Kontaktbörse Kirchengemeinde Kirche und Diakonie in Mecklenburg werben für ein „Willkommen“ gegenüber Flüchtlingen

Von Anne-Dorle Hoffgaard

Flüchtlingspastor Walter Bartels bringt seine Tansania-Erfahrung ein.

Foto: ELKM/Christian Meyer

19.04.2015 · Schwerin.

Kirche und Diakonie in Mecklenburg wollen ihr Engagement für Flüchtlinge verstärken und werben für eine Willkommenskultur. Wie Kirchenkreis-Pressesprecher Christian Meyer am Montag in Schwerin mitteilte, wird der Kirchenkreis Mecklenburg voraussichtlich eine halbe Referentenstelle einrichten, um den relativ großen Beratungsbedarf von Kirchengemeinden befriedigen zu können.

Seit Februar gibt es in Mecklenburg bereits eine Projektpfarrstelle für Flüchtlingsarbeit, die mit Pastor Walter Bartels (62) besetzt ist. Bartels kündigte an, dass er künftig vermehrt Kontakt zu Kirchengemeinden aufnehmen will, in deren Gebiet neue Flüchtlinge untergebracht werden. Die Diakonie hat nach eigenen Angaben bereits einen neuen Fachbereich eingerichtet, auch um die Arbeit im Bereich Migration und Flucht neu zu strukturieren.

Es sei wichtig, eine Willkommenskultur einzuüben und offen zu sein, sagte der Theologe Bartels. Das könne bedeuten, dass Kirchengemeinden eventuell für ein Jahr überlegen, die Prioritäten in ihrer Gemeindearbeit zu verändern und die Arbeit mit Flüchtlingen zu einem Schwerpunkt zu machen. Dass viele Flüchtlinge religiös sozialisiert sind, werde die Kirchengemeinden möglicherweise neu herausfordern oder auch befruchten. Zudem hoffe er, dass sich Kirchengemeinden als Multiplikatoren verstehen und beispielsweise Flüchtlingen den Kontakt zu Sportvereinen vermitteln.

Diakonie-Landespastor Martin Scriba warnte davor, Flüchtlinge nur als Problem wahrzunehmen. Diese Menschen könnten auch eine "Riesenbereicherung" sein. Flüchtlinge seien "keine Sozialschmarotzer", sondern Menschen mit katastrophalen Erlebnissen. Wenn auf dem Gebiet von Mecklenburg-Vorpommern 1945 rund 1,5 Millionen Flüchtlinge aufgenommen wurden, sei es wohl schaffbar, heute etwa 6.000 pro Jahr aufzunehmen, sagte Scriba. Er erlebe die Bevölkerung als offen, auch wegen der Erfahrungen von vor 70 Jahren.

Rahmembedingungen müssen stimmen

Allerdings müsse die Aufnahme der Flüchtlinge ordentlich organisiert werden, forderte der Diakonie-Pastor. 8,4 Stellen für die Migrationsberatung der Wohlfahrtspflege in MV seien "ein Tropfen auf dem heißen Stein". Ferner kritisierte er, dass sich die Rahmenbedingungen für die Betreuung und Begleitung dezentral in Wohnungen untergebrachter Flüchtlinge verschlechterten. Während 2013 noch vier Arbeitstage pro Jahr und Asylbewerber bezahlt wurden und ein Betreuer für 56 Asylbewerber zuständig war, stünden jetzt nur noch 2,75 Arbeitstage pro Asylbewerber und Jahr zur Verfügung. Ein Betreuer sei für 80 Personen zuständig. Allerdings könnten Kommunen diesen Schlüssel durchaus zugunsten der Betreuung verbessern, was etwa in Rostock der Fall sei.

Ambulante medizinische Versorgung nötig

Ein weiteres Problem sei die Gesundheitsversorgung, sagte Scriba. Weil Asylbewerber im Nordosten keine Gesundheitskarte bekämen und nur Anspruch auf eine medizinische Grundversorgung hätten, gingen sie vermehrt in die Notaufnahme. Die Stadt Neubrandenburg sei bereits an das dortige Diakonie-Klinikum mit der Bitte herangetreten, sich für eine medizinische Grundversorgung der in der Stadt lebenden Flüchtlinge zu engagieren. Hintergrund dafür sei auch, dass die ambulante Versorgung vor Ort wegen fehlender Ärzte nicht ausreiche. Weitere Probleme sind nach Diakonie-Angaben, dass der Staat für Asylbewerber keine Gerichts- und Anwaltskosten und keine Dolmetscherleistungen bezahlt.

Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 16/2015