Harald Tschirpke will als ehrenamtlicher Prediger den Glauben anderer stärken "Ich will etwas zurückgeben"

Auf der Kanzel von Semlow: Harald Tschirpke, der einzige Prädikant aus Pommern, der 2017 abschloss.

Foto: Doris Geier

13.05.2018 · Semlow/Eixen. Predigen ist für ihn Ehrensache: Seit einem Jahr arbeitet Harald Tschirpke, 64, als Prädikant in der Gemeinde Semlow-Eixen. Mit 24 anderen aus der Nordkirche hat er die berufsbegleitende Ausbildung für dieses Ehrenamt absolviert, am 27. Mai wird er in Eixen offiziell berufen. Dann heißt es bald wieder: ab auf die Kanzel! Mit ihm sprach Sybille Marx.

Was ist das für ein Gefühl, wenn Sie eine eigene Predigt halten?

Harald Tschirpke: Das ist ein spannendes Erlebnis. Man steht da und guckt in die verschiedensten Gesichter: Manche sehen gelangweilt oder müde aus, andere ganz erwartungsvoll, einige nicken zustimmend. Am schönsten finde ich, wenn nach dem Gottesdienst Leute zu mir kommen und sagen: Mensch, das war toll, klasse! Oder: Es war gut, was über den geschichtlichen Kontext zu lernen. Es gibt immer ein paar Gemeindeglieder, die mir Rückmeldung geben, das ist schön.

Was sollen die Zuhörer mitnehmen aus Ihren Predigten?

Etwas, das ihnen guttut. Einmal habe ich über das Thema Zusammenleben und Zusammenhalt gepredigt, auch bezogen auf die Ehe. Nachher kam ein Mann zu mir und hat gesagt: Mensch, wenn ich das früher gehört hätte, wäre ich vielleicht noch mit meiner Frau zusammen. Und dann hatten wir ein längeres Gespräch. Ich hoffe immer, dass Menschen aus der Predigt etwas für sich nutzen können.

Wie schwer oder leicht fällt es Ihnen, eine Predigt zu erarbeiten?

Das braucht viele Stunden, und nicht so zwischen Tür und Angel. Es kann auch sein, dass ich eine Predigt, die schon fertig war, noch mal neu schreibe, weil ich etwas erlebt oder erkannt habe, was ich unbedingt noch reinbringen will. Aber das macht mir Spaß. Ich habe vor 30 Jahren schon Geschichten für eine Jagdzeitschrift geschrieben. Das ist zwar ein gewaltiger Unterschied, aber am Schreibtisch zu sitzen und etwas zu formulieren, fällt mir generell nicht so schwer.

Was hat Sie dazu gebracht, Prädikant werden zu wollen?

Ich wollte etwas zurückgeben von dem, was Gott mir Gutes getan hat. Mir ging es immer gut, ich stand finanziell auch immer gut da, war erst Elektriker-Meister und später Mitarbeiter in der Diakonie in Hamm bei Dortmund, habe dort mit alkoholkranken Menschen gearbeitet. Ich hatte nie wirklich Probleme. Und der Glaube hat mich ein Leben lang begleitet, in Westfalen gehört die Kirche ja selbstverständlich zum Alltag, ganz anders als hier. Ich war als Kind im Gottesdienst, habe später als Helfer im Kindergottesdienst mitgearbeitet, habe mich konfirmieren lassen. Persönlich habe ich immer wieder erlebt, dass man sich an Gott wenden kann, wenn man Hilfe braucht, dass einem geholfen wird. Als Prädikant kann ich jetzt Gott helfen, den Glauben anderer zu stärken.

Wie hat sich Ihr Bild von Gott und der Bibel im Laufe des dreijährigen Prädikantenkurses verändert?

Gar nicht so sehr. Dass Gott existiert und dass er uns beistehen will, daran habe ich immer geglaubt und tue es noch. Aber natürlich haben wir im Kurs viel diskutiert, über Tod und Leben, über alles, was uns Teilnehmer beschäftigt hat. Und ich habe viel gelernt. Wir haben uns ja nicht nur mit dem Gottesdienstablauf beschäftigt, sondern auch die Grundlinien des Neuen Testaments erarbeitet –an zwei Wochenenden, das war schon sehr gestrafft. Aus dem Alten Testament haben wir nur sehr wenig gelesen.

Würden Sie anderen den Ausbildungskurs empfehlen?

Ja. Ich habe da auch sehr nette Menschen kennengelernt, mit denen ich noch in Kontakt bin. Aber es sollte einem bewusst sein, dass die Ausbildung sehr aufwendig ist. Es ist ja bei Weitem nicht damit getan, dass man in den drei Jahren einmal im Monat die dreitägigen Seminare in Ratzeburg besucht. Man muss auch bereit sein, abends oder an den anderen Wochenenden Texte zu lesen, Dinge nachzuarbeiten. Einmal im Monat hatte ich Gespräche mit meinem betreuenden Pastor Christian Höser in Güstrow, und am Ende muss man zehn Abschlussgottesdienste von anderen Ausbildungskandidaten besuchen, das ist eine schlimme Fahrerei! Ich war der einzige Teilnehmer aus Pommern, musste da vom östlichen Rand der Nordkirche oft nach Hamburg fahren, einmal sogar bis zur dänischen Grenze. Vorher hatte ich aber überlegt, Theologie zu studieren. Das hätte mindestens sechs Jahre gedauert, und zum Examen wäre ich 65 gewesen, wer hätte so einen alten Pastor noch haben wollen…?

Wie ist das für Sie, wenn Sie jetzt Gottesdienst halten und nur eine Handvoll Leute da sind?

Gute Frage! Es ist tatsächlich so, dass in der Gemeinde Semlow-Eixen mit ihren 460 Gemeindegliedern, verteilt auf 19 Dörfer, meist nur sechs, sieben Leute zum Gottesdienst kommen – was mich und meine Frau am Anfang etwas geschockt hat, denn in Hamm war das völlig anders. Ich denke, dass vor allem die Älteren, Gebrechlichen es nicht gut schaffen, den Weg zurückzulegen. Und generell kommen ja fast nur Ältere. Es ist schon traurig und auch etwas ärgerlich, wenn man sich so viel Mühe gegeben hat mit der Predigt, vielleicht noch herumtelefoniert hat, um einen Organisten zu finden. Aber als ich vor Kurzem in Leplow Gottesdienst hielt, war die Kirche fast voll! Ich weiß nicht, ob die neugierig dachten, nun wollen wir mal sehen, wie der Tschirpke das macht. Es hat mich jedenfalls sehr gefreut, und ich hoffe, dass ich das öfter erlebe!

Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 19/2018


Info

Am Sonntag, 27. Mai, 10 Uhr, wird Harald Tschirpke in einem Festgottesdienst in Eixen in sein Amt berufen. Danach gibt es Kaffee im Pfarrhaus.