"Die Weite der Nordkirche ist vielleicht ihre größte Chance" Bischof Abromeit hält Rückschau auf Amtszeit und ermutigt zu Gottvertrauen

Synodenpräses Ulrike Hillmann bedankt sich bei den Bischöfen Hans-Jürgen Abromeit und Andreas v. Maltzahn.

Foto: C. Meyer

02.03.2019 · Rostock. Realistisch zu sein und dennoch voller Mut Gottes Wirken zu vertrauen – das legte Bischof Dr. Hans-Jürgen Abromeit angesichts sinkender Mitgliedszahlen den rund 150 Synodalen der Nordkirche ans Herz. In Rostock-Warnemünde blickte der Greifswalder Bischof bei der Tagung der Landessynode auf seine Amtszeit zurück.

Dankbar sei er vor allem für die vielen Begegnungen in den 17 Jahren seines Wirkens in Pommern: „Ich habe ein neues Zuhause gefunden, Geschwister mit einer unverwechselbaren Geschichte kennengelernt und neue Sichten auf das Leben wahrgenommen.“

Wichtigstes Thema seiner Amtszeit sei es gewesen, die kleine und finanzschwache pommersche Kirche in gutes Fahrwasser zu geleiten. So engagierte er sich fast ein Jahrzehnt intensiv für eine Fusion der nördlichen Landeskirchen. Abromeits Resümee lautet: „Sechs Jahre, fast sieben, nach der Fusion kann ich nur sagen: Das Experiment einer deutsch-deutschen Kirchenfusion auf Augenhöhe ist gelungen. Die Struktur der Kirche Pommerns ist so aufgestellt, dass unsere Kirche aus diesem Gesichtspunkt ruhig in die Zukunft blicken kann.“ So profitiere der Pommersche Evangelische Kirchenkreis in vielerlei Hinsicht klar von der Nordkirche durch die „Teilhabe an der Nordkirche als einer größeren kirchlichen Gemeinschaft.“ Beispielsweise ließe sich eine Ausbildung für 30 bis 40 Vikarinnen und Vikare ganz anders gestalten als für zwei bis vier.  Abromeit hob besonders die Pluralität innerhalb der Nordkirche hervor: „Die Weite der Nordkirche ist vielleicht ihre größte Chance. Hier treffen unterschiedliche Traditionen und Theologien aufeinander, die sich ansonsten schnell aus den Augen verlieren.“

"Wir tun uns keinen Gefallen, wenn wir Gremien homogenisieren"

Ein „kritisch-konstruktives“ und bei allen Differenzen doch stets „geschwisterliches Beieinander“ sei bleibende Aufgabe der Nordkirche bei ethischen Fragen wie bei Fragen rund um das Pastorenbild: „Es ist so, wir sind verschieden. Wir tun uns selbst keinen Gefallen, ja, wir schaden uns als Volkskirche und als Leib Christi, wenn wir Gremien homogenisieren, anstatt unbequeme Meinungen zuzulassen.“ Abromeit betonte: „Wenn die Grundlage stimmt, können wir – besonders in ethischen Fragen – auch Unterschiedliches aushalten. Bei gutem Willen werden wir einen Weg finden, den wir gemeinsam gehen können.“

Auch innerhalb des Pommerschen Evangelischen Kirchenkreises habe es in den vergangenen Jahren viele positive Entwicklungen gegeben: So erlebe er bei seinen bischöflichen Besuchswochen in jeweils einer Region des Kirchenkreises eine zunehmende Annäherung zwischen Kirchengemeinden und  Gemeinwesen: „An vielen kommunalen Veranstaltungen wie Dorffesten, Jubiläen, Feuerwehrfesten oder ähnlichem beteiligt sich die Kirche. Kirchengemeinden und diakonische Einrichtungen dienen der gesamten Gesellschaft. Die Kirche im Dorf ist ein wichtiges Symbol für die Identität, sie erzählt auch die Geschichte der Vorfahren, und so engagieren sich nicht nur die Amtsleiterinnen und Bürgermeister, sondern viele Ehrenamtliche dafür, ohne dass sie deshalb Kirchenmitglied werden.“

"Ich habe gelernt, dass Relevanz nicht von der Zahl abhängt"

Dennoch blieben die sinkenden Mitgliederzahlen des Pommerschen Evangelischen Kirchenkreises schmerhaft: „Unsere Kirche hat hier in 20 Jahren etwa ein Drittel ihrer Mitglieder verloren. Das ist eine dramatische Entwicklung“. Emotional sei es nicht leicht, „die Wucht dieser Zahlen auszuhalten“. Die Herausforderung für Christinnen und Christen sei es jetzt, gleichzeitig die Statistiken ernst zu nehmen, aber den Mut dennoch nicht zu verlieren. „Ich habe gelernt, dass Relevanz nicht von der Zahl abhängt. Dietrich Bonhoeffer und die Bekennende Kirche in Pommern waren nicht viele, ‚Schwerter zu Pflugscharen‘ war keine Massenbewegung, lebendiges und authentisches Gemeindeleben heute ist wichtiger als volle Kirchen. Hier liegt für uns als Kirche in unserer Generation die größte Herausforderung“, sagte Abromeit.

Wichtig sei, die Herausforderungen nicht nur „managen“ zu wollen, sondern darin auch die theologische Herausforderung zu sehen. Entscheidende Fragen seien dabei: „Was will Gott uns damit sagen? Welche Kirche sollen wir nach seinem Willen sein? Trauen wir den großen überlieferten Worten noch zu, dass sie etwas ‚Neues und Umwälzendes‘, wie Bonhoeffer es nennt, schaffen können? Ich kann es nur so sagen: Wir leben unter einem offenem Himmel und spüren doch manchmal so wenig davon.“

Schuldzuschreibungen führten genauso in die Irre wie einfache Kausalitäten herzustellen. Abromeit fasste zusammen: „Dass Menschen zum Glauben kommen, hängt an vielen Faktoren, von denen wir die meisten nicht oder kaum beeinflussen können, am meisten aber am Wirken des Heiligen Geistes. Wir haben es eben nicht in unserer Hand.“ Im Hinblick auf die Weite, die die Natur in Pommern bietet, meinte der Bischof abschließend: „Es hat Freude gemacht und tut es noch, gemeinsam mit Ihnen und allen im Pommerschen Evangelischen Kirchenkreis der Kirche in Pommern und in Norddeutschland und ganz besonders den Menschen in unserer Region zu dienen. Der Himmel ist offen und Christus ist mitten unter uns.“

Quelle:Bischofskanzlei Greifswald (ak)


Sprengelbericht von Bischof Abromeit "Offener Himmel? - Christus in Vorpommern und anderswo" (PDF)