Nordkirche will Erinnerungs- und Gedenkstättenarbeit bündeln Heilende Kraft des Erinnerns

Von Tilman Baier

Den Opfern zweier Diktaturen gewidmet: Gedenktafel im Eingangsbereich der Mahn- und Gedenkstätte Fünfeichen, Neubrandenburg.

Foto: wikimedia

02.03.2014 · Schwerin. Ein großes stürzendes Holzkreuz, nur gestützt durch ein Rohr, ist das Wahrzeichen der Mahn- und Gedenkstätte Fünfeichen. Hier, am südlichen Stadtrand von Neubrandenburg, wurde auf einem Truppenübungsplatz zu Beginn des Zweiten Weltkrieges ein Kriegsgefangenenlager errichtet.

Als am 29. April 1945 die Rote Armee das Lager Fünfeichen erreichte, fand sie 15 000 Gefangene vor. Insgesamt zählt die Lagerchronik 70 000 Kriegsgefangene aus elf Ländern, von denen 6 500 die Gefangenschaft nicht überlebten. Doch die als Befreier kamen, nutzen nun selbst das Gelände als NKWD-Speziallager Nr 9. Mehr als 15 000 Deutsche, darunter auch Jugendliche und 400 Frauen, wurden hier von 1945 bis 1949 vom sowjetischen Geheimdienst gefangen gehalten, mindestens 4 900 von ihnen kamen ums Leben.

Längst nicht alle Inhaftierten hatten zu den Stützen des untergegangenen nationalsozialistischen Staates gehört. Hier wurden auch willkürlich Verhaftete oder böswillig Denunzierte eingeliefert. Wer frei kam, wurde zum Schweigen verpflichtet.

Einer von den hier gefangenen Jugendlichen war der spätere Stargarder Landessuperintendent Kurt Winkelmann ( 1996). Nach dem Fall des SED-Regimes war er Mitbegründer einer Arbeitsgemeinschaft, die sich seit 1992 um die Aufarbeitung der Geschichte dieses Lagers bemüht und eine Gedenkstätte errichtete. So wie er widmeten und widmen sich etliche andere aus dem Bereich der Kirchen in MV einer neuen Kultur des Gedenkens an die Opfer zweier Diktaturen.

Nun will auch die Nordkirche als Institution dieses Erinnern gesamtkirchlich zum Thema machen. Die engagierte Arbeit an unterschiedlichen Orten der Nordkirche soll zukünftig enger aneinander gebunden und durch ein Fachgremium begleitet werden. Dazu wurde im Auftrag der Kirchenleitung ein neues Konzept erstellt. Für die Koordination der Erinnerungs- und Gedenkstättenarbeit ist die Evangelische Akademie der Nordkirche zuständig.

Wichtiger Teil des Konzeptes ist die Förderung pädagogischer Arbeit. „Ohne Bildungsarbeit keine Gedenkstätte. Es geht um ein Lernen aus der Geschichte, das verbunden ist mit der Erneuerung der Beziehungen in der Gegenwart im Zeichen von Gerechtigkeit, Frieden und Menschenwürde“, heißt es in dem Papier. Zwar gebe es eine unterschiedliche Erinnerungskultur im West- und im Ostteil der Nordkirche. Doch dieser Unterschied soll als gegenseitige Bereicherung wirksam werden. Bischof Andreas von Maltzahn (Schwerin) betonte bei der Vorstellung: „Im Erinnern liegt heilende Kraft. Wir müssen uns unserer Geschichte im Guten, wie im Schlechten stellen und aus ihr lernen. Das entspricht dem biblischen Auftrag“. Damit leiste die Nordkirche einen wichtigen Beitrag für die gesamte Gesellschaft.

Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 09/2014