In Kölzow gibt es auf dem Pfarrgrundstück einen gemeinschaftlichen Kräutergarten Kräutergarten Eden

Von Marion Wulf-Nixdorf

Im Kräutergarten zwischen Kirche und Pfarrhaus in Kölzow: Hildegard Schlesinger, Pastorin Petra Bockentin und Marga Trost (v.l.n.r.)

Foto: M. Wulf-Nixdorf

17.08.2014 · Kölzow. Einen Konsum gibt es schon lange nicht mehr, der Bäckerwagen ist schnell wieder weg. Wo kann man sich treffen tagsüber – in einem kleinen mecklenburgischen Dorf? In Kölzow gibt es seit sieben Jahren einen Dorftreffpunkt: Den „Kräutergarten Eden“ zwischen Pfarrhaus und Kirche.

Marga Trost, 79, geboren in Wismar, aber schon seit Kindertagen in Kölzow ansässig, wohnt gegenüber der Kirche. Sie ist schnell mal im Kräutergarten, um nach dem Rechten zu sehen, zu gießen, zu jäten, zu harken – und mit anderen zu erzählen. Ihr Mann ist schon 1986 gestorben, mit 55 wurde sie gleich nach der Wende wie so viele hier, die ihr Arbeitsleben in der LPG verbracht hatten, in den Vorruhestand geschickt. „Erst war es sehr hart, richtig abgeschoben fühlten wir uns. Geschuftet und geschuftet und dann einfach Hausfrau...“, erinnert sie sich. „Aber man gewöhnt sich dran.“ Und es war ja ein Glück, dass man damals mit 55 schon in den Vorruhestand gehen konnte und nicht zum Arbeitsamt musste. Sie hat gelernt, auch ohne hauptberufliche Arbeit die Tage sinnvoll zu gestalten. Marga Trost, genannt Maggi, hat immer etwas vor: Sie hilft auf dem Hof der Tochter, hat etliche Gräber zu versorgen, einen eigenen Garten und ein paar Viecher, wie sie sagt.

Und richtig zu tun hat sie mit ihren Tees, für die sie ganz spezielle Kräutermischungen zusammenstellt. Die Kräuter holt sie aus dem „Kräutergarten Eden“, so steht es auf einem großen Keramikschild an der Eingangspforte zu einem eingezäunten Garten mit kleinem Gerätehaus, Wiese, Rabatten rundherum, Bänken zum Ausruhen. Wirklich ein kleines Paradies zwischen Pfarrhaus und mittelalterlicher, frisch restaurierter Kirche. Rund 60 Kräuter sind in 72 abgeschnittene Regentonnenringe gepflanzt. Sie werden gepflanzt, gegossen und gepflegt von Mitgliedern des Seniorenkreises. Aber jeder Dorfbewohner darf sich Kräuter aus diesem Garten holen.

Frau Trost hat sich ein dickes Kräuterbuch besorgt, immer wieder gelesen und sich lange Listen gemacht, auf die sie die gesundheitsfördernde Wirkung von Kräutern und anderen Pflanzen geschrieben hat. Thymian zum Beispiel ist durchfallhemmend, Wermut keimtötend, Borretsch herzstärkend...

Marga Trost weiß, wann die einzelnen Kräuter geerntet werden müssen, sie schnippelt sie klein und dann kommen sie in ihre Garage zum Trocknen. Dort liegen Decken, darauf Bettlaken. „Da sieht‘s manchmal aus wie in einer Drogenhöhle, und es riecht auch so“, sagt lachend Pastorin Petra Bockentin. Von der Garage geht’s noch mal auf Bleche in den Backofen – bei 50 Grad rund eine halbe Stunde. Die Backofentür darf nicht ganz zugemacht werden, ein Handtuch über der Tür versperrt das Zuschlagen und so kann eventuell noch vorhandene Restfeuchtigkeit aus den Kräutern entweichen. Denn richtig trocken müssen die Kräuter sein für die Teeherstellung, sonst schimmeln sie. Dann werden die Kräuter klein gerubbelt und in große Gläser gefüllt. Ein Leinentuch darüber, mit Gummiband verschlossen. Nicht mit Deckeln! Um das Schimmeln zu verhindern.

Ende September dann werden die Kräuter zu bestimmten Mischungen zusammengestellt, in Gläser mit dem Aufdruck „Margis Kräutertee“ gefüllt und Erntedank verkauft. Der Erlös kommt der Kirchengemeinde zugute. In diesem Jahr war Marga Trost krank und es wird keine Tees geben. „Eine Katastrophe für unsere Gemeinde“, sagt Pastorin Bockentin. Aber im nächsten Jahr wieder....

Die Idee für einen Kräutergarten entstand 2006 im Seniorenkreis. Jedes Jahr war eine Referentin in die Runde gekommen, hatte über die Wirkung von Pflanzen gesprochen und irgendwann dann meinten die Senioren und ihre Pastorin: „Wir pflanzen selber welche an.“ Die Kirchengemeinde habe Land genug, einige Ältere im Dorf waren von den eigenen Gehöften in kleinere Wohnungen gezogen, damit war oft auch der Garten weg, der dann schmerzlich vermisst wurde. Die rund 50 Senioren fuhren in das nahe gelegene Carlstal und nach Emkendorf, holten sich aus den dortigen Kräutergärten Ideen. Im Herbst 2006 wurde der Boden vorbereitet, Regentonnen abgeschnitten und in die Erde gesetzt: „Wir wollten nicht alles durcheinander wachsen lassen“, Keramikschilder wurden im Winter getöpfert mit den einzelnen Pflanzennamen – die halten aber leider nur zwei Jahre.

„Inzwischen haben wir jede Menge Ableger“, sagt Hildegard Schlesinger, 70, die häufig mit dem Fahrrad aus Dettmannsdorf in den Kräutergarten kommt. Vielleicht habe auch eine andere Kirchengemeinde Lust, einen Kräutergarten anzulegen? Nicht nur wegen der Kräuter, sondern auch wegen der Gemeinschaft. Wenn zum Beispiel Leute auf dem Friedhof an den Gräbern arbeiten, dann machen sie gern eine Pause auf einer Bank im Kräutergarten. Auch Pilger – das Pfarrhaus Kölzow ist Pilgerherberge, erfreuen sich an diesem kleinen Paradies.

Kohlweißlinge fliegen herum. Ich freue mich daran. Oh nein, die legen ihre Eier ab und die Maden fressen dann die Blätter, sagen die beiden Frauen. Und es folgt eine Schimpftirade auf die Schnecken – wie ich sie von vielen anderen Gartenbesitzern kenne. In einer einzigen Nacht hätten sie sämtliche Studentenblumen abgefressen.

Nach dem Arbeiten im Kräutergarten holt Marga Trost schnell einen Kaffee für sich und Frau Schlesinger. Oder wer noch gerade da ist. Die Pastorin nimmt Thymian mit für die Bratkartoffeln. Oregano an die Tomatensuppe, Rosmarinkartoffeln seien auch sehr lecker. Wenn sie Brot bäckt, kommen Ringelblumen an den Teig, „das sieht besonders schön aus“. Wir kommen ins Erzählen. Über das Leben, das Alter, das Erntedankfest – ohne Tee in diesem Jahr aber sicher wieder mit 30-40 selbstgebackenen Kuchen... es sitzt sich gut hier. Im Kräutergarten Eden.

Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 33/2014