es ist gut, wenn diese Menschen sich untereinander von ihren Erfahrungen erzählen“, sagt Schmachtel.

Am vergangenen Sonntag (27. September) wurde Pastor Jochen Schmachtel im Gottesdienst in der Schönberger Kirche aus dem Amt verabschiedet.

Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 39/2015