Ein langer Weg zum Taufbecken Greifswalder Domgemeinde taufte Iraner Kirchenasylanten

Von Christine Senkbeil

20.09.2015 · Greifswald. Das Glaubensbekenntnis auf Persisch ist im Greifswalder Dom nicht alle Tage zu hören. Am Taufstein standen am Sonntag zwei Flüchtlinge aus dem Iran, die Christen werden wollten. Sechs Wochen Kirchenasyl und eine lange Reise liegen hinter ihnen.

Shirin schmunzelt, als sie die Taufkerzen für Pegah und Shahrooz sieht. Ein Regenbogen, Zeichen der Hoffnung. „Im Iran regnet es nicht so oft “, sagt sie lächelnd. Shirin Mousakhani spricht die Sprache der Täuflinge und übersetzt, als die beiden im Gottesdienst am Sonntag im Dom aufgeregt vor dem Taufstein stehen.

Bis dort war es ein weiter Weg für das junge Paar aus dem Iran. In ihrer Heimat hatten sie Armenische Christen kennengelernt – dort eine verfolgte Minderheit. Die Bibel mit ihren Geschichten zog sie an: Shahrooz, die in einem Architekturbüro arbeitete. Und ihren Freund Pegah, der Physiotherapeut war, aber inzwischen in einem Handyladen arbeitete. Frieden, Liebe und Gerechtigkeit: so vieles, wonach sie sich sehnten, war Herzstück der christlichen Religion.

„Die Staatspolizei bekam Kenntnis von ihren Kontakten zu Armenischen Christen“, erzählt Matthias Gürtler der Gemeinde im Gottesdienst. Pegah und Shahrooz mussten fliehen. Ein Abschied, der traurig und hoffnungsvoll zugleich war. „Sie wussten nicht, ob sie zurück kehren würden“, sagt Gürtler. Aber die Aussicht trug sie, in einem Land ohne Angst vor der Polizei zu leben.

Über Italien gelangten sie schließlich nach Deutschland, kamen nach Anklam. Shahrooz musste dort erleben, wie sie auf offener Straße von Rechtsradikalen angegriffen wurde. Ein Fall, den der Hilfsverein für Betroffene rechter Gewalt LOBBI zur Anklage brachte. „Und so sind die beiden zu uns gekommen“, erinnert sich Daniel Zenner aus der Domgemeinde. Gemeinsam mit Mariana Dombrowski hat er die Geschicke des Paares seitdem ganz nah begleitet. Beiden sind Pegah und Shahrooz so ans Herz gewachsen, dass sie jetzt als Taufpaten neben dem Taufstein stehen.

Kirchenasyl über dem Kindergarten

Der Verein LOBBI richtete die dringende Anfrage nach Kirchenasyl an die Domgemeinde. Denn die Abschiebung nach Italien drohte. „Man hatte kein Verständnis, dass es für sie gefährlich war“, sagt Gürtler. Einmal standen sie bereits am Berliner Flughafen. wurden nur durch einen Zufall noch einmal zurück gestellt. Die Domgemeinde entschied sich, ihnen Asyl zu bieten. Kein leichter Schritt. Denn er bedeutete, dass die Unterbringung in der Ferienwohnung über dem Kindergarten stattfinden müsste. „Da gab es viele Diskussionsabende mit den Eltern“, sagt Zenner. Manche hätten befürchtet, das Haus könne dadurch zur Angriffsfläche rechter Gewalttäter werden. Und dass der wohlbehütete Raum einer Kita der falsche Ort wäre, um die Jüngsten mit Themenkreisen wie Gewalt, Krieg und Flüchtlingen zu konfrontieren und vielleicht zu verunsichern.

Die Kinder freundeten sich schnell mit Beiden an. „Und von der Küchenfrau lernten sie jede Menge Deutsch“, sagt Zenner lächelnd. Auch eine Mutter half beim Sprache lernen. „Wir fanden es gerade gut, dass die Kinder auf diese Weise ganz normal in ihrem Alltag miterleben, dass es eben auch Menschen gibt, die in Not sind und denen man helfen muss“, sagt Hendrik Thum, der als Vater aus der Kita zur Taufe gekommen ist.

Nach sechs Wochen schließlich Entwarnung. Ohne Kirchenasyl können Pegah und Shahrooz nun auf das Verfahren warten, bei dem entschieden wird, ob sie in den Iran müssen. Doch der morgige Tag wird für das Seine sorgen, wie Pastor Gürtler es in seiner Predigt über die Bergpredigt erzählt hat. Heute erst einmal ist große Freude und Erleichterung in die Gesichter der beiden Flüchtlinge geschrieben, die, frisch getauft und tief bewegt, viele Hände schütteln und immer wieder Danke sagen.

Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 38/2015