Kirchenmusikerin Bettina Wißner verlässt Barth nach nur zweieinhalb Jahren Nicht der passende Deckel zum Topf

Von Marion Wulf-Nixdorf

Bettina Wißner hat drei Kinderchöre und einen Kirchenchor in Barth aufgebaut.

Foto: M. Wulf-Nixdorf

20.08.2015 · Barth. Was soll man sich quälen, wenn man merkt: Es passt nicht. Das sei ihr schon nach knapp einem Jahr klar geworden, sagt Kirchenmusikerin Bettina Wißner in Barth. Ab September wird sie in Zirndorf arbeiten.

Eine alte Dame kommt an unseren Tisch im Cafe und schenkt Bettina Wißner (39) ein Buch. Selbst geschrieben. Sie wünscht der Kantorin alles Gute und bedauert deren Weggang. Nach ihrem letzten Orgelkonzert in Barth am 7. Juli gab es standing ovations, eine langjährige Chorsängerin brachte – ganz privat und von Herzen – einen Blumenstrauß auf die Empore. Mit diesem Konzert hatte die Kantorin den Barthern und ihren Gästen den Abschied noch einmal so richtig schwer gemacht, ihnen gezeigt, was sie kann und was die Orgel kann. Es war ein bravouröses Konzert, ein klug zusammen gestelltes Programm, das der Buchholzorgel, entstanden auf der Schwelle vom Barock zur Romantik, auf den Leib geschneidert war, ebenso der Organistin. Am Anfang und am Schluss Komponisten des 19. Jahrhunderts. Mittendrin – dem Laien – Unbekannte, noch Lebende. Der brausende Beifall war mehr als verdient.

Eine Kleinstadt in Nähe der Ostsee, eine frisch restaurierte Orgel mit 2939 Pfeifen, drei Manualen und Pedal. Eine evangelische Schule und ein evangelischer Kindergarten im Ort. Viele Möglichkeiten für (Fahrrad) Wanderungen mit dem Hund. Keine Autobahn, kein Flughafen in der Nähe – so wie sie es sich gewünscht hatte – wenn man aus dem Main- Rhein-Gebiet komme, sei man besonders dankbar für Ruhe, sagt sie. Was fehlte denn, Frau Wißner? Überlegen. „Ich bin einfach nicht der passende Deckel zum Topf“, bringt sie es mit wenigen Worten auf den Punkt. Keine Schuldzuweisungen, es sei einfach so, dass sie als Kantorin hier nicht passe, meint sie. Sie sei in erster Linie für Gemeindeaufbau eingestellt gewesen und dafür möchte sie in ihrer Arbeit auch die Zeit verwenden: „Nicht Organisten organisieren, sondern ich möchte mit den Leuten in der Gemeinde Musik machen.“ Es gehe ihr zu viel Zeit in die Planung und Durchführung einer Konzertreihe, „da bleibt einiges auf der Strecke“. Das wollte sie aber nicht ändern in Barth, sondern meint ganz einfach: „Ich passte da nicht rein.“

Vier Chöre in zweieinhalb Jahren

Vier Chöre hat sie in den zweieinhalb Jahren aufgebaut: Einen Kinderchor im evangelischen Kindergarten, in den auch drei Kinder aus anderen Kitas gebracht wurden; einen für Schulkinder 1. und 2. Klasse und einen weiterführenden ab der 3. Klasse mit jeweils rund 15 Kindern sowie einen Kirchenchor. Den Barther Singkreis, ein eher überregionaler Chor, hat sie schon von ihrem Vorgänger Emil Handke übernommen. „Wenn ich jetzt noch länger geblieben wäre, hätte ich dringend einen Kinderchor für die 5. bis. 7. Klasse aufbauen müssen, sonst sind die Kinder weg. Ab 8. Klasse können sie dann in den Kirchenchor kommen.“ Den hat sie als Popular- Chor verstanden, in dem sie in erster Linie neues geistliches Liedgut singen ließ. Die klassische Kirchenmusik war im Singkreis zuhause. „Wenn es nach den Kindern gegangen wäre, hätte ich mehr Sänger in den Chören gehabt“, erzählt sie und erinnert sich an den Satz einer Mutter, die ihr Kind in der evangelischen Schule hatte. Das sei genug Gott, hatte sie gemeint und ihr Kind nicht in den kirchlichen Kinderchor gelassen...

