Bittere Grüße vom Mittelmeer Partner der Rostocker Seemannsmission aus Alexandria zu Gast auf der Hanse-Sail

Von Tilman Baier

11.08.2018 · Rostock. Während am Sonntag am Rostocker Stadthafen ein fröhlicher Gottesdienst zur Hanse-Sail gefeiert wird, geht es beim Gottesdienst in Warnemünde ernster zu. Markus Schildhauer von der Seemannsmission im Alexandria spricht über Flüchtlinge.

Wenn Markus Schildhauer über das Drama erzählt, das sich seit Jahren im Mittelmeer ereignet, wird seine Stimme heftig: Klar seien die Flüchtlinge auf den überfüllten Schlauchbooten Thema bei den Gesprächen im Seemannsheim in Alexandria (Ägypten). Ebenso auch die Zwangslage, in die Seeleute durch die Politik und auch durch ihre Reeder gebracht werden. Schildhauer leitet die Seemannsmission in Alexandria, Partnerstation der Rostocker Seemannsmission. Am Sonntag (12. August) wird er im Seefahrer-Gottesdienst (10 Uhr) in der Warnemünder Kirche über Flüchtlinge sprechen.

Rechtsunsicherheit wächst

Zornig erzählt Schildhauer von den Zwangslagen und Gewissensnöten, in die die Besatzungen der Handelsschiffe hineingetrieben werden. So sei die Rechtsunsicherheit unter den Seeleuten gewachsen. Zwar gilt noch immer auf See das Gesetz, in Not Geratene aufzunehmen. Das ist selbst für Seeleute selbstverständlich, die eine liberale Flüchtlingspolitik ablehnen.

Doch die Rettung von Schiffbrüchigen ist bei den heutigen Handelsschiffen nicht einfach, betont Schildhauer. Die glatte Bordwand ist mindestens zehn Meter hoch. Seilleitern stellen für die Geschwächten, vor allem Frauen mit kleinen Kindern, keine Hilfe dar. Menschen fallen ins Wasser, können nicht schwimmen und ertrinken vor den Augen der Besatzung. Doch nun wird die Rettung von Flüchtlingen kriminalisiert.

Seelische Konflikte der Seeleute


Markus Schildhauer erzählt von Schiffen, die wegen der geborgenen Flüchtlinge keinen EU-Hafen anlaufen durften, von Besatzungen, die die Geretteten nicht übergeben konnten, von Kapitänen, die von Staatsanwälten angeklagt wurden als Menschenschmuggler. Seeleute geraten in tiefe seelische Konflikte. Davon sind die Reedereien nicht erbaut. Denn das alles kostet Zeit und damit Geld.

Schildhauer berichtet auch von Kapitänen, die entlassen wurden, weil sie einen Umweg fahren wollten, um Schiffsbrüchige zu retten. Manchmal werden die Besatzungen direkt angewiesen, nicht zu helfen, wenn andere Schiffe in der Nähe sind. Andere Reeder billigen schweigend, wenn die Crew wegen all der Schwierigkeiten Boote mit Flüchtlingen "übersieht". Sie fährt weiter mit dem Wissen, dass deswegen Menschen sterben.

Da die neue Hauptfluchtroute nach Spanien durch das westliche Mittelmeer führt, in dem es viel mehr Schiffsbewegungen gibt als im östlichen Teil, kommt es eben auch vermehrt zu Begegnungen zwischen Handelsschiffen und Flüchtlingsbooten. Das verschärft die Konfliktlage für die Seeleute zusätzlich: Ob sie nun Hilfe leisten und dadurch mit Sterbenden oder Toten konfrontiert werden, oder ob sie die Augen vor dem Elend zu verschließen suchen.

Für Markus Schildhauer ist klar: Für die Seeleute wird sich erst etwas ändern, wenn die Politik der EU gegenüber den Flüchtlingen im Mittelmeer sich ändert. Darum hören die Seemannsmissionen nicht auf, zusammen mit den Kirchen, Hilfsorganisationen und Menschenrechtlern ihren Protest an nationale Regierungen und europäische Institutionen zu richten.

Quelle: epd