Menschenfreund, Optimist und Brückenbauer Landesrabbiner William Wolff bekommt für die Gemeindearbeit einen Kollegen an die Seite

Von Hermann Michael Niemann

William Wolff wurde am 23. April 2002 in das Amt des Landesrabbiners eingeführt. Er sei der „beste Rabbiner in Deutschland“, hieß es in der „Jüdischen Allgemeinen Zeitung“ zu seinem 80. Geburtstag.

Foto: R. Cordes

22.03.2015 · Schwerin. Zum 31. März beendet William Wolff seine Arbeit als geistlicher Leiter der jüdischen Gemeinden in Mecklenburg. Doch das Amt des Landesrabbiners wird er auch weiter ausfüllen.

„Laudatio“, aus dem Lateinischen übersetzt: „Lobrede“, nennt man die Ansprache, wenn ein Mensch mit großen Verdiensten gefeiert wird. Wirklich große Menschen sind oft bescheiden, sie bedürfen des Lobes nicht. Ihr Wirken spricht für sie. Dr. h.c. William Wolff ist so ein Mensch. Deshalb möge „Laudatio“ eher als „günstige Zeugenaussage“ verstanden werden, wie man das lateinische Wort auch übersetzen kann. Rabbi Wolff hat in den 13 Jahren seines segenreichen Wirkens in Mecklenburg-Vorpommern und darüber hinaus in der liberalen Allgemeinen Rabbinerkonferenz Deutschlands mit Herz, Geist und liebenswürdiger Menschenfreundlichkeit unzählige „günstige Zeugen“ gewonnen.

William Wolffs fröhliches Lachen, sein Humor kann schnell Herzen und Ohren öffnen. Er hört genau hin, stimmt seinem Gesprächspartner gern zu: „Sie haben ja so Recht.“ Wenn doch einmal Widerspruch nötig ist, geschieht das auf eine freundliche, gewinnende Art, die nicht verletzt. Bei der Predigt im Gottesdienst holt der Rabbi aus den Schatzkammern der Hebräischen Bibel Weisheit hervor, Geschichten von Gott und Menschen, von Unglauben und Gottvertrauen, von Schuld und Vergebung, von Unglück und Bewahrung, von Verzweiflung und Hoffnung. Der Rabbi erzählt so, dass jeder merkt: „Von mir ist die Rede, das betrifft mich.“

Rabbi Wolff predigt nicht nur, er lebt seinen Beruf als Rabbiner, seine geistliche Berufung mit großer Freude, Optimismus und einem weiten, liberalen Herzen. Das ist nicht selbstverständlich, sondern eher erstaunlich angesichts seiner Biographie, die Leid und Verfolgung von Millionen jüdischer Menschen des 20. Jahrhunderts spiegelt. Geboren 1927 in Berlin, flüchtete Wilhelm oder Willy, wie er heute noch gelegentlich Briefe unterschreibt, 1933 mit den Eltern nach Holland, 1939 nach Großbritannien. Dort wird William Wolff nach dem Studium der Nationalökonomie Journalist, reist mit dem britischen Außenminister ins Ausland und hat ständigen Zutritt im britischen Parlament. Den Parlaments-Ausweis trägt er noch bei sich.

Im Alter über 50, wo andere beginnen, an die Rente zu denken, nahm er 1979 in London das Studium jüdischer Theologie auf, orientiert sich beruflich völlig neu. Nach Wirken als Rabbiner, unter anderem im berühmten Wimbledon und inzwischen im Pensionsalter, weist ihn ein Studienkollege auf die verwaiste Rabbiner- Stelle in Mecklenburg-Vorpommern. Rabbi Wolff erklärt sich bereit und wird gewählt. Für die Sammlung und Betreuung der aus dem Nichts wieder erstandenen jüdischen Gemeinden in MV lernt der 75-Jährige Russisch.

Weit über seine Gemeinden hinaus wird er schnell zu einem gesuchten Redner und Gesprächspartner in kirchlichen Kreisen, in Schulen und in einer breiten Öffentlichkeit. Das bezeugt auch der ihm verliehene Titel eines theologischen Ehrendoktors der Universität Greifswald und die Ehrenbürgerschaft der Landeshauptstadt. Ein wunderbares und passendes Denkmal seines Wirkens setzt ihm der schöne Text- und Foto-Band „Abraham war Optimist. Rabbiner William Wolff und seine Gemeinde“ von Manuela Koska-Jäger (2011) ebenso wie der Dokumentarfilm „Im Himmel, unter der Erde“, in dem Rabbi Wolff über den berühmten jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee führt.

Rabbiner William Wolff hat „nach innen“ seine jüdischen Gemeinden in Rostock, Schwerin und Wismar in einer schwierigen Aufbauphase betreut. Und er hat „nach außen“ dem Judentum in unserem Land eine versöhnende, eine ermutigende Stimme und ein Gesicht geschenkt. Ohne seine liebenswürdige Persönlichkeit und sein Wirken wäre weniger deutlich, was der Kultur, der Religion und der Gesellschaft unseres Landes zwei Diktaturen hindurch gefehlt hat. Rabbi Wolff hat geholfen, uns unserer Verwurzelung im Judentum und seiner Hebräischen Bibel wieder deutlicher bewusst zu werden.

William Wolff wird neben einem neuen Rabbiner, der für die jüdischen Gemeinden zuständig sein wird, Landesrabbiner bleiben, in der Öffentlichkeit das Judentum in MV repräsentieren, auch Gottesdienste halten und für das jüdisch-christliche Gespräch zur Verfügung stehen.

Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 12/2015 (Der Autor, Hermann Michael Niemann, ist emeritierter Professor für Altes Testament und Biblische Archäologie in Rostock)