EKD-Studie: Mitgliederzahlen der Nordkirche könnten stark zurückgehen Landesbischöfin: "Möglichkeiten nutzen – lebendige Hoffnung sein in dieser Welt“

In einer Pressekonferenz ordneten Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt (2.v.l.), Präses Ulrike Hillmann, Dr. Rüdiger Pomrehn (l.), Leiter des Dezernates Finanzen, und Ulrich Tetzlaff, Leiter des Dezernates Dienst der Pastorinnen und Pastoren die Zahlen und Fakten ein

Foto: Maren Warnecke, Nordkirche

03.05.2019 · Schwerin/Kiel. Die Nordkirche wird künftigen gesellschaftlichen Entwicklungen und veränderten Rahmenbedingungen für kirchliches Handeln offen und aktiv begegnen. Das kündigen Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt und Ulrike Hillmann, Präses der Landessynode, an.

„Als Gemeinde Jesu Christi haben wir einen Auftrag: Wir tragen die gute Botschaft von der Liebe Gottes in Wort und Tat zu Menschen in unterschiedlichsten Lebenszusammenhängen und Situationen. Dieser Auftrag besteht und bleibt  – unabhängig von Prognosen und Zahlen“, so Landesbischöfin Kühnbaum-Schmidt. „Wir Menschen, auch wir als Kirche, leben aus der Fülle von Gottes Möglichkeiten. Das gilt natürlich und gerade auch angesichts von Veränderungen. Deshalb sind wir dankbar für alle, die zu unserer Kirche gehören, die ihre Mitgliedschaft mit persönlichem und finanziellem Einsatz zum Ausdruck bringen, und auch für die, die nicht Kirchenmitglieder sind, aber mit uns zusammenarbeiten und uns in unserem Auftrag durch ihr Engagement oder durch Spenden unterstützen. Wir alle brauchen einander, um lebendige Hoffnung in dieser Welt zu sein.“

Zuvor hatten gestern die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) die Studie „Kirche im Umbruch – Projektion 2060“ veröffentlicht. Darin hat das Forschungszentrum Generationenverträge (FZG) der Albert-Ludwig-Universität Freiburg eine koordinierte Mitglieder- und Kirchensteuervorausberechnung für die evangelische und die katholische Kirche vorgelegt. Danach werden sich Mitgliederzahlen und finanzielle Möglichkeiten beider Kirchen bis 2060 etwa halbiert haben. Weniger als die Hälfte des Rückgangs geht auf den demografischen Wandel zurück. Stärker wird sich auswirken, wie viele Menschen getauft werden, aus der Kirche aus- oder in die Kirche eintreten.

Vielerorts werden schon jetzt neue Wege beschritten, um Kirche für andere zu sein

Präses Ulrike Hillmann erläutert: „Die Projektion schreibt bereits bekannte Ergebnisse bisheriger Untersuchungen fort. Neu sind vor allem Hinweise darauf, an welchen Stellen sich für uns Möglichkeiten ergeben, aktiv mit den vorausberechneten Entwicklungen umzugehen. Dafür können in den kommenden Jahren unter guten finanziellen Bedingungen Handlungsoptionen erarbeitet und  genutzt werden, die den jeweils sehr unterschiedlichen Situationen in der Nordkirche gerecht werden.“ – Landesbischöfin Kühnbaum-Schmidt fügt hinzu: „Gesamt-gesellschaftliche Entwicklungen wie die sinkende Bindung an Institutionen und Organisationen werden wir wohl nicht grundsätzlich umsteuern können. Aber schon jetzt verändern wir uns: Manches Gewohnte und lieb Gewordene bleibt nicht so, wie es war. Und zugleich entsteht und wächst Neues – auch da, wo es dafür zunächst keine Möglichkeiten zu geben schien.“

