Fremdenhass Ost-Ministerpräsidenten wehren sich gegen Stigmatisierung ihrer Länder

31.08.2015 · Berlin/Schwerin.

Angesichts der steigenden Zahl fremdenfeindlicher Übergriffe auf Asylunterkünfte warnen die ostdeutschen Ministerpräsidenten davor, Fremdenhass als ostdeutsches Problem zu betrachten. Man sollte sich davor hüten, "hier vorschnell von einem ostdeutschen Phänomen zu sprechen", sagte der Brandenburger Regierungschef Dietmar Woidke (SPD) der "Welt am Sonntag".

Zwar nehme er die Zahlen über fremdenfeindliche Übergriffe "sehr ernst". Nach Ansicht Woidkes verdeutlicht jedoch die Karte der rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten, aber auch die der Übergriffe auf Flüchtlingsunterkünfte, "dass es sich nicht um ein Ost-West-Problem, sondern um eine deutschlandweit zu betrachtende Entwicklung handelt - die Brandanschläge in Bayern oder den jüngst in Baden-Württemberg seien hier erwähnt".

Der Regierungschef von Mecklenburg-Vorpommern, Erwin Sellering (SPD), warnte davor, bei diesem Thema "Ost-West-Debatten" aufzumachen. "Die Aufnahme von Flüchtlingen stellt uns in ganz Deutschland vor große Herausforderungen. Und wir stehen in Ost und West gleichermaßen vor der Aufgabe, rechtsextremes Gedankengut entschieden zurückzuweisen und rechtsextreme Straftaten konsequent zu verfolgen", sagte Sellering.

Es bringe nichts, das Problem auf den Osten zu reduzieren, sagte auch Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke). "Wir reden von einem gesamtdeutschen Problem, das wir gesamtdeutsch bekämpfen müssen", forderte er in der Zeitung. "Im Moment brennen bundesweit Nacht für Nacht Flüchtlingsunterkünfte. Und die Hotspots der braunen Gewalt liegen in allen Himmelsrichtungen verteilt."

Sachsens Ministerpräsident, Stanislaw Tillich (CDU), betonte, dass es sich nicht um das Problem eines einzelnen Bundeslandes, sondern um "eine Herausforderung für das ganze Land und die Gesellschaft" handelt, die man aber gemeinsam lösen könne und werde. Tillich forderte bundesweite Anstrengungen gegen rechte Gewalt: "Wir müssen uns jeden Tag aufs Neue bemühen, rassistische und menschverachtende Haltungen aus den Köpfen zu bekommen. Hier sind wir alle gefordert, keiner darf wegsehen." Bund, Länder und Gemeinden müssten darüber hinaus an einem Strang ziehen.

Tillich äußerte sich zugleich kritisch über die Entwicklungen speziell in Sachsen. "Zur Wahrheit gehört, dass es in Sachsen eine nicht zu unterschätzende rechtsextremistische Szene gibt: Menschen, die unsere Werte mit Füßen treten und die Demokratie angreifen. Die gegen andere hetzen und die gewalttätig sind." Es gebe dafür keine einfache Erklärung, warum das so sei "und warum manche denen hinterherlaufen". Das könne mit Verlustängsten, aber auch mit Angst vor Veränderungen zu tun haben, so der CDU-Politiker.

In der gleichen Ausgabe berichtet die "Welt am Sonntag", Angriffe auf Flüchtlinge und Asylbewerberheime ereigneten sich besonders häufig dort, wo die NPD im Stadt- oder Gemeinderat vertreten ist. Das zeige eine Analyse der Zeitung. So hält die NPD in Sachsen seit der letzten Kommunalwahl 59 solcher Mandate, unter anderem in den Orten, in denen die meisten flüchtlingsfeindlichen Vorfälle gezählt werden: Dresden, Heidenau und Freital. Die Amadeu Antonio Stiftung und Pro Asyl erfassten zudem bis zum 28. August des laufenden Jahres in 40 Orten in Sachsen Aktionen gegen Flüchtlinge, in zwölf davon war die NPD im Stadtrat vertreten.

Quelle: epd