In Güstrow wurden 1984 zwei Männer von einem Stasi-Mann erschossen "Die Stadt war wie gelähmt"

Von Anne-Dorle Hoffgaard

24.10.2013 · Güstrow. Vor knapp 30 Jahren erschoss ein Stasi-Wachmann im mecklenburgischen Güstrow zwei junge Männer. Die Tat wurde vom DDR-Geheimdienst und staatlichen Stellen vertuscht. Erst nach der Wende wurde der Täter verurteilt. Jetzt ist ein neuer Gedenkstein für die Opfer geplant.

Am 21. Dezember 1984 verlassen drei junge Männer nach einer feuchtfröhlichen Weihnachtsfeier des Landmaschinenbaus eine Gaststätte in der Straße der Befreiung (heute: Neukruger Straße), um kurz nach 23 Uhr den letzten Bus nach Hause zu bekommen. Ihr Weg führt sie an der Stasi-Kreisdienststelle vorbei. Einer kommt auf die Idee, die Mauerumzäunung des Geheimdienstgebäudes zu besteigen. Das ruft einen angetrunkenen Stasi-Wachmann auf den Plan, der im Dienst seinen Geburtstag mit anderen Mitarbeitern nachfeierte.

Als der Stasi-Mann weit außerhalb seiner Dienststelle die Ausweise der drei jungen Männer einsehen will, kommt es zu Rangeleien. Völlig unerwartet zückt er seine Pistole und schießt aus Nahdistanz auf die drei Unbewaffneten. Ein 30-Jähriger stirbt kurz darauf, ein weiterer 30-Jähriger erliegt drei Tage später seinen Unterleibsverletzungen. Der dritte junge Mann überlebt, hat aber seither ein verkürztes Bein.

"Nach diesem furchtbaren Geschehen war die Stadt Güstrow wie gelähmt. Die Gerüchteküche brodelte", erinnert sich der Bürgerrechtler und Theologe Heiko Lietz (70), der damals dort lebte. Von staatlicher Seite sei sofort strikteste Informationssperre verhängt worden. Die Angehörigen seien massiv unter Druck gesetzt worden, nichts anderes zu verbreiten, als von offiziellen Stellen mitgeteilt wurde. Und die von staatlicher Seite verbreitete Legende besagte, dass der Stasi-Wachmann in Notwehr gehandelt habe, als er am Stasi-Objekt eine Provokation verhindern wollte.

Heiko Lietz: "Der Friedhof war voll von Stasi"

Doch Heiko Lietz, der damals unter Beobachtung des Geheimdienstes stand, hatte durch Bekannte schon einen Tag nach der Tat von dem Verbrechen erfahren. Er konnte noch im Krankenhaus mit einem Verletzten über das Geschehene sprechen. Er besuchte die hinterbliebenen Witwen der beiden getöteten Familienväter und nahm auch an den Trauerfeiern auf dem Güstrower Friedhof am 28. Dezember 1984 teil. "Der Friedhof war voll von Stasi."

Dass die evangelischen Pastoren in Güstrow am Heiligen Abend nicht den Mut aufbrachten, das Ereignis in den Christvespern zur Sprache zu bringen, habe ihn sehr betrübt.  Erst eine Woche später sei das Ereignis auch in den Gottesdiensten thematisiert worden.

Als Lietz selber am 2. Januar 1985 in der Güstrower Pfarrkirche bei einem Friedensgebet der Opfer und der Angehörigen gedenkt, handelt er sich ein viertägiges Verhör ein. Doch es sei zu keinem Ermittlungsverfahren gekommen. Lietz vermutet, dass ein Staatsanwalt, der in der Nähe des Tatortes wohnte, die Tat selbst gesehen hat. Auch habe sich Landesbischof Christoph Stier für den ehemaligen Pastor Lietz stark gemacht.

Gedenkstein geplant

Fünf Jahre nach den Schüssen wurde am 22. Dezember 1989 an der Todesstelle im Beisein von über 1.000 Menschen ein Gedenkstein eingeweiht mit der Aufschrift "Den Opfern der Gewalt. 1949-1989". Eine darüber angebrachte Holztafel, die an die beiden Todesopfer erinnerte, ist im Laufe der Zeit verschwunden. Der Stasi-Wachmann wurde 1990 vom Landgericht Berlin (West) wegen Totschlags zu zehn Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.

Nun gibt es eine Initiative, dort ein weiteres Gedenkzeichen zu errichten. Geplant ist ein Sühnestein mit erläuternder Hinweistafel. Über eine entsprechende Beschlussvorlage beraten die Güstrower Stadtvertreter am Donnerstagabend (24. Oktober). Geplant ist, den Stein am 30. Jahrestag des Geschehens, am 21. Dezember 2014, feierlich einzuweihen.

Quelle: epd