Vom Spagat zwischen Regelbefolgung und der großen Geste des Willkommens Kirche öffnen – aber wie?

Von Christine Senkbeil

Das Schild „Offene Kiche“, wie hier in der Seenplatte im Dorf Granzin, lädt in diesem Sommer nicht so häufi g ein wie sonst.

Foto: Christine Senkbeil

26.07.2020 · Greifswald. Stadt oder Land. Touristenkirche oder verschlafenes Kleinod. Die Corona-Krise bringt neue Herausforderungen für die Kirchenöffnungen, nicht nur im Gottesdienst. Und neue Möglichkeiten.

Abstand. Maske. Desinfektion. Die Regeln sind überall die gleichen, ob in prächtigen Stadtkirchen oder stillen Kapellen, ob in Besucherzentren oder in der Abgeschiedenheit. Die Kirche für Touristen zu öffnen, bedeutet für die Kirchengemeinden je nach den Gegebenheiten ihres Wohnortes einen Spagat. Geht es, beides zu bieten? Den vorgeschriebenen Schutz und ein herzliches „Hereinspaziert“ an alle? „Wir können tägliche Kirchenöffnungen unter Einhaltung der Corona-Regeln personell gar nicht abdecken“, sagt Pastor Johannes Staak von der Ostseeinsel Poel. Die Kirchdorfer Kirche bleibt in diesem Sommer verschlossen. Die ehrenamtlichen Kirchenwächterinnen gehören altersbedingt zur Risikogruppe, sagt er. Der Urlauberdruck sei hoch, 20 000 Besucher pro Saison. „Da sind schnell mal 50 bis 60 Besucher auf einmal drin.“ Aufsicht sei unbedingt nötig: ob die Einund Ausgangsbeschilderungen richtig benutzt, Mundschutz getragen, Hände desinfiziert, Abstandsregeln eingehalten würden. „Viele halten sich eben nicht daran, wenn sie sich selbst überlassen sind. Und wir tragen nun mal die Verantwortung, genau wie beim Gottesdienst auch.“ So bietet er mittwochs um 19 Uhr Führungen mit Abendgebet an.

Auch für Pastor Hilmar Warnkross in Gartz an der Oder in der Uckermark geht Sicherheit vor und nichts ohne Aufsicht. Er bedauert, dass die fachkundigen Führungen durch das Ackerbürgermuseum eingestellt wurden. „Als die Kirche unbeaufsichtigt geöffnet war, lag als Ergebnis unsere Lautsprecheranlage in der Oder“, sagt er. So wurde schon vor Corona abgeschlossen. Öffnung jetzt? Undenkbar. „Wenn man die Corona-Spielregeln einhält, ist das nicht möglich.“ Die Gartzer Kirche öffne zum Gottesdienst und werde anschließend von einer zertifizierten Reinigungsfirma desinfiziert. Die Kirchen auf den Dörfern, zu klein für den nötigen Abstand, blieben zu. Wegen Personalmangels und weil der Aufwand für die wenigen Radler zu hoch wäre.

In den Hansestädten ist das Interesse auch im Corona-Sommer ungebrochen. Die Last liegt auf mehreren Schultern. Um dem Touristenstrom gerecht zu werden, ist im Greifswalder Dom ein ganzer Ring von Domwächtern aktiv, „ein Team von Ehrenamtlichen, angefüllt mit geringfügig Beschäftigten“, sagt Pastor Tilman Beyrich. 200 bis 300 Besucher kommen täglich zwischen 10 und 18 Uhr, Maske auf beim Gehen, im Sitzen geht es ohne. Abstand. „Platz haben wir ja genug!“

Auch in Gingst auf Rügen gibt es den. Pastor Joachim Gerber hält St. Jacob von 8 bis 18 Uhr geöffnet, ohne Aufsicht. „Was an Wertvollem hinausgetragen werden könnte, das ist schon beim Brand 1718 zerstört worden“, sagt er. Anders als in Waase auf der Halbinsel Ummanz. Die Kirche mit dem Antwerpener Altar wird von Küsterin Dietlind Behrndt betreut (siehe Seite 13). „Schön, dass hier geöffnet ist!“, hört sie von etwa 60 Besuchern am Tag oft.

Fernab vom Ostsee-Tourismus versucht Pastorin Johanna Motesanto in der Kirchengemeinde Gresse-Granzin, Landkreis Ludwigslust-Parchim, aus der Not eine Tugend zu machen. Statt der Gottesdienste in ihren neun Kirchen bietet sie nun sonntags in wechselnden Orten „Offene Kirche“ an, und zwar mit Programm. „Sommerkirche“ heißt es dann, „Musik und Wort“ oder „Kirche entdecken“, wobei sie Gäste an Stationen der Kirche führt, biblische Geschichten erzählt.

Draußen wird mit Abstand gesungen, zur Andacht geht es mit Maske hinein. „Wir machen vieles wie im Gottesdienst“, sagt sie. Doch die Angebote wirken lockerer und locken offenbar. „Einfach, weil wir die Chance haben, es mal anders zu nennen. Anwohner kommen neuerdings, um ihre Kirche mal kennenzulernen“, erzählt sie begeistert und hofft, den Spieß umzudrehen. Corona als Chance.

Quelle: Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 30/2020