Interreligiöser Dialog in Schwerin als Antwort auf Terror und Pegida Keine Angst vor Religion

Von Carsten Heinemann und Tilman Baier

Haiko Hassan Hoffmann wirbt für ein Buch, dass Hintergründe zum Koran erläutert.

Foto: C. Heinemann

21.02.2015 · Schwerin.

„Angst muss man vor den Menschen haben, die im Namen der Religion die Freiheit rauben.“ Dieses Statement ist die programmatische Antwort eines Schweriner Moslems auf die Berichte über die Terrororganisation IS, die Anschläge von islamistischen Terroristen mitten in Europa einerseits und die Pegida-Bewegung andererseits. Es stammt von Mohamed Dib Khanji vom Islamischen Bund in Schwerin im Rathaussaal der Landeshauptstadt in der vergangenen Woche. Dort hatten sich unter der Überschrift „Keine Angst vor Religion!“ Christen, Moslems und Juden zu einem interreligiösen Dialog getroffen. Seit 13 Jahren gibt es in Schwerin dieses offene Gesprächsforum.

Ausdrücklich unterstützt wurde diese Veranstaltung durch die Pröpste des Kirchenkreises Mecklenburg. „Wir sehen mit großer Betroffenheit, dass es oft nicht gelingt, im gemeinsamen Dialog der gesellschaftlichen Kräfte über die Fragen zu sprechen, die Menschen bewegen“, schrieben sie als Einladung zu diesem Forum. Die Kirche wolle im Dialog erfahren, welche Entwicklungen den Menschen Unbehagen bereite.

Die Veranstaltung dann war allerdings eher ein Treffen der sowieso schon Dialogwilligen und Informierten. Rund fünfzig Personen, überwiegend Mitglieder der verschiedenen Religionsgemeinschaften der Landeshauptstadt, waren der Einladung gefolgt. Als Pegida-Anhänger gab sich jedenfalls keiner zu erkennen.

Das sei auch nicht verwunderlich, meinte im Nachhinein Rudolf Hubert, im Vorbereitungskreis Vertreter der katholischen Propstei St. Anna Schwerin. Pegida stellt sich für ihn dar als eine Bewegung, für die religiöse Fragen nur als Kristallisationspunkt für wirtschaftliche und soziale Ängste dienen. „Wir arbeiten mit dem Offenen Forum zusammen, das das Gespräch mit den Pegida- Anhängern in dem Plattenbaugebiet Großer Dreesch sucht. Wir hingegen haben uns auf den religiösen Aspekt konzentriert“, sagte er auf Nachfrage.

Im Podium diskutierten der Katholik Rudolf Hubert, der evangelische Regionalpastor Holger Marquardt, Landesrabbiner William Wolff, Mohamed Dib Khanji vom Islamischen Bund und Haiko Hassan Hoffmann vom islamischen Zentrum, moderiert von Martin Innemann vom katholischen Rundfunkreferat. Der Vertreter der russisch-orthodoxen Kirche war kurzfristig verhindert. Schnell waren sich die Podiumsteilnehmer einig, dass niemand vor den Religionen Angst haben müsse. Der Moslem Haiko Hassan Hoffmann kritisierte, dass das Bild, das in den Medien vom Islam gezeichnet wird, nicht dem entspreche, was den Islam ausmacht. Der Katholik Rudolf Hubert betonte, dass die Christen ihre Lektion gelernt hätten und daher vor ihnen kein Schrecken mehr ausgehe. Zugleich verwies er darauf, dass Christen in vielen Teilen der Welt verfolgt werden.

Spannend waren die Antworten auf die Frage, ob die drei monotheistischen Religionen vor dem gleichen Gott stehen, wenn sie sich in ihren Moscheen, Synagogen und Kirchen zum Gebet versammeln. Landesrabbiner William Wolff verwies auf die gute Praxis, dass Christen und Juden außerhalb der Festtage sehr wohl gemeinsame Andacht und Gottesdienste feiern. Mohamed Dib Khanji erläuterte, dass der Islam aus der abrahamitischen Tradition kommt, aber für das gemeinsame Gebet an die Moscheen gewiesen ist. Deutlicher wurde Haiko Hassan Hoffmann: Er betonte, dass es nur einen Gott gebe – nämlich Allah mit seinem Propheten Mohammed.

Doch die Frage nach der theologischen Wahrheit wurde zurückgestellt zugunsten der Gemeinsamkeiten: „In Vielfalt stehen wir in Respekt nebeneinander, daher können wir auch gemeinsam beten und auch feiern“, meinte Pastor Holger Marquardt. So stellten die Podiumsteilnehmer übereinstimmend fest, dass Liebe und Gerechtigkeit zu den zentralen Gemeinsamkeiten der drei Religionen gehören. Dort, wo das gelebte Glaubenspraxis sei, müsse niemand Angst vor Religion haben.

Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 08/2015