Kirche im Gegenwind Kritik am Engagement von Gemeinden für die Energiewende wächst

Von Sybille Marx und Tilman Baier

Schlechtes Image: Windräder, wie hier auf dem Fischland, gelten inzwischen vielfach als Touristenschreck. Befürchtet wird auch die Vergrämung ansiedlungswilliger Besserverdiener. Doch zum Gelingen der Energiewende werden sie gebraucht.

Foto: M. Wulf-Nixdorf

08.02.2015 · Malchin/Demmin. Die Nordkirche will bis 2050 „CO2-neutral“ sein. Als Vorreiter hat der Kirchenkreis Mecklenburg ein eigenes Energiewerk zusammen mit der WEMAG gegründet, um selbst auf Kirchenland Windenergie zu ernten. Doch Kirchengemeinden, die Land für Rotoren zur Verfügung stellen, sehen sich zunehmend heft iger Kritik gegenüber.

Wenn die Rede auf die Energiewende kommt, dann wird Thomas Waack, Gemeindepastor in Malchin, grundsätzlich: „Wer den Atomausstieg will, braucht Alternativen. Und das sind erneuerbare Energien, um einen vernünftigen Energiemix hinzubekommen.“ Der Protest von Gegnern eines Windparks am Rand der Mecklenburgischen Schweiz trifft seit einiger Zeit die Malchiner Kirchengemeinde und den Kirchenkreis Mecklenburg massiv. Kritisiert wird, dass Kirche Land für Rotoren freigeben will – auch wenn noch nicht klar ist, ob die in Frage kommenden Flachen tatsachlich als Windeignungsgebiet ausgewiesen werden und auch ein konkretes Projekt noch nicht vorliegt. „Die schielen auch nur nach dem Mammon“ heißt es auch anderswo im Land über Kirchengemeinden in ähnlicher Situation. Und, dass sich Kirche an der Zerstörung von Natur und Kulturland beteilige.

Pastor Waack halt das für einen schlechten Vergleich: „Für die Lausitz trifft das zu, aber wohl kaum für Mecklenburg- Vorpommern. In Sudbrandenburg wird für die Braunkohle die Kultur der Sorben bedroht, indem ihre Dörfer und Städte weggebaggert werden.“ Für ihn gibt es zurzeit keine bessere Alternative zur fossilen Energiegewinnung und zur Atomkraft als die Nutzung von Windenergie als einer Form von erneuerbaren Energien. Gleichzeitig ist ihm bewusst, dass dafür ein Dialog mit den Betroffenen notwendig ist. „Ich verschließe mich nicht kritischen Argumenten, aber es muss ein echtes Gespräch sein.“

Lieber Windrad als Atomkraft und Kohle

Ein solches gab es kürzlich: Bischof Dr. Andreas v. Maltzahn hatte Vertreter der Bürgerinitiative „Gegenwind“, der Kirchengemeinde sowie des Kirchenkreises zu einem Gesprach nach Schwerin eingeladen, um sich selbst ein Bild zu machen und zu moderieren. Wie es aus der Bischofskanzlei hies, wurden dabei „Kompromissmöglichkeiten ausgelotet“ und auf Vorschlag des Bischofs vereinbart, dass „der Kirchengemeinderat Malchin vor einer endgültigen Entscheidung in dieser Angelegenheit Vertreter der Bürgerinitiative zu einem Gespräch einladen wird.“ So soll gewährleistet werden, dass die Sorgen und Bedenken Betroffener beachtet werden.

Ganz anders ist die Situation in Demmin. Dort hat die Kirchengemeinde schon vor 16 Jahren einen Windpark mit vier Anlagen gebaut – vor allem, um damit Gewinne zu erwirtschaften. Die Windpark-GmbH als 100-prozentige Tochter der Gemeinde betreibt ihn. „Soweit ich weiß, gab es nie Proteste dagegen, die Stimmung war immer positiv“, sagt Gemeindepastor Norbert Raasch. „Aber diese vier Anlagen sind im Vergleich zu den heute üblichen auch sehr klein.“

Insgesamt schrumpfe in Demmin und Umgebung die Akzeptanz für Windkraftanlagen, weil in den vergangenen Jahren immer mehr und größere aufgestellt worden seien. „Wenn man beim Spaziergang irgendwo hinten am Horizont mal ein einzelnes Windrad sieht, ist das ja noch ganz hübsch“, meint Norbert Raasch. Inzwischen seien es aber 18. Viele in der Region hatten schon das Gefühl: Die Regionen Ostseeküste und Müritz, die ohnehin mehr Touristen anzogen, wurden geschont, „bei uns pflastert man alles zu“.

Auch die Summe, die eine Kirchengemeinde aufbringen müsse, um nur ein einziges Windrad aufzustellen, sei mit den Dimensionen von 1996 nicht mehr vergleichbar, sagt Norbert Raasch. Wie lange sich die Räder der kirchlichen Windpark-GmbH noch drehen, ist daher unklar. „Die Vertrage für die Anlagen laufen bald aus“, sagt Raasch. „Wie es dann weiter geht, wissen wir noch nicht.“

Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 06/2015