Vertretung in der Kirchengemeinde Neukirchen Mecklenburg aus nordelbischer Sicht

Die Ruheständlerinnen Pastorin Dorothea Heiland und Kirchenmusikerin Wiltrud Endriß aus Rendsburg arbeiteten vier Wochen in der Kirchengemeinde Neukirchen. Sie sagen, es sei eine gute Erfahrung gewesen.

Foto: Marion Wulf-Nixdorf

23.02.2014 · Neukirchen. Ein Tag im Februar. Die Sonne scheint. Es ist kalt. Kein Mensch auf der Straße in Neukirchen. Im Pfarrhaus ist Klaviermusik zu hören. Wiltrud Endriß aus Rendsburg bereitet sich auf den Gottesdienst vor – der am Sonntag in der eiskalten Kirche gefeiert werden wird. Anders als sonst im Winter. Aber in diesem Jahr ist vieles anders in der Kirchengemeinde Neukirchen. Gemeindepastorin Gudrun Schmiedeberg ist im sabbatical: Vom 7. Januar bis zum 21. März ist sie im „Sonderurlaub“, um vor einer neuen Herausforderung Kraft zu sammeln: Die Kirchengemeinde Bernitt unweit Neukirchen wird nach dem Wechsel von Elisabeth Lange keine neue Pastorin bekommen, die Pfarrstelle soll in eine gemeindepädagogische Stelle umgewandelt werden. Die pastorale Arbeit wird Pastorin Schmiedeberg übernehmen. Für vier Wochen vertritt die Ruheständlerin Dorothea Heiland aus Rendsburg Pastorin Schmiedeberg, musikalisch unterstützt von der Kirchenmusikerin Wiltrud Endriß.

Pastorin Heiland ist seit knapp einem Jahr im Ruhestand. Beim Konvent evangelischer Theologinnen in Nordelbien sagte sie eher nebenbei, sie könne sich nach einer gewissen Zeit der Ruhe auch Vertretungsdienste vorstellen. Daran erinnerte sich Gudrun Schmiedeberg, als sie ihre Auszeit vom Pfarrdienst plante. Sie rief im letzten Sommer ihre nordelbische Kollegin an – und die sagte ohne Zögern zu. Gespannt auf die Arbeit in dem anderen, für sie neuen Teil der Nordkirche. Und auch wissend, wie es einer Pastorin als alleinerziehende Mutter geht und wie nötig so eine Auszeit ist. „Frauensolidarität“ nennt Gudrun Schmiedeberg dies und stellte ihr Pfarrhaus, ihr Auto – und natürlich ihre Arbeit zur Verfügung.

Stuhlkissen vorgewärmt

Dorothea Heiland kam nicht allein. Sie hatte eher beiläufig von ihrer geplanten Vertretung in Mecklenburg erzählt – die Kirchenmusikerin Wiltrud Endriß, auch im Ruhestand, schlug vor mitzukommen. Denn die kleine Gemeinde mit 490 Gemeindemitgliedern hat keine Mitarbeiter, geschweige denn einen Kirchenmusiker. „Ich dachte schon, ich müsste immer nur Lieblingslieder singen lassen, die ich auch sicher mitsingen kann“, erzählt Dorothea Heiland lachend eine Befürchtung.

Die Pastorin ist sehr froh, zu zweit in dem Landpfarrhaus zu sein: Denn täglich sechs Schafe füttern, Haushalt, Katzen – das sei schon eine Herausforderung für einen Stadtmenschen. „Wenn wir hier sind, will ich auch in der Kirche die Orgel spielen“, wünschte sich Frau Endriß, die ganz begeistert ist von dem barocken, in den meisten Teilen original erhaltenen Instrument. Pastorin Heiland wollte ebenfalls die Atmosphäre in dieser großen, historischen Kirche erleben, also beschlossen beide: wenigstens ein Gottesdienst wird in der Neukirchener Kirche gefeiert.

Die Frauen wärmten die Stuhlkissen vor – „Der Atem stand sichtbar vor dem Mund.“ Es kamen 15 Gottesdienstbesucher – manche kamen aber auch wegen der Kälte nicht, weiß Pastorin Heiland. „Der Gottesdienstbesuch ist verhältnismäßig viel höher als in Schleswig-Holstein – das finde ich bemerkenswert!“ Jeden Sonntag zu predigen – zu Neukirchen gehören auch die Kirchen in Jürgenshagen und Hohen Luckow – das kennt Pastorin Heiland nur aus Vertretungssituationen. Auch das war hier für sie eine neue Erfahrung.

Spannend waren für beide Frauen die Kinderbibeltage in den Winterferien mit acht Kindern zwischen 7 und 11 Jahren, die auch zwei Nächte im Pfarrhaus schliefen. Gemeindepädagogin Anja Basch aus Hanstorf hatte den „Hut auf“, Thema war Psalm 23, lebensnah mit den Schafen auf dem Pfarrhof. Zum Schluss wurde für die Eltern der Psalm als kleines Theaterspiel szenisch dargestellt.

Verhältnismäßig höherer Gottesdienstbesuch

Was den beiden Frauen als nächstes besonders auffiel: Man kennt sich hier untereinander, man duzt sich eher, die persönlichen Beziehungen scheinen viel intensiver, die Verbindlichkeit stärker: „Bei uns ist man sich fremder.“ Aus ihrer Erfahrung im Westen gelte eher der alte Satz: Wi hebbt n Paster, oewer wi bruukt em nicht. Als sie einmal aus einer Landgemeinde weggegangen sei, habe ein Mann gesagt, er habe keine engere Beziehung zur Kirche, aber es sei gut gewesen zu wissen, „dass Sie da sind“, erinnert sich Dorothea Heiland.

Das Leben auf dem platten Land sei ein bisschen mühsamer – für jeden Liter Milch kilometerweit fahren zu müssen, sei ihr fremd. Man müsse hier eine Vorratshaltung haben. Schon wenn man eine Blume brauche für einen Geburtstagsbesuch, müsse man nach Schwaan oder Bützow fahren. Lange Wege! Aber ist denn das in Nordfriesland oder Dithmarschen anders, frage ich. Sicher nicht, ist die Antwort, aber da sei dann auch kein Pfarrsitz in Orten dieser Größe.

Selbstbewusst singen

Kirchenmusikerin Endriß betont, dass hier die Menschen viel selbstbewusster singen, vermutlich, weil die Gottesdienste öfter ohne Orgelbegleitung stattfinden. Im westlichen Teil der Nordkirche sei es einfacher, für den Gottesdienst einen ehrenamtlichen Organisten zu bekommen – zum Beispiel Musiklehrer.

Fazit der Frauen: „Wir glauben, die Menschen freuen sich, dass wir hier sind.“ Bei den drei Geburtstagsbesuchen spürten sie das besonders. Zwei mecklenburgische Ruhestandspastorinnen, die Pastorin Heiland auch aus dem Theologinnen- Konvent kennt, besuchten sie in Neukirchen.

„Die Anforderungen hier sind enorm viel höher“, betont sie nach ihren vierwöchigen Erfahrungen. Eine Gemeindesekretärin – wenigstens stundenweise – habe jede Gemeinde im westlichen Teil der Nordkirche. „Hier muss die Pastorin ja sogar jede Spendenbescheinigung selbst ausfüllen.“

„Es ist sehr anders. Es war eine gute Erfahrung – aber ich möchte nicht tauschen.“ Und weiter: „Ich kann mir aber vorstellen, in einer anderen Jahreszeit gern einmal wieder Vertretung zu machen.“

Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 08/2014