Von der Wiege bis zur Bahre In Ludwigslust werden berufsbegleitend Gemeindepädagogen ausgebildet

Von Marion Wulf-Nixdorf

Sabine Schlüter (li) aus Hamburg und Anke Holzapfel aus Klein Helle

Foto: M. Wulf-Nixdorf

24.08.2014 · Ludwigslust.

Anke Holzapfel (47) aus Klein Kelle bei Röbel ist gelernte Krankenschwester, hat lange in ihrem Beruf gearbeitet, „total gern“, wie sie sagt, aber nach der Geburt der drei Töchter war Schichtdienst nicht mehr drin. Sie war dann in einer Arztpraxis tätig, da war sie unzufrieden mit der „Akkordarbeit“, zu wenig Zeit für den einzelnen Menschen. Nebenher machte sie 2008 eine Ausbildung bei Caritas und Diakonie zur ehrenamtlichen Hospizhelferin. Aber es war neben dieser ehrenamtlichen Arbeit klar: „Ich will noch einmal etwas anderes machen.“

Nun hat Anke Holzapfel bereits den zweijährigen Grundkurs „Arbeit mit Kindern und Familien“ unter Praxisbegleitung von Gemeindepädagogin Gudrun Bünning abgeschlossen. Sie hat die Teilprüfung hinter sich und absolviert den Aufbaukurs – der ebenfalls zwei Jahre läuft. Hier sind ihre Mentoren in der Erwachsenenarbeit Pastorin Lia Müller in Satow/Grüssow und Pastor Eckart Kändler in Malchow sowie in der Jugendarbeit Martina Domann aus Güstrow. Ab September wird sie schon eine Vertretungsstelle als Gemeindepädagogin in Massow antreten. Sicher eine spannende Zeit, in der sie Theorie und Praxis noch einmal besonders in Einklang bringen kann. In der Theorie müsse man seinen Werkzeugkasten voll kriegen, mit dem man dann loszieht, verbildlicht Studienleiterin Cornelia Mikolajczyk das Ziel.

Anke Holzapfel ist begeistert von der Ausbildung – auch wenn die Prüfung nach zwei Jahren Grundkurs „der Hammer waren – wenn man schon im Beruf war“. „Man bekommt nichts geschenkt in den Prüfungen hier, aber man wird durchgetragen“, fügt Sabine Schlüter hinzu. Auch die 54-Jährige aus Hamburg nimmt an der Ausbildung teil, die nordkirchenweit die einzige berufsbegleitende für Gemeindepädagogen ist. „Ich wollte mir einen Traum erfüllen“, sagt die Betriebswirtin und Coach (jemand, der Menschen berät, begleitet, berufliche Perspektiven zu fördern), die acht Jahre in Kanada und Amerika gearbeitet hat, Erfahrungen im Diakonischen Werk, in der Altenhilfe und im Familienbetrieb gesammelt hat. Sabine Schlüter hatte mit Ende 20 schon einmal zwei Semester Theologie in Frankfurt/Main studiert, schreckte dann aber zurück, weil „ich nicht realisiert hatte, dass das sehr wissenschaftlich ist und mit gelebtem Glauben wenig zu tun hat“.

Jetzt sind die beiden Kinder aus dem Haus, sie ist längst Kirchenvorstand in ihrer Gemeinde in Blankenese und erfüllt sich mit dieser Ausbildung einen Traum. Sie will einmal nicht in einer Gemeinde arbeiten, sondern ihr Wissen aus diesem Studium mit ihrer Tätigkeit als Coach verbinden. Studienleiterin Cornelia Mikolajczyk ist begeistert: Genau das wird auch gebraucht, zum Beispiel beim Thema Inklusion, aber auch in allen anderen Arbeitsfeldern, in denen Gemeindepädagogen tätig sind: In der Kinder-, Familien-, Jugend-, Seniorenarbeit – eben von der Wiege bis zur Bahre.

Ausbildung steht auf drei Säulen

Die Ausbildung steht auf drei Säulen, erklärt Frau Mikolajczyk. Die Theorie wird in Ludwigslust unterrichtet, wo man sich alle vier bis sechs Wochen von Donnerstagabend bis Sonntagmittag trifft, vier Jahre lang. Die Dozenten kommen vorrangig von den Universitäten Rostock und Hamburg, es sind aber auch Praktiker wie für Seelsorge an Kindern, Öffentlichkeitsarbeit oder in Psychologie. Die Ausbildungsgruppe selbst ist Ausbildungsgegenstand: Sie kann wichtiger Rückhalt für den Einzelnen sein, ist ein geschützter Erprobungsraum und geistliche Gemeinschaft.

