Auch in MV stellt der Islam den evangelischen Religionsunterricht vor neue Aufgaben Mohammed in der Schule

Von Tilman Baier und Sybille Marx

Immer häufi ger sitzen auch in MV Kinder mit einer anderen Religion im evangelischen Religionsunterricht.

Foto epd/Gustavo Alabiso

21.01.2018 · Parchim/Stralsund. Seit 1950 gibt es den Weltreligionstag, immer am dritten Sonntag im Januar. In diesem Jahr fällt er zusammen mit dem Welttag der Migranten und Flüchtlinge, der immer am 21. Januar begangen wird. Dieses Zusammentreffen haben wir zum Anlass genommen, nachzufragen, wie weit der evangelische Religionsunterricht in MV die anderen Religionen im Land und in der eigenen Schulklasse im Blick hat.

Plattenbaugebiet Parchim-West. Hier leben viele Familien von Hartz IV. Zwei Moscheen gibt es und eine Grundschule, an der 260 Kinder lernen – aus 21 Nationen. Etliche kommen aus christlich-orthodoxen oder muslimischen Familien, einige sind Jesiden oder Buddhisten. „Klar ist das eine Herausforderung für die Schulen allgemein und besonders für die Gestaltung des konfessionellen Religionsunterrichts, der ja von den Kirchen inhaltlich verantwortet wird“, sagt Wolfgang von Rechenberg, Referent für evangelischen Religionsunterricht in der Nordkirche.

Doch es gebe inzwischen gute Weiterbildungsangebote für die Lehrer zu den Weltreligionen. „Hier ziehen Kirche und Bildungsministerium an einem Strang“, lobt er. Zudem existiere dazu sehr gutes Unterrichtsmaterial, dass man beim Theologisch-Pädagogischen Institut der Nordkirche auch per Fernleihe bekommen kann.

„Alle Kinder sind beim Reli willkommen, Kirche und Bildungsministerium haben größtes Interesse am interreligiösen Austausch“, betont von Rechenberg. Dabei gelte selbstverständlich, wie auch sonst im evangelischen Religionsunterricht, ein Überwältigungsverbot. Manche aufgeschlossenen muslimischen Eltern, die davon erfahren, erhoffen sich für ihre Kinder religiöses Basiswissen auch über das Christentum und schicken sie gern. Umso mehr ärgert ihn, wenn er wieder gemeldet bekommt, dass in einer Schule Kinder aus muslimischen Elternhäusern automatisch dem Philosophieunterricht zugewiesen wurden. „Wir haben bereits wiederholt das Land gebeten, dafür zu sorgen, dass die muslimischen Elternhäuser entsprechend informiert werden.“

"Riesenvorurteile gegenüber dem Islam"

Doch das Miteinander der Weltanschauungen und Religionen muss heute auch in den Schulklassen Thema sein, in denen keine Kinder mit einer fremden Religion sitzen, meint Nordkirchenreferent von Rechenberg. Das findet auch Religionslehrerin Heide Zimmermann vom Hansa-Gymnasium Stralsund. „Ich stelle immer wieder fest, dass viele Schüler Riesenvorurteile gegenüber dem Islam haben, ihn mit Islamismus und Terrorismus verbinden, aber fast nichts über ihn wissen.“ Ähnliches erzählen ihre Fachkolleginnen von der Pestalozzischule in Demmin und von der Integrierten Gesamtschule im Stralsunder Plattenbauviertel Grünhufe.

Von den muslimischen Flüchtlingsfamilien, die in Stralsund leben, ist am Hansa-Gymnasium kaum etwas zu sehen. „Bei uns gibt es an der ganzen Schule nur fünf, sechs Flüchtlinge“, erzählt Heide Zimmermann. Eine Muslimin mit Kopftuch sei aber dabei, eine ohne, außerdem zwei Syrer, die zu ihrem Glauben völlig unterschiedlich stünden. „Beide sitzen bei mir im Religionsunterricht. Der eine ist so richtig stolz darauf, ein Muslim zu sein, der andere hat keinen persönlichen Bezug mehr zu dieser Religion und ist eher froh, dass er in Deutschland dem gesellschaftlichen Druck, muslimisch zu leben, entkommen ist“, sagt sie. „So ergeben sich viele Gesprächsanlässe.“

Manche Eltern, sagt die Lehrerin, seien allerdings nicht glücklich darüber, dass der Islam im Religionsunterricht Raum einnimmt – in Klasse 7 das erste Mal, in der Oberstufe zum zweiten Mal. „Sie fänden es besser, wenn wir uns nur mit dem Christentum beschäftigen würden.“ Der Rahmenplan schreibe das aber vor, „darum versuche ich dann, die Ziele des Rahmenplans genauer zu erklären und Ängste zu nehmen.“ Aus Heide Zimmermanns Sicht ist klar: „Sich mit dem Islam zu beschäftigen, ist wichtig. Die Schüler sollten einfach wissen, wovon sie reden.“

Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 03/2018