Margot Käßmann: "Religionen sind nicht unschuldig"

05.11.2020 · Hamburg.

Die evangelische Theologin Margot Käßmann hat nach den mutmaßlich islamistischen Anschlägen in den vergangenen Tagen Dialogfähigkeit von Religionen eingefordert. "Die liberalen und dialogfähigen Kräfte in den Religionen müssen sich verbünden, damit nicht die Fundamentalisten die Wahrnehmung von Religion definieren", sagte Käßmann der "Zeit"-Beilage "Christ und Welt". Religionen dürften sich nicht benutzen lassen für die Legitimation von Hass und Gewalt.

Religionen müssten Dialogkompetenz lernen und in der Lage sein, ihre Überzeugungen als demokratiekompatibel zu erweisen, sagte die ehemalige evangelische hannoversche Landesbischöfin und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). "Wo sie versuchen, gesellschaftliche Themen zu dominieren, sich als nicht gesprächsfähig zeigen mit der säkularen Welt, verlieren sie weiter an Zukunftsfähigkeit."

Angesichts der mutmaßlich islamistischen Anschläge in Lyon und Nizza Ende vergangener Woche sagte Käßmann: "Religionen sind nicht unschuldig." Sie müssten dafür eintreten, dass Fanatismus und Fundamentalismus keinen Raum finden. "Am Ende geht es um die Wahrheitsfrage. Kann ich tolerieren, ertragen, dass andere eine andere Wahrheit über Gott finden als ich? Nur wenn ich das bejahe, können Religionen zum Frieden beitragen."

Käßmann betonte, dass es wichtig sei, öffentlich zu zeigen, dass Gläubige verschiedener Religionen für Frieden eintreten, Gewalt verabscheuen und das Töten von Menschen als Gotteslästerung ansehen. Käßmann sitzt im Leitungsgremium der internationalen Bewegung "Religions for Peace", die im November ihr 50. Jubiläum feiert.

Quelle: epd