Bischof Abromeit über widerständige Christinnen in der DDR: "Helga Krummacher ist eine Kirchenmutter“

Finissage Schlusssegen der Wanderausstellung „…von gar nicht abschätzbarer Bedeutung – Frauen schreiben Reformationsgeschichte“ im Greifswalder Dom

Foto: A. Klinkhardt

09.10.2017 · Greifswald. Um Frauen, die sich „nicht dem Trott der Masse ergaben“, ging es in der Predigtansprache von Bischof Dr. Hans-Jürgen Abromeit am Sonntag (8. Oktober) im Greifswalder Dom. Im Rahmen eines Festgottesdienstes mit anschließendem Empfang wurde die Finissage der Wanderausstellung des Frauenwerkes der Nordkirche „…von gar nicht abschätzbarer Bedeutung – Frauen schreiben Reformationsgeschichte“ gefeiert.

Neben dem Greifswalder Bischof beteiligten sich an der Veranstaltung die Hamburger Altbischöfin Maria Jepsen als Schirmherrin der Ausstellung, Pastorin Ulrike Koertge, Leiterin des Frauenwerkes der Nordkirche, und Dr. Jens Ahlers, Direktor der Schleswig-Holsteinischen Landesbibliothek. Diese ist Kooperationspartnerin der Ausstellung. Auf beleuchteten Stelen werden Frauen vorgestellt, die in den vergangenen 500 Jahren im Bereich der Nordkirche reformatorisch gewirkt haben. Sieben Frauen aus Pommern sind dabei: Unter ihnen die Diakoniegründerin Johanna Odebrecht, deren Vermächtnis in der Johanna-Odebrecht-Stiftung bis heute fortlebt, Stephanie Mackensen von Astfeld, die als einzige weibliche Delegierte 1934 die Barmer Theologische Erklärung der Bekennenden Kirche mit verabschiedete und die Förderin der Seemannsmission Adeline Gräfin von Schimmelmann.
 
Eine mutige Protestantin zu DDR-Zeiten war Helga Krummacher (1909-1973): Pädagogin, Predigerin, Mutter von sieben Kindern und Ehefrau von Bischof Friedrich-Wilhelm Krummacher. Bischof Abromeit zitierte aus ihrem Grabspruch aus dem Johannesevangelium: „‘Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht‘. Das Wort Jesu passt zu dieser mutigen und widerständigen Frau. Als sich abzeichnete, dass in der sowjetischen Besatzungszone unter dem Regime Grotewohls und Ulbrichts auch auf Dauer keine christliche Unterweisung und Erziehung mehr im öffentlichen Raum möglich sein würde, war das für Helga Krummacher nicht Grund zur Resignation, sondern zur Aktion.“ Sie entwickelte ein Konzept zur Ausbildung junger Frauen zu „Kinderdiakoninnen“ und rief das Greifswalder Seminar für kirchlichen Dienst (SKD) ins Leben. Ab 1956 wurden dort junge Frauen ausgebildet für den Einsatz in der Kirche: in der kirchlichen Verwaltung, in den Gemeinden, in Kindergärten und der Pflege. Heute bietet das SKD Frauen und Männern als eine der ersten Fachschulen in Deutschland eine reformpädagogische und religionspädagogische Ausbildung an.
 
Bischof Abromeit meinte: „Ganz im Sinn von Helga Krummacher lernen die jungen Menschen, sich einzumischen. Sie erleben, dass sie selbst Akteurinnen und Akteure ihrer Ausbildung sind und bekommen zugleich vermittelt, auch die ihnen anvertrauten Kinder auf diese Weise zu prägen. Das ist ein bleibendes Erbe und eine bestehende Herausforderung, die uns von reformatorisch gesinnten Frauen wie Helga Krummacher gestellt sind. Wir sind aufgerufen, uns nicht dem Trott des Gewöhnlichen zu ergeben. Wenn wir unseren Glauben lebendig und kräftig vertreten, wandeln wir in den Spuren von Frauen im Widerstand gegen einen antichristlichen Sozialismus.“

Gedenktafel für Helga Krummacher?

Bischof Abromeit nannte Helga Krummacher eine „Kirchenmutter“ und schlug vor, dass die Nordkirche eine Gedenktafel für sie errichten solle: „Mit Helga Krummacher würden dann auch viele Frauen und besonders auch Pfarrfrauen geehrt, die einen Dienst ‚von gar nicht abschätzbarer Bedeutung‘ für das Leben und das Wachstum unserer Kirche geleistet haben. Das ist überfällig.“
 
65 000 Menschen haben die Wanderausstellung bereits besucht. Die Schau des Frauenwerkes war zwei Jahre lang in den 13 Kirchenkreisen der Nordkirche zu sehen und ließ an allen Orten einen regionalen Bezug aufleuchten. Das Motto stammt aus einer Zeitschrift der 1950-er Jahre: „Ein Ereignis von gar nicht abschätzbarer Bedeutung“ titelte die Illustrierte „Quick“, als Elisabeth Haseloff 1959 in Lübeck erste Pastorin Deutschlands wurde.
 
„Eine vergessene Geschichte wird langsam aufgedeckt“, würdigt Bischöfin i. R. Maria Jepsen die Ausstellung. „Auch wenn viele Biografien und Zeugnisse ignoriert und zerstört wurden - wie schon in biblischer und kirchengeschichtlicher Zeit vorher - so lassen sich heute doch noch Spuren finden von dem, was Frauen im privaten und öffentlichen Leben bewirkt haben.“ Über 100 Ehren- und Hauptamtliche haben aus Archiven, Kirchenbüchern und ihrer persönlichen Erinnerung Biografien von fast 60 Frauen erforscht. An allen Ausstellungsorten waren bei der Recherche, bei Führungen und begleitenden Veranstaltungen über 300 Ehrenamtliche aktiv. Rund 70 dieser ehrenamtlichen Kirchenhistorikerinnen reisten in Bussen von Kiel nach Greifswald, um die Finissage mitzuerleben.
 
Bis zum 5. November ist die Ausstellung im Greifswalder Dom noch zu sehen.

Quelle: Bischofskanzlei Greifswald (ak)