In Stralsund und Rostock steigt die Diakonie jetzt in die Flüchtlingsarbeit ein Wenn „der Nächste“ aus Syrien kommt

Von Sybille Marx

Das Diakonie-Nachbarschaftszentrum in Stralsund Grünhufe zieht immer mehr Flüchtlinge an – mit Festen wie hier dem Erntedankfest, aber auch mit Tanzkursen, Tischtennisturnieren, Beratung und einem Umsonstladen.

Foto: T. Nitz

01.03.2015 · Stralsund/Rostock. In Syrien und im Irak toben blutige Kriege, Kommunen in MV stellen sich auf weitere Flüchtlinge ein. Die Diakonie packt mit an – und mobilisiert viele Ehrenamtler.

Nicht nur einmal haben Pegida-Anhänger in den vergangenen Wochen in Stralsund Stimmung gemacht gegen Ausländer. Doch gleichzeitig wächst in der Stadt ein breites Hilfsbündnis für Asylbewerber. Das Kreisdiakonische Werk Stralsund und der Landkreis Vorpommern-Rügen riefen vor Kurzem alle Haupt- und Ehrenamtlichen aus der Flüchtlingsarbeit auf, sich zu vernetzen. „Die Resonanz war überwältigend“, erzählt Bernd Röll, Flüchtlingsbeauftragter des KDW. Rund 60 Menschen seien gekommen, Vertreter des Landkreises, der Stadt, von Schulen, Vereinen und Initiativen. Gemeinsam hätten alle beraten, welche Hilfen die Neuankömmlinge brauchten und wer sie am besten leisten könnte. „Wir sind begeistert, was da jetzt wächst“, sagt Röll.

Wegen der blutigen Kriege in Syrien, im Irak und anderen Ländern sind laut Pro Asyl rund 45 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht. Ein winziger Teil von ihnen soll nach MV kommen, hier auf die Landkreise verteilt werden. In Stralsund leben bisher rund 200 Asylbewerber in zwei Heimen, im Laufe des Jahres sollen rund 200 weitere ankommen, über 1000 im gesamten Kreis; nach langer harter Flucht, vermutlich traumatisiert und ohne Deutschkenntnisse.

„Die Vernetzung ist da extrem wichtig, der Kreis kann nicht alles leisten“, sagt Kati Bischoff , Integrationsbeauftragte des Landkreises Vorpommern- Rügen. Zumal er für manches gar nicht zuständig sei. „Christen aus Syrien und dem Irak bekommen im Moment innerhalb von sieben bis elf Tagen eine Aufenthaltserlaubnis“, erklärt sie. Eigentlich ein Glücksfall für die Betroffenen. „Aber der Status bedeutet auch, dass sie ab da offiziell auf sich allein gestellt sind.“

In Rostock sprang kürzlich die Diakonie-Stadtmission in die Bresche, um sechs solcher Syrer zu betreuen. „Das Sozialamt der Stadt hat uns darum gebeten, wenige Tage später waren die Leute schon da“, erzählt Hartwig Vogt vom Integrativen Betreuungszentrum der Stadtmission. Das kommunale Wohnungsunternehmen habe zwei möblierte WGs bereitgestellt. Nun kümmern sich zwei Sozialarbeiter der Stadtmission mit halber Stelle um die Bewohner, bezahlt von der Stadt.

„Das ist schon eine Aufgabe“, sagt Hartwig Vogt. Denn die Flüchtlinge müssten erstmal verarbeiten, was passiert sei, gleichzeitig beim Jobcenter Leistungen beantragen, in die Krankenversicherung eintreten, anfangen, Deutsch zu lernen…. „Wir haben gesagt, wir übernehmen die Betreuung, auch wenn wir das noch nie gemacht haben“, sagt Vogt. „Zu helfen ist doch unsere Aufgabe.“

Ähnlich sieht es Bernd Röll in Stralsund. „Wir wollten ganz konkret Lösungen für die Menschen vor Ort suchen“, erzählt er. Und das sei auch gelungen. So sei beim Vernetzungstreff en etwa die Idee aufgekommen, pensionierte Ärzte für wöchentliche Flüchtlingssprechstunden zu gewinnen. „Viele praktizierende Ärzte sagen, sie könnten es sich nicht leisten, Asylbewerber zu behandeln, weil das wegen der Sprachprobleme so lange dauern würde“, erklärt Röll.

Auch für das Problem, dass nur Flüchtlinge mit einem geklärten Status das Recht auf Deutschkurse bei der Volkshochschule haben, zeichne sich eine Lösung ab: Die Volkshochschule habe angeboten, die Anfragen anderer Neuankömmlinge an Ehrenamtliche zu vermitteln. Röll wiederum hat beim KDW einen Kreis von Freiwilligen gegründet, die Asylbewerbern helfen wollen; etwa beim Deutschlernen, bei Schwierigkeiten mit Formularen, beim Einkaufen oder auch, indem sie Freizeitangebote für die Kinder machten. 18 Ehrenamtliche gebe es schon, viele weitere engagierten sich bei der linken Organisation Rock gegen Rechts, „und praktisch täglich werden es mehr.“

Die Diakonie selbst hat auf die steigenden Flüchtlingszahlen mit der Schaffung einer neuen Stelle reagiert: Seit dem 1. Februar arbeitet erstmals eine Migrationsberaterin mit halber Stelle beim KDW, bezahlt aus Bundes- und Landesmitteln. „Wir haben einfach gesehen, dass so viel zu tun ist“, sagt Bernd Röll. „Und wer, wenn nicht die Diakonie sollte es anpacken.“

Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 09/2015


Wer Lust hat, zu helfen, melde sich bitte bei Bernd Röll, Tel.: 0172 2455263, bernd.roell@tonline.de