Bettina Wißner freut sich sehr, dass es keine lange Vakanz geben wird, ihre Nachfolgerin ist bereits gewählt und der Gemeinde bekannt gegeben. „Ich habe bei den Vorstellungen nicht zugehört“, sagt Bettina Wißner. „Die Gemeindeglieder hätten mich gefragt hinterher – und ich wollte mich keinesfalls einmischen.“ Eine Vertretung für die voraussichtlich nur vier Monate wurde in der pensionierten Kirchenmusikdirektorin Anne-Dore Baumgarten aus Wustrow bereits gefunden. Zumindest für die Leitung des überregionalen Singkreises mit seinen rund 60 Mitgliedern. Einer ihrer beiden Orgelschüler, Jobst Zimmermann, wird in den Gottesdiensten spielen.

Einen Tag vor Beginn der Buchholz- Orgeltage, seit 14 Jahren ein fester Termin in der Barther Sommermusik- Reihe, kommt Bettina Wißners Umzugswagen. „Ich hätte den Umzug lieber eine Woche später gehabt“, sagt sie, „weil ich gern beim 1. Barther Meisterkurs innerhalb der Buchholz-Orgeltage dabei gewesen wäre. Aber es klappte nicht.“ Am Freitag, 21. August, 20 Uhr, beginnen die diesjährigen Buchholz- Orgeltage mit einer „Langen Nacht der Orgel“. Der Kirchenmusikverein, der rund 70 Mitglieder hat, wird wieder kulinarische Köstlichkeiten anbieten, an der Orgel werden Andreas Marquardt aus Saalfeld (20 Uhr), und Arvid Gast aus Lübeck (22 Uhr) zu hören sein. Mittendrin, um 21 Uhr, kommt zu der Orgel (Arvid Gast) eine Stimme dazu: Die gebürtige Neubrandenburger Altistin Britta Schwarz aus Dresden.

Meisterkurs bei den 14. Buchholz-Orgeltagen

Den 1. Barther Orgel-Meisterkurs wird der Lübecker Professor Arvid Gast leiten. Drei Unterrichtseinheiten – am Sonnabend um 9 und 14 Uhr und am Sonntag nach dem Festgottesdienst 11 Uhr – wird Gast den Orgelschülern zur Verfügung stehen. „Leider ist dieses Angebot nicht besonders gut angenommen“, bedauert Kantorin Wißner die geringe Anmeldezahl. „Aber es war einen Versuch wert“, ist sie überzeugt. Wer sich noch spontan anmelden möchte, kann dies tun bei Kantorin Wißner, per E-Mail an barth-kimu@pek.de oder telefonisch unter 038231 / 21 83.

Ein weiterer Höhepunkt wird am Sonnabendabend der Vortrag im Niederdeutschen Bibelzentrum sein: Orgelbauer Kristian Wegscheider aus Dresden, der die Restaurierung von 2001-2003 geleitet hatte, hat versprochen, Geheimnisse der Buchholz- Orgel unter dem Thema „Universum Orgel – der Weg von der Klaviatur zur Pfeife“ preiszugeben.

Am Sonntag findet ein Festgottesdienst statt, in dem Gemeindepastorin Annemargret Pilgrim predigen wird, an der Orgel Kurkantor Jürgen Poggel aus Haiger. Um 20 Uhr laden Arvid Gast und seine Meisterschüler zum Orgelkonzert unter dem Thema „Bach und deutsche Romantik bis Liszt“ in die Marienkirche ein.

Am Montag, 24. August, findet die traditionelle Orgeltour, eine Exkursion mit dem Bus, statt. In diesem Jahr geht es nach Bad Doberan, Rerik und Russow. Die Buchholz-Orgeltage enden am Dienstag mit dem Orgelkonzert von Jan Dolezel aus Würzburg. Das Programm für das kommende Jahr hat Kantorin Wißner bereits vorbereitet, mit einigen Lücken, um ihrer Nachfolgerin die Möglichkeit zu geben, eigene Akzente zu setzen.

Nun steht ihre nächste berufliche Station, Zirndorf bei Nürnberg, vor ihr. Eine Gemeinde mit 10 000 Kirchenmitgliedern und sechs Pfarrern wartet auf sie. Vielleicht kommt sie mal wieder nach Barth, um liebgewordene Menschen zu treffen und vielleicht auch mal wieder an der Buchholz-Orgel zu spielen?

Nach den Barther Orgeltagen gehen die Sommerkonzerte weiter: Am 1. September kommt das Vocalensemble amarcord. Orgelkonzerte finden an den weiteren Dienstagen jeweils um 20 Uhr statt: am 8. September Jens Amend; am 15. September Ellen Beinert und am 22. September Michael Schönheit.

Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 33/2015