Zwang zur Transparenz per Gesetz MV regelt die Finanzierung der Wohlfahrtspflege völlig neu

Von Dirk Baas

28.10.2019 · Schwerin. Wie lässt sich in der Wohlfahrtspflege mehr Transparenz beim Einsatz öffentlicher Fördergelder erreichen? Nach Überzeugung der Landessozialminister nur per Gesetz. Mecklenburg-Vorpommern geht nun voran - und stößt auf viele Vorbehalte in der Branche.

Mecklenburg-Vorpommerns Sozialministerin Stefanie Drese (SPD) will ab 2020 per Gesetz "eine verlässliche und transparente Finanzierung der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege, eine Neuregelung der Beratungsstellenfinanzierung und die Einführung von Transparenzregelungen verankern". Ein Novum. Die Branche ist nur mäßig begeistert.

Doch kritisiert sie das Wohlfahrtsfinanzierungs- und Transparenzgesetz (WoftG) aus einem völlig anderen Grund: Es sichere die Zukunft der sozialen Arbeit im Land wegen zu geringer öffentlicher Fördergelder nicht verlässlich ab. Die Endabstimmung im Landtag ist für den 11. Dezember vorgesehen.

Christina Hömke, Vorsitzende der LIGA der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege: "Das Gesetz führt nicht zur Schaffung einer beständigen Grundlage der Finanzierung und auch nicht zu einer nachhaltigen und langfristigen Gestaltung guter Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen." Sie beklagt, dass die Höhe der künftigen Finanzhilfen des Landes im Gesetz nicht konkret benannt werde. Zudem fehle darauf aufbauend eine jährliche Dynamisierung der öffentlichen Gelder. So werde das seit Jahren chronisch unterfinanzierte System der Beratungsangebote fortgeschrieben, rügt Hömke.

Knapp 3,9 Millionen Euro zahlt das Sozialministerium eigenen Angaben nach 2019 an Verbände und Vereine der Freien Wohlfahrtspflege. Die größten Posten sind 1,03 Millionen Euro für die LIGA der Spitzenverbände, 750.000 Euro für die allgemeine Sozialberatung und 680.000 Euro für die Förderung der ehrenamtlichen Arbeit.

Auch die Diakonie sorgt sich um die Zukunft der Beratungslandschaft. Schon heute würden diese Dienste nicht ausreichend refinanziert. Das Gesetz werde nicht zu einer verlässlichen Finanzierung führen.

Anlass für die Initiative waren dem Ministerium zufolge mehrere delikate Vorkommnisse innerhalb örtlicher Wohlfahrtsverbände. Dazu zählt das extrem hohe Gehalt des Ex-Geschäftsführers des AWO Kreisverbandes Müritz von 150.000 Euro im Jahr. Er wurde inzwischen zivilrechtlich zur Rückzahlung von 400.000 Euro verurteilt. Seit 2017 beschäftigt sich ein Untersuchungsausschuss mit der Förderstruktur und der Verwendung von Landesmitteln bei den Wohlfahrtsverbänden.

"Wir wollen einen Paradigmenwechsel"

Drese, seit 2016 im Amt, sieht dringenden Handlungsbedarf: "Wir wollen einen Paradigmenwechsel - weg von kleinteiliger Projektförderung, hin zur Zuweisung der Landesmittel an die Landkreise und kreisfreien Städte zur Weiterleitung an die Träger. Dies stärkt kommunale Planungs-, Gestaltungs- und Entscheidungsspielräume."

So sollen die in der LIGA organisierten Spitzenverbände für ihre koordinierenden und beratenden Tätigkeiten Landesgelder nach einem klar definierten Verteilungsschlüssel erhalten - gekoppelt an bestimmte Berichtspflichten. Das Gesetz soll zudem neue Finanzierungsstrukturen in der Beratung schaffen, indem es die bisherige Förderung durch das Land mit der auf Ebene der Landkreise und kreisfreien Städte liegenden Zuständigkeit zusammenführt.

Über eine Transparenz- sowie eine Zuwendungsdatenbank soll die Öffentlichkeit Auskünfte über die Herkunft, den Einsatz und die Verwendung finanzieller Ressourcen bekommen. Auch die Gehälter von Geschäftsführern sollen offengelegt werden. Ab einer Förderungshöhe von 25.000 Euro soll die Beteiligung an der Transparenzdatenbank zur Pflicht werden - andernfalls soll kein Steuergeld mehr fließen.

Man beteilige sich schon seit 2018 an der Initiative Transparente Zivilgesellschaft (ITZ) und werbe auch bei den Mitgliedern um den Beitritt zur ITZ, sagte Bernhard Seidl, stellvertretender Geschäftsführer des Paritätischen Mecklenburg-Vorpommern, auf Anfrage. Die ITZ betreibe eine Transparenzdatenbank, ähnlich wie sie jetzt durch das WoftG geplant ist. Aber: Der Beitritt zur ITZ ist freiwillig. Das will Ministerin Drese ändern.

Schon 2018 hatte sich die Arbeits- und Sozialministerkonferenz des Themas Transparenz angenommen. Ein bundesweit einheitliches Vorgehen wurde nicht empfohlen. Einig waren sich die Fachminister aber darin, dass Transparenzanforderungen nur auf einer juristischen Basis möglich werden können. Diesen Weg geht Mecklenburg-Vorpommern nun.

Die Linkspartei im Landtag lehnt das Gesetz ab. Der sozialpolitische Sprecher, Torsten Koplin, sagte, die neuen Transparenzregeln seien mehr Schein als Sein. "Die bekanntgewordenen Probleme bei der gegenwärtigen Förderung, wie völlig überzogene Gehälter von Vorständen, werden damit nicht gelöst."

Quelle: epd