Die zweite Säule ist die Praxis in einer Gemeinde, für die Mentoren vor Ort zur Verfügung stehen. Hier werden theoretische Grundlagen in die Praxis umgesetzt. Dort sind auch die Regionalreferenten der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen begleitend tätig. Die dritte Säule ist das Selbststudium.

Bei den eintägigen Aufnahmeverfahren wird auf Kontakt- und Kommunikationsfähigkeit geachtet, ob die Bewerber „bei sich sind und von sich absehen können“, wie ihre Einstellung zu Kindern ist, erklärt Cornelia Mikolajczyk, die mit Studienleiterin Anne-Rose Wergin ihr Büro in Ludwigslust hat.

Die Ausbildung verantwortet das Pädagogisch- Theologische Institut (PTI) der Nordkirche. Das PTI hat in der Nordkirche drei Standorte (Kiel, Hamburg; Greifswald und Ludwigslust bilden einen Standort mit zwei Arbeitsstätten). Das PTI wird von Hans Ulrich Keßler in Hamburg geleitet. Die Standorte haben jeweils eine stellvertretende Leitung, die den Berufsquerschnitt und die Gemeinschaft der Dienste widerspiegelt: In Hamburg eine Pastorin, in Kiel eine Lehrerin, in MV eine Gemeindepädagogin. Die Aufgabe des Institutes ist es, religionspädagogische Aus-, Fort-und Weiterbildungen anzubieten, religiöse Lernprozesse und ihre Bedingungen zu ergründen, zu reflektieren und in und für Schule und Gemeinde weiterzubilden.

In MV arbeiten drei Studienleiterinnen für den Religionsunterricht und vier für die Gemeindepädagogik. Dabei ist der Wirkungsradius nicht auf MV beschränkt. Die Angebote sind mit den jeweiligen Themen für das gesamte Nordkirchengebiet.

Durch die Fusion der drei Landeskirchen Nordelbien, Mecklenburg und Pommern vor zweieinhalb Jahren kommen auch verschiedene Traditionen und Verständnisse von Gemeindepädagogik und den Professionen der Diakone und Gemeindepädagogen zusammen. Im PTI ist in den Zielsetzungen verankert, dass es einen Verständigungsprozess über Gemeindepädagogik gibt. Deutlich wird dies auch dadurch, dass mit der Fusion der pädagogischen Institute dieser Arbeitsbereich gestärkt wurde und dieser Prozess einen hohen Stellenwert hat, betont Cornelia Mikolajczyk.

Zur Zeit läuft bereits der 5. Grundkurs nach dem Jahr 2000. Insgesamt 59 Teilnehmer haben bisher den Grundkurs abgeschlossen, 51 den Aufbaukurs. 22 sind zurzeit in der Ausbildung – aus allen Berufen, zum Beispiel ein Clown, eine Tänzerin, Erzieherinnen, Friedhofsarbeiter, Küster, Rechtsanwaltsgehilfin... Sie kommen nicht nur aus dem Bereich der Nordkirche, es gibt auch Teilnehmer aus Thüringen und Brandenburg, sogar einer aus dem Westerwald. 

Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 34/2014


Nächster Ausbildungsbeginn

Der nächste Ausbildungskurs beginnt im September 2015. Die Gemeindepädagogische Fachschulausbildung ist berufsbegleitend. Sie dauert insgesamt vier Jahre: Zwei Jahre Grundkurs mit dem Schwerpunkt Arbeit mit Kindern und Familien, zwei Jahre Aufbaukurs mit den Schwerpunkten Arbeit mit Konfirmanden und Jugendlichen, Arbeit mit Erwachsenen, Öffentlichkeitsarbeit. Unterrichtsfächer: Altes und Neues Testament, Systematische Theologie, Kirchengeschichte, Biblische Theologie, Allgemeine Pädagogik, Religionspädagogik, Gemeindepädagogik, Psychologie, Seelsorge, Liturgie und Gottesdienst. Öffentlichkeitsarbeit. Aufnahmebedingungen: Realschulabschluss, abgeschlossene Berufsausbildung, Mitglied einer Kirche, die in der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen ist, Bereitschaft, sich auf Lernprozesse einzulassen. Kosten: 25€/ Tag (incl. Übernachtung, Vollverpflegung, Kursgebühren) Auskünfte: Studienleiterin Cornelia Mikolajczyk, cornelia.mikolajczyk@pti.nordkirche.de, Tel: 03874-417615; Studienleiterin Anne-Rose Wergin; anne-rose.wergin@pti.nordkirche.de; Tel: 03874-427618