Julia Buchloh über ihr Ehrenamt als Hospizhelferin „Das ist eine Bereicherung für mein Leben“

Interview: Sybille Marx

Offen für Andere: Seit 2011 besucht Julia Buchloh immer wieder schwer kranke Menschen zu Hause oder im Heim.

Foto: S. Marx

05.10.2014 · Greifswald. Wie begleitet man Menschen, die im Sterben liegen? Julia Buchloh arbeitet seit 2011 als ehrenamtliche Hospizhelferin beim Kreisdiakonischen Werk Greifswald- Ostvorpommern. Und erzählt von oft beglückenden Begegnungen.

Frau Buchloh, haben Sie Angst vor dem Tod?

Nein. Der Tod gehört zu unserem Leben dazu. Aber ich weiß natürlich nicht, wie ich reagieren werde, wenn ich selbst sterbe.

Wie kamen Sie vor drei Jahren auf die Idee, eine Ausbildung zur Hospizhelferin zu machen?

Ich glaube, es liegt vor allem daran, dass ich miterlebt habe, wie meine Schwiegermutter starb. Sie lebte in Holland und dort gehen die Ärzte und alle anderen sehr viel offener mit dem Tod um als wir hier. Meine Schwiegermutter hatte Lungenkrebs, das ist ja eine sehr schwere Diagnose. Trotzdem haben wir als Familie ihre letzten Monate als sehr schön erlebt, weil die Ärzte sofort Klartext gesprochen und es ihr ganz selbstverständlich ermöglicht haben, zu Hause zu sterben. So konnte sie noch alles regeln, was zu regeln war und sich überlegen, was sie gerne noch erleben würde. Das war wunderschön.

Wie gehen Familien hier in Vorpommern mit dem nahenden Tod um?

Meinem Eindruck nach versucht man in Deutschland oft, alles noch medizinisch Mögliche zu tun und den Gedanken an den Tod bis zuletzt wegzuschieben. Aber ich habe auch hier schon Familien begleitet, die ganz offen über alles Bevorstehende reden konnten. Das finde ich immer sehr beglückend.

Wie können Sie dabei helfen, was ist überhaupt Ihre Aufgabe?

Meine Hauptaufgabe ist das Zuhören, der kranke Mensch steht im Mittelpunkt, In der Regel besuche ich die Betroffenen und ihre Familien einmal in der Woche. Ich kann sie begleiten, beraten oder auch informieren, je nachdem, was sie sich wünschen und was sie brauchen. Ich dränge niemandem etwas auf, sondern gebe dem Raum, was Raum braucht.

Manche Menschen haben sofort das Bedürfnis, mit mir über ihre Krankheit und ihre Ängste zu reden, weil sie das mit den Angehörigen vielleicht nicht können. Andere sind froh, wenn es gerade mal nicht um die Krankheit geht, sondern sie einfach mit jemandem plaudern, Kaffee trinken und lachen können, ein Stück Normalität erleben. Einer meiner Klienten wollte zum Beispiel immer mit mir Mensch-ärgere-Dich-nicht spielen, der hat gar nicht viel geredet, das darf aber auch sein.

Es ist ja manchmal so, dass sich die Freunde und Bekannten zurückziehen, wenn jemand im Sterben liegt, weil sie nicht wissen, was sie sagen oder tun sollen. Das finde ich immer ganz besonders schlimm: wenn die Krankheit so einsam macht.

Aber Sie sind für den Klienten ja auch erstmal nur eine Fremde. Wie kommen Sie ins Gespräch, wie nähern Sie sich an?

(Lacht). Also, erstmal sage ich Guten Tag. Tja, und dann … ich habe da kein festes Strickmuster. Vor dem ersten Termin weiß ich auch gar nicht viel über den betroffenen Menschen, nur, wie er heißt, wo er wohnt und wie alt er ist. Aber das ist auch gut, denn so kann ich ganz offen hingehen, ohne große Erwartungen. Und dann höre ich erstmal zu. Viele fangen ganz von selbst an zu reden.

Hatten Sie nach dem Ausbildungskurs gleich das Gefühl, dafür gewappnet zu sein?

Nein! Ich war noch sehr unsicher, obwohl wir in der Ausbildung natürlich geübt hatten, wie man solche Gespräche führt. Aber man muss dann noch reinwachsen. Inzwischen ist mir das gelungen, würde ich sagen. Diese Arbeit ist eine große Bereicherung für mein Leben. Ich bin sehr vielen liebenswerten und mutigen Menschen begegnet, von denen ich eine Menge lernen konnte. Das würde ich nicht missen wollen.

Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 40/2014