In Stralsund luden Christen der Stadt zum Kreuzweg in die Einkaufsstraße Ökumenisch unterwegs

Von Anja Goritzka

Mitten durch die Einkaufsbummelzone trugen Vertreter der großen Kirchengemeinden Stralsunds das Kreuz. Sie zogen Blicke von Passanten auf sich und fanden manch heimlichen Zuhörer.

© A. Goritzka

06.04.2014 · Stralsund. Die Passionszeit nähert sich ihrem Höhepunkt: Karfreitag. Viele Kirchengemeinden machen Angebote, um den Menschen Jesu Leidensweg nahe zu bringen. Es erklingen Passionsmusiken. Der Ökumenische Jugend-Kreuzweg begann am 22. März. In Stralsund luden Christen der Stadt nun mitten am verkaufsoffenen Sonntag zu einem Experiment.

Wir wollen uns bewusst zeigen. Da bietet sich ein verkaufsoffener Sonntag an“, sagt Pastor Christoph Lehnert von der evangelischen Marienkirche Stralsund. Bereits seit 25 Jahren gehen Jugendliche in der Fastenzeit in Stralsund den „ökumenischen Kreuzweg der Jugend“ quer durch die Stadt von Kirche zu Kirche. Aber junge und ältere Christen zusammen – das ist neu. Gemeinsam gingen am vergangenen Sonntag also Mitglieder aller christlichen Kirchen Stralsunds den Kreuzweg, um an die Leiden Jesu Christi zu erinnern. Sie taten es jedoch nicht in einer der vier großen Kirchen, sondern schritten für viele Bürger sichtbar durch die Innenstadt.

Diesmal lasen Vertreter dieser Kirchen an acht Stationen den Leidensweg Jesu anhand unterschiedlicher Bibelstellen laut vor und wiesen durch ein gemeinsames Gebet auf die Besonderheit des Verweilortes hin. So war eine Station an einem Haus in der Langen Straße, an dem ehemals die Stralsunder Synagoge stand – bis zur Pogrom-Nacht 1938. Heute erinnert nur eine kleine unscheinbare goldene Plakette daran.

In der Ossenreyerstraße, der Fußgängerzone Stralsunds, befand sich ein Halt sehr zentral. Hier liegen vier Stolpersteine. Diese waren 2006 die ersten, die in der Stadt an der Ostsee verlegt wurden und erinnern an ein Textil-Kaufmann-Ehepaar und zwei weitere Kaufmänner der Stadt, die unter den Nazis litten. Auch Pastor Hanns-Peter Neumann erinnerte am West-Tor seiner Kirche St. Nikolai an die Irrungen der nationalsozialistischen Zeit. „Wir müssen aber auch heute ein Zeichen gegen das Ungemach setzen, das wieder in manchen Köpfen anfängt, herum zu spuken“, so der Pastor.

An der Kulturkirche St. Jakobi hielt der Menschenzug am Tschernobyl- Denkmal. Angemahnt wurde hier der Umgang mit der Atomkraft in unserer heutigen Welt. „Wir müssen uns immer wieder die Fragen stellen, wie wir miteinander als Menschen umgehen und wie wir mit unserer Schöpfung umgehen“, so Christoph Lehnert. Nicht nur Tschernobyl, sondern auch Fukushima nahm der Pastor dabei in den Blick.

Zweieinhalb Stunden waren die Stralsunder Christen in der Stadt sicht- und hörbar und auch einige Fußgänger blieben an so mancher Station stehen, um neugierig zu hören, was gesagt wird. So setzten die Gemeindemitglieder ein deutliches Zeichen ihres Glaubens.

Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 14/2014