So würden mancherorts Ideen umgesetzt, um auf neue Weise Kirche mit anderen und für andere zu sein, sagt die Landesbischöfin: „In einem Plattenbaugebiet auf Rügen treffen sich Menschen gleich nebenan und gestalten miteinander unter christlichem Vorzeichen Gemeinschaft. An der Evangelischen Schule St. Marien in Neubrandenburg gibt es Segensfeiern für konfessionslose Jugendliche und deren Familien, die sich nicht für die Konfirmation entscheiden, aber auch nicht zur Jugendweihe gehen möchten. Kirchenkreise und Gemeinden der Nordkirche laden zu Tauffesten ein – am Meer, an Seen und Flüssen. Allein in Hamburg sind rund 500 Täuflinge für ein Tauffest zu Pfingsten am Elbstrand angemeldet. Angehende Pastorinnen und Pastoren gehen mit der ‚Popupchurch‘ in ungewöhnlicher Weise auf Menschen zu und machen auf Glauben und Kirche aufmerksam: in der Fußgängerzone, beim Volksfest oder auf dem Weihnachtsmarkt. An der Lübecker Bucht lassen sich immer mehr Gäste und Einheimische von Kirchengemeinden dort zu ‚Atempausen am Meer‘ einladen.“

In Stadt und Land werden neue Wege erprobt, um als Kirche und Diakonie in der Nähe erlebbar und ansprechbar zu sein, so die Landesbischöfin: „Dazu möchte ich ausdrücklich ermutigen – und ebenso dazu, bisher bewährte Formen kirchlicher Arbeit fortzusetzen. Entscheidend ist, dass das, was geschieht, zu den jeweiligen Situationen und  Menschen passt. Es soll und darf deshalb auch ganz unterschiedlich sein – eine einheitliche Strategie, die sich flächendeckend umsetzen ließe, gibt es aus meiner Sicht nicht.“

Präses Hillmann: Ergebnisse der Studie auswerten, Veränderungsprozesse fortsetzen

„Die Landessynode wird sich ebenso wie die anderen leitenden Gremien in der Nordkirche mit den Ergebnissen der Studie und möglichen Perspektiven für unsere Kirche beschäftigen“, sagt Präses Ulrike Hillmann. „Damit setzen wir bereits begonnene Prozesse fort, in denen wir beispielsweise über Schwerpunkte für das kirchliche Leben in Ortsgemeinden und Diensten und Werken beraten und Rahmenbedingungen der Personalplanung an künftige Entwicklungen angepasst haben. Zugleich laden wir dazu ein, die Studie überall in unserer Kirche zu diskutieren sowie Fragen und Impulse dazu in die jeweiligen Leitungsgremien einzubringen.“

In der Studie „Kirche im Umbruch – Projektion 2060“ wurden auch für die Nordkirche Kirchenmitgliederzahlen, Taufen, Sterbefälle, Wanderungsbewegungen, Aufnahmen und Austritte sowie Angaben zur alters- und geschlechtsspezifischen Kirchensteuerzahlung berücksichtigt. So gehörten 2017 (Stichtag: 31. Dezember) 2.027.751 Menschen zur Nordkirche. Für 2035 werden laut Studie in der „Basisvariante“ 1,42 Millionen Mitglieder angenommen; für 2060 rund 855.000. Unter der Annahme einer Erhöhung von Taufen und Aufnahmen um 10 Prozent und einer Verringerung der Austritte um 10 Prozent („Positive Variante“) rechnet man mit 1,49 Millionen Mitgliedern 2035 und 967.000 im Jahr 2060.

Bei der Zahl der Austritte erwarten die Wissenschaftler langfristig einen deutlichen Rückgang: Sie sollen von 25.688 (2017) auf rund 16.600 (2035) bzw. unter 9.140 (2060) sinken. Menschen, die aus der evangelischen Kirche austreten, sind vorwiegend zwischen 25 und 35 Jahre alt – eine Phase, in der viele von ihnen ins Erwerbsleben eintreten und erstmals Kirchensteuer zahlen, zugleich aber kirchliche Angebote nur selten in Anspruch nehmen. Bei den Taufen wird in der Studie für die Nordkirche ein Rückgang von 16.500 (2017) auf etwa 10.600 (2035) und 5.800 (2060) angenommen; bei den Aufnahmen (überwiegend Wiedereintritte) von 3.384 (2017) auf fast 2.300 (2035) bzw. 1.300 (2060).

Quelle: Nordkirche


Weitere Informationen zur Studie Projektion 2060:
www.projektion2060.nordkirche.de
www.ekd.de/projektion2060