Greifswalder Universität würdigt Körperspender Leichen für die Wissenschaft - Immer mehr Menschen entschließen sich zur Körperspende

Von Nicole Kiesewetter

07.07.2016 · Greifswald. Universitäten brauchen Körperspenden für die Ärzte-Ausbildung. Doch bundesweit übersteigt die Zahl der bereitwilligen Spender mittlerweile den Bedarf.

Unter dem Motto "Spuren im Sand verwehen, Spuren im Herzen bleiben" findet am Freitag im Greifswalder Dom die alljährliche Gedenkfeier für Menschen statt, die ihren Körper nach dem Tod der Universität für die Aus- und Weiterbildung von Ärzten oder für die Wissenschaft zur Verfügung gestellt haben. "Wir sind den Vermächtnisgebern dafür zu großem Dank verpflichtet", sagt Medizinstudent Florian Junge. Er ist mit seinen Kommilitonen aus dem 4. Semester für die Organisation der Veranstaltung zuständig, an der neben den Studierenden auch die Angehörigen der Körperspender teilnehmen.

Nur am menschlichen Körper könnten die zukünftigen Ärzte die komplexe Anatomie begreifen. "Diese Erfahrung geht weit über das hinaus, was Bücher oder Computeranimationen vermitteln können", weiß der 21-Jährige. Rund 40 Leichen braucht die Uni für diesen Teil der medizinischen Ausbildung im Jahr. Doch bundesweit übersteigt die Zahl der willigen Spender seit geraumer Zeit den Bedarf. "Früher haben wir Spender aus ganz Vorpommern angenommen", erklärt Professor Karlhans Endlich, Direktor des Instituts für Anatomie und Zellbiologie.

Unterschiedliche Gründe für steigende Spendenbereitschaft

Nun müssen sie in einem Radius von 20 Kilometern um Greifswald wohnen und dürfen nicht jünger als 50 Jahre alt sein. Für die steigende Spendenbereitschaft sieht der Mediziner unterschiedliche Gründe. Neben dem Wunsch, einen "Dienst für die Wissenschaft" zu leisten, möchten viele Menschen "alles geregelt haben". Dahinter stehe die Absicht, den Angehörigen weder finanziell für die Beerdigung und die Friedhofskosten noch durch zeitlichen Aufwand für Grabpflege zur Last fallen.

Das Verfahren ist nicht kompliziert: Nach gründlicher Information wird eine schriftliche Vereinbarung abgeschlossen, die jederzeit ohne Nennung von Gründen rückgängig gemacht werden kann. Das Institut stellt einen Körperspendenausweis aus. Nach dem Tod wird der Leichnam konserviert und lagert rund ein Jahr im Institut, bevor er im Präparationskurs eingesetzt wird. Nach Ende des Kurses werden die Körper eingeäschert und bei einem Trauergottesdienst oder einer Gedenkfeier im Kreis von Angehörigen und Studenten beigesetzt. Die Grabpflege übernimmt die Universität.

Spender müssen anteilige Kosten tragen

Längst jedoch können die meisten Universitäten die Bestattungskosten nicht mehr allein tragen. Vor einigen Jahren noch war das kein Problem. Das Sterbegeld, das im Fall einer Körperspende an die Universitäten überging, wurde jedoch 2004 abgeschafft. Jetzt müssen die Körperspender anteilige Kosten tragen. In Greifswald und Rostock sind es 800 Euro, in München 1.150 und in Hamburg 1.200 Euro.

Auch wenn diese Kosten wesentlich geringer sind als für eine übliche Bestattung, sieht Institutsdirektor Endlich darin nur einen Grund für die Entscheidung zu einer Körperspende. "Sterben und bestattet werden ist weniger ritualisiert als früher", so seine Beobachtung. Eine zunehmend individualisierte Gesellschaft, in der auch der Einfluss von Religion und Kirche abnehme, erlaube mehr selbstbestimmte Entscheidungen, auch über den Tod hinaus.

Trauerfeier wichtig für Studierende und Angehörige

Im Studium ist der Anatomiekurs häufig die erste Begegnung der Studierenden mit einer Leiche. Doch nach dem anfänglichen mulmigen Gefühl stelle sich schnell ein konzentriertes Arbeiten ein, sagt der angehende Mediziner Junge. Die Gedenkfeier gebe Gelegenheit, sich noch einmal anders mit dem Thema Leben und Tod auseinandersetzen. "Da wird Dir noch mal bewusst, Dein Präparat hatte ja auch mal ein Leben".

Die abschließende Trauerfeier ist wichtig für Studierende und Angehörige gleichermaßen, sagt Dompfarrer Matthias Gürtler. Für die Hinterbliebenen sei es die Trauerfeier, die sie bis dahin nicht hatten. "Viele Monate lang wussten sie nicht genau, wo ihr Angehöriger ist, nun können sie abschließen".  Aus theologischer Sicht hat Gürtler keine Bedenken. "Unser christlicher Glaube an die Auferstehung gilt nicht nur für unversehrte Körper", ist er überzeugt. "Wir machen unseren Glauben selbst klein, wenn wir so denken".

Quelle: epd