Jahresempfang der evangelischen Kirchen am ReformationstagReformation: „Höchste Freiheit und tiefste Bindung“

31.10.2011 | Greifswald (rn). Beim Jahresempfang der evangelischen Kirchen in Mecklenburg-Vorpommern hat am Reformationstag der pommersche Bischof Dr. Hans-Jürgen Abromeit die Freiheit des Gewissens betont: „Freiheit und Liebe gehören zusammen.“

 

Bei der geistlichen Besinnung im Greifswalder Dom St. Nikolai zu Beginn des Jahresempfangs sagte der Bischof, daß Martin Luther diese Erkenntnis

in einem Schreiben an den pommerschen Reformator Johannes Bugenhagen zusammengefaßt habe: „Ein wahrer Christ bedarf nicht der Sittenregeln; denn der Geist des Glaubens leitet ihn zu allem, was Gott will und die christliche Liebe fordert.“

Der Bischof dankte den Gästen aus Politik, Wirtschaft und Kultur, daß man „in dieser von den Reformatoren gewiesenen Spur auch im letzten Jahr zusammengearbeitet“ habe und sagte: „Wir haben diese Freiheit, damit wir anderen Gutes tun können. Lassen Sie uns auch in Zukunft gemeinsam für die Menschen unseres Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern diese Freiheit nutzen.“

 

Für die Landesregierung dankte Justizministerin Uta-Maria Kuder, in deren Ressort künftig auch die Kontakte zu den Kirchen angesiedelt sind, den Kirchen „für ihre Offenheit zum politischen Gespräch, für ihre Verlässlichkeit im gemeinsamen Handeln und für ihre seelsorgerliche Arbeit auf vielen Gebieten, den Gefängnissen, den Krankenhäusern, der Notfallseelsorge und in den Gemeinden.“

Kuder kündigte beim anschließenden Empfang im Pommerschen Landesmuseum an, daß das„Landesprogramm für Demokratie und Tolerenz“ als Daueraufgabe in den fünf Regionalzentren weitergeführt werden solle, ebenso die Beratungsstellen für Opfer rechter Gewalt. Die Justizministerin dankte den Kirchen für die Trägerschaft von drei Regionalzentren und betonte, daß „das Problem des Extremismus, egal aus welcher Richtung, nicht allein ein Problem der Politik sondern der gesamten Gesellschaft“ sei.

 

Der Greifswalder Theologieprofessor Dr. Michael Herbst verwies in einem Vortrag auf die Impulse aus Luthers Freiheitsverständnis für die Bildung sozialer Kompetenz und politischer Verantwortung. Luthers Bild vom freien Menschen bedeute „höchste Freiheit und tiefste Bindung.“

Das Gemeinwesen sei vor allem an den Früchten solcher Freiheit interessiert, doch könne das Gemeinwesen selbst diesen Baum nicht pflanzen oder pflegen. „Es kann nur Räume eröffnen, in denen der Baum gepflanzt und gepflegt werden kann,“ sagte Professor Herbst und fügte hinzu: „Es kann jene äußere Freiheit garantieren, die jedem erlaubt, seine Wege und Worte zu wählen. Aber sie kann nicht jene innere Freiheit erzeugen, die den Menschen zum freien Herrn und dienstbaren Knecht erhebt. Das Gemeinwesen lebt von Früchten, die es selbst nicht hervorbringen kann.“

 

Hintergrund:

Der Jahresempfang der evangelischen Kirchen in Mecklenburg-Vorpommern findet jeweils am Reformationstag statt und wechselt örtlich zwischen dem mecklenburgischen und dem vorpommerschen Landesteil. Beide Bischöfe laden dazu ein und wirken daran mit. Die Predigt in der geistlichen Besinnung hält jeweils der gastgebende Bischof, in diesem Jahr Dr. Hans-Jürgen Abromeit.