Landesbischof warnt: Unrechtscharakter des Staates DDR nicht vernebelnDr. Andreas von Maltzahn beim Bützower Häftlingstreffen / Gespräch mit Schülern

27.09.2010 | Schwerin/Bützow (cme). „Wir erinnern uns, um lebendig zu bleiben. Wir bringen diese Ungerechtigkeit zur Sprache, weil sie viel zu lange verschwiegen wurde.“ Dies sagte Dr. Andreas von Maltzahn heute (27. September 2010) beim achten Treffen ehemaliger politische Häftlinge der DDR in Bützow. Und vor dem Hintergrund, „wie wenig in der DDR dazu gehörte, jahrelang der Freiheit beraubt und eingesperrt zu werden“, sagte der mecklenburgische Landesbischof er könne nicht verstehen, „wie manche heute den Unrechtscharakter des DDR-Staats relativieren wollen. Die DDR war ein Unrechtsstaat – ohne Wenn und Aber!“

 

Das dreitägige Treffen steht unter dem Titel „Zeugen und Zeugnisse des Unrechts in der DDR´“ und wird vom Verein Politische Memoriale organisiert. Bei einem heutigen Gespräch der Teilnehmer mit Schülern des Bützower Geschwister-Scholl-Gymnasiums wurde diskutiert, wie junge Leute befähigt werden können, sich kritisch mit den Zeugnissen der Vergangenheit auseinanderzusetzen.

Der mecklenburgische Landesbischof erinnerte dabei an diejenigen Menschen, die in der ehemaligen DDR hinter Gittern verschwanden, „ohne faires Verfahren, manchmal zusätzlich gedemütigt in Schauprozessen, eingesperrt zusammen mit Menschen, die teilweise schwere Verbrechen begangen hatten“. Als Beispiele nannte er die Zeugen Jehovas oder aktive Mitglieder der Jungen Gemeinde waren. Er rief die „Aktion Rose“ in Erinnerung, bei der Besitzer eines Hotels oder eines Betriebes, die enteignet werden sollten, zu mehrjährigen Haftstrafen unter menschenunwürdigen Bedingungen verurteilt wurden. Gleiches galt später für Kriegsdienstverweigerer, Menschen, die versucht hatten, aus der DDR zu flüchten oder die sogenannten „hartnäckige Antragsteller auf Ausreise“.

 

„Angesichts dieser Tatsachen kann ich nicht verstehen, wie manche heute den Unrechtscharakter des DDR-Staats relativieren wollen. Die DDR war ein Unrechtsstaat – ohne Wenn und Aber!“, sagte Dr. von Maltzahn. Zugleich fügte er hinzu: „Natürlich, auch in der DDR konnte man ein erfülltes Leben führen. Ein Staat aber, der systematisch die Rechte des Einzelnen missachtete, kann nur als Unrechtsstaat bezeichnet werden. Dass in diesem Staat auch Diebstahl, Vergewaltigung und Mord geahndet wurden, ändert daran nichts.“ Deshalb warne er davor, „den Unrechtscharakter des Staates DDR zu vernebeln.

Das Los politischer Gefangener, die systematischen Versuche der Staatssicherheit, Menschen zu zerstören, die Einmauerung der eigenen Bevölkerung, einschließlich Selbstschussanlagen, das Verwehren von Abitur und Studium aus ideologischen Gründen, die durch Halbwahrheit und Lüge verdorbene Atmosphäre – all das war nach den Worten von Dr. von Maltzahn alles andere als nur „ein Schuss Willkür und Abhängigkeit“. Der Stadt Bützow zollte der Landesbischof ausdrücklich seinen Respekt dafür, dass die Kommune im „Krummen Haus“ die „Dokumentation zum politischen Missbrauch des politischen Strafvollzugs in Bützow“ eingerichtet habe und sich bemühe, „offensiv mit diesen Fragen umzugehen“.

 

Mit Blick auf die aktuelle gesellschaftliche Situation, insbesondere angesichts der „wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich, von Klimakatastrophe und Casino-Kapitalismus“, rief Landesbischof Dr. Andreas von Maltzahn die Schülerinnen und Schüler auf, sich politisch zu engagieren und ermutigte: „Gestaltet diese Gesellschaft mit! Geht in die demokratischen Parteien und sorgt mit dafür, dass Entscheidungen getroffen werden, die gerecht sind und den Menschen dienen.“ Die friedliche Revolution 1989 hätte gezeigt, dass „die Verhältnisse nicht so bleiben müssen, wie sie sind“.