Landesbischöfin: Nordkirche ist offen für Verhandlungen Gesetzentwurf: Opposition will Staatsleistungen an Kirchen ablösen

14.03.2020 · Berlin/Schwerin. Die jährlichen Zahlungen des Staates an die Kirchen sind mehreren Parteien ein Dorn im Auge. FDP, Grüne und Linke legen jetzt einen Rahmen zur Ablösung vor. Nordkirche und Erzbistum zeigen sich offen für Verhandlungen.

Bundestagsabgeordnete von FDP, Grünen und Linken haben einen Gesetzentwurf zur Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen vorgelegt. Seit 100 Jahren sei der Gesetzgeber gefordert, die Zahlungen abzulösen, sagte der religionspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Stefan Ruppert am Freitag in Berlin. Gemeinsam mit Abgeordneten von Grünen und Linken legte er einen Vorschlag für ein sogenanntes Grundsätzegesetz vor, in dem der Bund einen Rahmen für die Ablösung der Zahlungen definiert. Die evangelische Nordkirche und das katholische Erzbistum Hamburg haben den Vorschlag im Grundsatz begrüßt.

Beide Kirchen erhalten die sogenannten Staatsleistungen als Entschädigung für Enteignung und Säkularisierung kirchlicher Güter vor allem Anfang des 19. Jahrhunderts. Mit dem Reichsdeputationshauptbeschluss von 1803 verpflichteten sich die Landesherren, die Besoldung und Versorgung etlicher katholischer und evangelischer Würdenträger sicherzustellen. Die jährlichen Zahlungen gibt es bis heute, weil sie erst in die Weimarer Reichsverfassung von 1919 und von dort später ins Grundgesetz übernommen wurden. So erhält die Nordkirche laut Vertrag in diesem Jahr 31,4 Millionen Euro von den Ländern Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern. Hamburg hat keine Zahlungsverpflichtungen.

Der Gesetzentwurf räume den Bundesländern und den Kirchen einen weitgehenden Verhandlungsspielraum über Art und Höhe der Ablöseleistungen ein, sagte Nordkirchen-Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt dem epd. Es müsse klar definiert werden, welche Staatsleistungen abgelöst werden. Jetzt gehe es erst einmal darum, die Beratungen zum vorliegenden Gesetzesentwurf zu beginnen. "Dabei sollten die Bundesländer und Kirchen frühzeitig hinzugezogen werden, um zu einem möglichst breit akzeptierten Gesetzesentwurf zu kommen."

Beate Bäumer vom Katholischen Büro in Kiel nannte den Gesetzentwurf "einen ersten Aufschlag". Jetzt müssten die Bundesländer und Vertreter aller Diözesen mit an den Tisch, denn in den Ländern müssten die Vorgaben letztlich umgesetzt werden.

18,6-fache der jährlichen Zahlungen vorgeschlagen

Die Verfassung sieht eine Ablösung der Zahlungen vor, die sich bundesweit derzeit auf mehr als eine halbe Milliarde Euro pro Jahr summieren. Dafür braucht es aber eine gesetzliche Regelung. FDP, Grüne und Linke schlagen in ihrem Entwurf vor, sich am Bewertungsgesetz zu orientieren, das für "wiederkehrende Nutzungen und Leistungen" einen Wert angibt, der das 18,6-fache der jährlichen Zahlungen umfasst.

Das ist mehr als bei vorherigen Vorschlägen. Die Linken hatten 2012 eine Ablösung gegen das Zehnfache der jährlichen Zahlungen vorgeschlagen und waren damit im Bundestag gescheitert. Unter Kirchenrechtlern kursierte derweil in der Vergangenheit auch ein höherer Faktor, nämlich das 25-fache der jährlichen Zahlungen.

Die Ablösung könne durch einmalige Zahlungen oder Raten erfolgen, heißt es im Entwurf. Auch eine Entschädigung auf andere Weise - etwa die Zurückgabe von Grundstücken - soll laut Entwurf möglich sein. Durch das normale Weiterzahlen der Jahresbeträge könnten die Staatsleistungen aber nicht abgelöst werden. Der Gesetzentwurf sieht außerdem vor, dass die Länder fünf Jahre nach Inkrafttreten eines Rahmens im Bund eigene Gesetze zur Ablösung erlassen sollen und die Ablösung selbst dann binnen 20 Jahren - bei einem Inkrafttreten in diesem Jahr also 2040 abgeschlossen sein soll.

"Das ist kein Schritt gegen die Kirchen", betonte der Grünen-Politiker Konstantin von Notz. Er plädierte für faire Verhandlungen. Die Länder hätten selbst ein Interesse daran, dass die Kirchen ihre Infrastruktur nicht zurückschneiden müssten, die gerade im ländlichen Raum eine wichtige Rolle spielte, sagte er. Die Linken-Abgeordnete Christine Buchholz sagte, man müsse aber endlich dem Anspruch der weltanschaulichen Neutralität des Staates gerecht werden.

FDP, Grüne und Linke haben im Bundestag zusammen keine Mehrheit. Es ist damit offen, ob ihr Vorschlag für ein Grundsätzegesetz tatsächlich beschlossen wird. Mit der Koalition habe es Gespräche gegeben, sagten die religionspolitischen Sprecher. Sie wollen ihren Entwurf bereits in der nächsten Sitzungswoche des Bundestags im Parlament diskutieren.

Offen ist auch, inwieweit die Länder eine Ablösung tatsächlich voranbringen wollen, da es ihre Haushalte belastet. Bei einer Umfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) im Mai 2019 äußerten sich die Bundesländer zurückhaltend.

Quelle: epd