Die Wochenandacht im Portal kirche-mv.deAndacht

Und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.
Johannes 1,14

Von Pastorin Dorothea Strube, Leiterin Zentrum Kirchlicher Dienste

Auch der 2. Sonntag nach Weihnachten nimmt uns mit auf Entdeckertour rund um Jesus von Nazareth. Wer war dieser Mensch, an dem wir uns noch heute fast überall auf der Welt orientieren und dem zu Ehren wir gerade ein großes Fest gefeiert haben?
Die Antworten, die uns in den Texten dieses Tages gegeben werden, gehen weit auseinander.
Da ist zum einen die Geschichte, die im Lukasevangelium erzählt wird.
Der 12 jährige Jesus entdeckt gerade seine eigene Bestimmung, aber die Eltern können nur sehen und verstehen, was ihnen ihre Kultur, ihre Erfahrungen und Erwartungen zu sehen erlauben und das ist sehr begrenzt: ein halbwüchsiges Kind, vielleicht ein wenig anders als andere, das sich nicht an Verabredungen hält, einfach „sein Ding“ macht und sie dadurch in Angst und Schrecken versetzt. Selbst die vorsichtigen Erklärungen ihres Sohnes kommen nicht an bei ihnen. Sie verstehen es einfach nicht.
Ganz anders dagegen das Bekenntnis des Johannes im Wochenspruch.
Da wird mit großen Worten ein gewaltiger Bogen geschlagen.
Johannes ist überzeugt: schon immer, vom Beginn der Schöpfung an ist es Gottes Plan, ganz und gar Mensch zu werden in diesem einziggeborenen Sohn. Und alles, was über Gottes Herrlichkeit zu sagen ist, kann nur durch diesen Jesus Christus erkannt werden.
Johannes kann „sehen“, wozu ihm Gott das Herz geöffnet hat.
Anderen Zeitgenossen war das längst nicht so klar.
Wie kommt man nur über die gleichen Tatsachen zu so unterschiedlichen Erzählungen und Deutungen und dann auch Konsequenzen?
In der Theologie finde ich das spannend, im normalen Leben oft irritierend.
Ich nehme z.B. mit Sorge zur Kenntnis, dass man hinsichtlich der Dringlichkeit bestimmter Maßnahmen zum Klimaschutz sehr unterschiedlicher Meinung sein kann, obwohl schon lange klar ist, wie ernst die Lage ist.
Entsetzt bin ich, wenn ich zur Kenntnis nehmen muss, dass die fürchterliche Situation der Menschen in den verschiedenen Flüchtlingslagern Europas nicht dazu führt, dass sich die Regierung in Deutschland bereit findet, einem nennenswerten Teil dieser Menschen die Chance zu geben, hier bei uns ein neues Leben zu beginnen.
Ich weiß aber auch, dass ich selbst oft „blind“ bin für die Situation anderer Menschen und mit Unverständnis auf ihre Ängste und Bedenken reagiere.

Sehen und Verstehen sind keine Selbstverständlichkeit und wahrscheinlich spielt deshalb die Blindenheilung eine zentrale Rolle in den Evangelien.
Jesus ist einer, der den Menschen die Augen öffnet- für ihre eigene Situation und für die Not anderer.
Damit wir die Herrlichkeit Gottes „sehen“ können, brauchen wir die Orientierung an Jesus Christus und das Vertrauen, dass sein Weg auch uns trägt und wir brauchen einander- ganz besonders in diesem neuen Jahr.
Noch lange ist unsere Solidarität gefragt, nicht nur, um durch die Coronakrise zu kommen.
Wir werde nicht immer die gleiche Sicht auf die Dinge haben, aber wir können beharrlich im Gespräch bleiben, nach Worten suchen, die nicht verletzen, um Wahrheit ringen, die uns am Herzen liegt, uns nicht enttäuscht abwenden, wenn es anstrengend wird und nach Zeichen der Verbundenheit suchen, wo Worte fehlen.
Gnade und Wahrheit wollen unter uns wohnen. Bereiten wir ihnen ein Zuhause!