Von der Jahreslosung bis zum Froschkönig GeschichtenWerkstatt: Die Sprengkraft des Herzens

Von Michael Fiedler

Der kleine Timo Keiper ist begeistert, was Sabine Mammel und Sven Rathmann (beide taub) mit Kindern aus der Knete gestaltet haben.

Foto: Michael Fiedler

31.01.2017 · Rostock. Die GeschichtenWerkstatt in Rostock ist erst ein halbes Jahr alt, aber sie hat schon viele Gruppen allen Alters begeistert. Das Besondere: Nach dem Hören einer Geschichte (im Erzählzelt) kann beim Gestalten an speziell entwickelten WerkStationen etwas neu entdeckt werden ‒ am Text, bei sich oder im Austausch mit anderen. Mitte Januar waren Kinder aus Lübow und Proseken, Menschen, die sich in Gebardensprache verstandigen, und Märchenbegeisterte zu Gast.

Was braucht es für ein neues Herz? Kinder aus der Kirchengemeinde Lübow und der Schultheatergruppe Proseken haben sich am 13. Januar mit Gemeindepädagogin Doris Weinhold, Eltern und Pastorin Miriam Knierim auf die Spur begeben: mit einer Geschichtenreise ins alte Babylon zu Hesekiel samt den jüdischen Familien im Exil.

Was die Kinder dazu dann in der Werkstatt entdeckt und gebaut haben, erzählt viel über sie selbst: Ein neues Herz und ein neuer Geist sind voller Leben, sie sprühen vor Ideen. Etwa so wie quicklebendige Tiere plötzlich den feinen babylonischen Hof geräuschvoll aufmischen. Oder wie das Herz bei einem Familienausflug neu auflebt – mit Picknick für alle! Aber auf jeden Fall braucht es jede Menge TNT (Sprengstoff), wie die Kinder an der Minecraft©- Station herausgefunden haben. Denn für etwas wirklich Neues ist wahre Sprengkraft des Herzens gefragt: Klar! Wie sonst soll der neue Tempel gebaut werden, wenn so viel Altes im Wege steht?!

Für die Männer, Frauen und Kinder, die sich über die Gebärdensprache verständigen, wurde ihr Besuch in der Geschichten- Werkstatt am 14. Januar zu einer neuen Erfahrung. Denn was ihre Hände zur Jahreslosung ausgedrückt haben, ist hier auch für Hörende sichtbar geworden.

Intensive Momente des Verstehens

Diesen etwas aus seiner vermeintlich „stillen“ Welt zu zeigen, kostete erst etwas Mut. Denn schon als Kind seien ihre Äußerungen als Taube in der Schule oft nur in den Kategorien „richtig“ oder „falsch“ bewertet worden, sagt Dorothea Engelbrecht, Gehörlosenseelsorgerin in Mecklenburg, die diesen Tag für ihre Gemeinde organisiert hat. Sich an den Werk- Stationen frei ausdrücken zu dürfen, bereitete dann vielen große Freude.

Umgekehrt hat es mich als „Gebärden- Sprachloser“ nachdenklich gestimmt, wie stark mein Herz und Geist an Worten und Buchstaben haftet. Und es hat mich bewegt, wie die Gebärdendolmetscherin Gabi Bornhöft die Erzählung zu Hesekiel 36, 26 in intensive Momente des Verstehens verwandelt hat.

Vielleicht ist es mit dem neuen Herzen aber auch wie mit einem Frosch, in dem ein Prinz auf seine Erlösung wartet. So erzählt es das Märchen vom Froschkönig, das am 16. Januar zum ersten „Wintermärchen“ in der Geschichten- Werkstatt von der Rostocker Krankenhausseelsorgerin Hilke Schicketanz dargeboten wurde. Ein bunt gemischtes Publikum folgte der offenen Einladung, die GeschichtenWerkstatt selbst kennenzulernen und etwas für sich zu entdecken und zu gestalten: Wie das Herz drückt, wenn es in Ketten liegt (wie beim Eisernen Heinrich), wie breitmaulig grinsend der Frosch in Vorfreude auf die Nacht mit der Prinzessin strahlt, aber auch wie elend es sein muss, immer wieder abgewiesen zu werden, bis sie ihn endlich mit einem beherzten Wurf an die Wand von seiner alten Gestalt befreite.


Weitere Informationen:

Einladung zum nächsten Wintermärchen am 23. Februar, 18 bis 21 Uhr, im Zentrum Kirchlicher Dienste (ZKD) in Rostock.

Mehr: GeschichtenWerkstatt

Siehe auch: WerkstattBlog und Bildergalerie