Mit den „Slütertagen“ feiert Warnemünde das Reformationsjubiläum Giftmord, Rock und Psalmengebet

Von Sebastian Koepke-Millon

Die Warnemünder Kantorei arbeitete bereits 2013 mit den Mecklenburger Kammersolisten zusammen, hier bei einer Aufführung von Haydns Schöpfung.

Foto: Kirchengemeinde Warnemünde

15.10.2017 · Warnemünde. Wer vergiftete Joachim Slüter? Bis heute ist nicht eindeutig geklärt, ob der Rostocker Reformator (1490 - 1532) einem Verbrechen zum Opfer fiel oder ob er einer Krankheit erlag. Fakt ist: Mit seinem Wirken ist die reformatorische Wende nicht nur in Rostock, sondern auch weit darüber hinaus bis heute eng verknüpft. In der kommenden Woche gedenkt Warnemünde des bedeutenden Theologen unter anderem mit einer Slüter-Rock-Suite und einem ganz besonderen Psalmenkonzert – und mit einer Krimi-Lesung.

„Der tote Reformator“ heißt der Roman, aus dem Frank Schlößer liest. Er behandelt den historischen Kriminalfall Joachim Slüters, der 1523 als Kaplan in der Rostocker St.-Petri-Kirche angestellt, aufgrund seiner lutherischen Lehre aber von vielen Seiten angefeindet wird. Einem versuchten Giftkomplott kann er angeblich entgehen, und selbst, als er festgenommen und der Ketzerei beklagt wird, gelingt es ihm gerade noch, seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Autor Frank Schlößer setzt den Vikar Dionysius Schmidt auf den Fall an. Dieser soll herausfinden, wie es tatsächlich zum Tod des Reformators kam. Denn als Joachim Slüter an Pfingsten 1532 nach wochenlanger Krankheit stirbt, hält sich zunächst hartnäckig die Vermutung, man habe ihn letztlich doch vergiftet.

Wer nun neugierig geworden ist, der sollte sich in der kommenden Woche unbedingt auf den Weg in das schöne Warnemünde machen, denn vom 19. bis 22. Oktober lädt die Kirchengemeinde vor Ort zu den „Slütertagen“ ein – einem Kooperationsprojekt mit der Agentur Kulturmeer, der Tourismuszentrale Rostock und Warnemünde, dem Tonträgerlabel COAAST TMP und der Werbeagentur 3 ART sowie örtlichen Geschäftstreibenden und diversen Musikern, Autoren, Schauspielern und Filmkünstlern.

Multimediales Stück steht im Zentrum

Im Zentrum der Festtage steht am Freitag die Premiere der Slüter-Rock- Suite „Uns Messias in Warnemünde“, ein multimediales Stück mit verschiedenen künstlerischen Elementen aus Musik, Lesung und Film, das inhaltlich auf Motiven der Romanreihe „Der Rebell von St. Petri“ von Julius von Wickede basiert und durch die Rostocker Agentur Kulturmeer realisiert wurde. Der Warnemünder Schriftsteller Michael Terpitz schrieb das Script, die Musik stammt von Ola van Sander und „Bad Penny“ in Zusammenarbeit mit der Warnemünder Kantorei und weiteren Musikern.

„Besonders hörenswert wird aber auch das Psalmenkonzert am Sonnabend sein“, so Kantor Sven Werner. Dabei tragen das „Dresdner Ensemble transit place“ , die Warnemünder Kantorei und die Mecklenburger Kammersolisten Klage- und Bitttexte verschiedener Jahrhunderte vor, die von den Gegenwartskomponisten Geon-Yong Lee und Cord Meijering neu interpretiert wurden. „Diese intimen Abschnitte stehen großformatigen Psalmenwerken für Chor und Orchester und Liedern aus dem Gesangbuch gegenüber, die Hoffnung und Zuversicht ausdrücken“, so Werner. Die Ensembleteile repräsentierten dabei die Stimme des einsamen Ichs, während das Chor- Orchestertutti ein kollektives Wir symbolisiere, das sich in göttlicher Gnade geborgen wisse. Schließlich fänden beide „zu einem gemeinsamen Klang der Hoffnung“.

Einmal um die ganze Welt gebetet

Das Konzert reihe sich ein in einen Aufführungszyklus, der um die ganze Welt reise. Wenige Tage vorher in Südkorea und im Anschluss in Südafrika und Nordamerika verbänden sich die zeitgenössischen Kompositionen in neun verschiedenen Sprachen mit der geistlichen Musik der jeweiligen Länder, erklärt Sven Werner. Für das Warnemünder Reformationsgedenken sei diese internationale Kontextualisierung auch deshalb ein großer Zugewinn, weil das Konzept – in Auftrag gegeben vom Weltbund der Lutherischen Kirchen – die länderund epochenübergreifende Dynamik des Glaubens unterstreiche.

Joachim Slüter predigte auf Platt. Berühmt gemacht hat ihn – weit über Deutschland hinaus, so etwa auch in Dänemark oder Schweden – sein niederdeutsches Gesangbuch. Dieses und auch ein Gebetbuch in niederdeutscher Sprache wurde durch Rostocker Druckereien verbreitet und trug so dazu bei, dass sich die Ideen der Reformation und insbesondere das Singen, Beten und Predigen in der Sprache der einfachen Leute allmählich im Ostseeraum verfestigte.

1531 wurde Rostock offiziell evangelisch. Im Jahr darauf verstarb Slüter und wurde neben der Rostocker St.- Petri-Kirche beigesetzt. Dort, wo er oft unter freiem Himmel predigte und das gemeinsame Abendmahl mit seinen Zuhörern feierte, steht noch heute das Denkmal Joachim Slüters, „welcher im Jahre des Herrn 1523 das Evangelium in dieser Stadt rein zu predigen anfing, deshalb vergiftet ward und am Pfingsttage 1532 starb“. Bis auf seinen Gedenkstein hat es das hartnäckige Gerücht um seinen Gifttod also geschafft. Doch war es wirklich Mord? Vielleicht gelingt es ja dem Vikar Dionysius Schmidt, Licht ins Dunkel zu bringen …

Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 41/2017