Interview zum neugegründeten Kirchlichen EnergieWerk Gottfried Timm: „Die Energiewende ist auch eine geistliche Aufgabe“

Gottfried Timm

Foto: Archiv

16.02.2014 · Schwerin. Nur vom Klimaschutz zu reden, reicht nicht, meinen mecklenburgische Synodale. Auf ihren Beschluss hin wurde am 6. Januar ein Kirchliches EnergieWerk gegründet. Das neue Unternehmen soll z.B. Windkraftanlagen auf Kirchengrundstücken bauen und Gemeinden beim Energiesparen beraten. Mit einem der beiden Geschäftsführer, dem Theologen Dr. Gottfried Timm aus Schwerin, sprach Marion Wulf-Nixdorf:

Seit Anfang 2014 sind Sie einer der Geschäftsführer des Kirchlichen EnergieWerks. Was waren Ihre ersten Termine?

Ich war in Malchin beim Bürgermeister, Herrn Lange. Dort hat die Kirchengemeinde Ländereien, auf denen Windstrom geerntet werden kann. Wir haben über gemeinsame Werte gesprochen wie über finanzielle Teilhabemodelle für die Bürger und darüber, wie zukünftig mit Kirchenwindstrom in Malchin Elektroautos betrieben werden können, zum Beispiel beim diakonischen Sozialund Pflegedienst.

Außerdem gab es ein Gespräch mit Herrn Altbischof Beste und Christof Klaiber von der Kirchlichen Forstwirtschaft. Wir haben über den Einsatz von Holz und Holzabfällen für eine moderne Wärmeenergieerzeugung im Raum der Kirche gesprochen.

Betritt die Kirche mit dem Kirchlichen EnergieWerk Neuland?

Ja und nein. Die Kirche tritt bisher auf dem Energiemarkt als Verbraucherin auf. Meine geliebte Paulsgemeinde in Schwerin etwa kauft für 15 000 € jährlich Erdgas aus Russland, Kosten tendenziell steigend, erzeugt damit neben Wärme auch über 40 t Kohlendioxid im Jahr, nimmt an der Umweltzerstörung in den Erdgas- und Ölfeldern Sibiriens teil und mehrt den Reichtum im Herrschaftsgebiet von Wladimir Putin. Wenn wir Pfarrhaus und Küsterhaus hinzu nehmen, sind es noch einmal zwei weitere Drittel zusätzlich. Das ist nur ein Beispiel von vielen.

Neu ist, dass wir in Zukunft unseren Verbrauch selbst verantworten wollen, indem wir kohlendioxidneutral erzeugte Energien anbieten und somit eine Selbstversorgung im Raum der Kirche mit eigenen Ressourcen und mit eigener Wertschöpfung auf den Weg bringen wollen. Die kirchlichen Gebäude sollen schonend energetisch versorgt werden. Dabei kommt uns die Energiewende in Deutschland entgegen, denn durch sie werden regionale und regenerative Energiemärkte unterstützt.

Für welchen Zeitraum ist diese Umstellung geplant?

Die Nordkirche hat in ihrem Klimaschutzkonzept als Ziel das Jahr 2050 vor Augen, das halte ich für realistisch.

Die Abstimmung in der Kirchenkreissynode zur Gründung war knapp. Wie gehen Sie auf die Kritiker zu?

Mir begegnen Unsicherheiten und Fragen, aber auch viel Sympathien. Im Kirchenkreisrat haben wir ein Jahr lang diskutiert, und hatten am Ende eine große Übereinstimmung gefunden. Viele empfinden diesen Schritt als Paradigmenwechsel. Allerdings ist es auch ein Wechsel zurück zu den Ursprüngen der Mecklenburgischen Kirche. Noch vor 100 Jahren waren unsere Pfarrhöfe Wirtschaftshöfe und haben ihre landwirtschaftlichen Flächen, ihren Wald, ihr Gartenland, den Pfarrhof selbst bewirtschaftet. Mit vielen Angestellten, wie man heute sagen würde. Von den Erträgen wurde das kirchliche Leben in den Dörfern Mecklenburgs jahrhundertelang getragen. Unter den heutigen modernen Bedingungen knüpfen wir ein Stück weit an diese alte Tradition an.

Die Kirchenkreissynode hat zwei weitere Aufträge an den Kirchenkreisrat erteilt. Was beinhalten diese und wie weit ist deren Erarbeitung?


Für die Beteiligung des Kirchenkreises an den Erzeugungsanlagen soll im Rahmen der kirchlichen Vermögensverwaltung die Gründung einer kirchlichen Stiftung geprüft werden. Und für die Beteiligung von Mitgliedern und Freunden der Kirche soll die Gründung einer kirchlichen Genossenschaft erwogen werden. Beides ist auf den Weg gebracht, aber möglicherweise können wir zur kommenden Synodentagung erst einmal nur einen Zwischenbericht vorlegen. Diese Dinge müssen gründlich erarbeitet und breit diskutiert werden.

Sie waren in den 1980er Jahren als Pastor in Röbel im konziliaren Prozess aktiv. War dieser für Sie bei der Gründung des Kirchlichen EnergieWerks von Bedeutung?

Ja. Bemerkenswert ist jedoch, dass das biblische Motto vom „Bebauen und Bewahren der Schöpfung“ in der Ökumenischen Versammlung für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung auf „die Schöpfung bewahren“ reduziert wurde. Dieses falsche Zitat führt dazu, dass die einen die Schöpfung bebauen und die anderen diese zu bewahren versuchen. Eine Abspaltung, die die gegenwärtigen Probleme mit vertieft hat. Denn der Auftrag Gottes an den Menschen ist ein zutiefst kultureller, oder anders gesagt: Im Haus Gottes bilden die ökonomische, die ökologische und die ökumenische Seite des Lebens in ihrem Ursprung eine Einheit.

Was erwarten Sie von den Kirchengemeinden?

Dass wir die Verantwortung für Verbrauch und Erzeugung wieder zusammen führen. Die Energiewende ist zuerst eine Wende in den Köpfen und Herzen, und deshalb auch eine geistliche Aufgabe. Die technischen Lösungen danach ergeben sich fast von selber. Der erste Schritt dazu heißt sparen, besser: die eigenen Grenzen wahrnehmen. Das Kirchliche EnergieWerk will sich hier auch zum Dienstleister in der Energieberatung entwickeln.

Quelle: Mecklenburgische und Pommersche Kirchenzeitung Nr. 07/2014


Am 10. April findet ein Informationstag zum Klimaschutz und regenerativen Energiekreisläufen im Kirchenkreis Mecklenburg statt. kirche-mv.de und die Kirchenzeitung werden berichten.