Sonntagsschutz Gericht kippt Bäderregelung in MV

18.07.2018 · Greifswald. Das Oberverwaltungsgericht Greifswald (OVG) hat die Bäderregelung in Mecklenburg-Vorpommern für unwirksam erklärt. Teile der Regelung seien aus formaljuristischen Gründen verfassungswidrig, urteilte das Gericht am Mittwoch in der Hansestadt.

Demnach sei die Rechtsgrundlage für die Verordnung nicht richtig zitiert worden, hieß es in der Begründung. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, die geklagt hatte, und das Schweriner Wirtschaftsministerium warfen sich gegenseitig vor, nicht genügend verhandlungsbereit gewesen zu sein. In anderen Reaktionen wurde vor allem gefordert, schnellstmöglich eine neue Verordnung zu erlassen.

Mit Blick auf den Zuständigkeitswechsel für Sonn- und Feiertage vom Innenministerium auf das Justizministerium hätte das Landesorganisationsgesetz genannt werden müssen, urteilte das OVG. Damit muss die seit 2016 geltende Bäderregelung neu formuliert werden.

Eine Entscheidung, ob die Bäderverkaufsverordnung MV auch aus inhaltlichen Gründen zu beanstanden sei, habe das OVG daher nicht mehr treffen müssen, betonte eine Gerichtssprecherin. Allerdings habe das Gericht bereits in der mündlichen Verhandlung am 11. Juli deutlich gemacht, dass es in einigen Punkten Bedenken gegen die Verordnung habe.

Die Gewerkschaft ver.di hatte gegen die seit 2016 bestehende Verordnung Klage eingereicht. Ihrer Ansicht nach ist die Bäderregelung für die Ladenöffnung an Sonntagen in Kur- und Erholungsorten in MV nicht verfassungskonform, weil sie nicht vereinbar ist mit dem Sonntagsschutz.

Bäderregelung gilt in 77 Orten

In MV erlaubt die Bäderregelung, dass die Geschäfte in 77 Kur- und Erholungsorten vom 15. März bis einschließlich des ersten Sonntags im November in der Zeit von 12 bis 18 Uhr sonntags öffnen dürfen. Unabhängig davon dürfen alle Städte und Gemeinden wie bisher ihre Geschäfte an vier Sonntagen im Jahr öffnen. Nach ver.di-Angaben betrifft die Bäderregelung etwa 15.000 bis 20.000 Beschäftigte im Einzelhandel.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Das Gericht hat zwar keine Revision zugelassen, das Wirtschaftsministerium kann aber Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesverwaltungsgericht einlegen.

ver.di zeigte sich wenig überrascht von dem Urteil. Die Gewerkschaft hätte sich aber gewünscht, dass sich das Gericht inhaltlich mehr mit der Klage beschäftigt hätte, sagte der stellvertretende Landesbezirksleiter von ver.di Nord, Michael Rüther. Zu fragen sei, warum das Gericht für eine formaljuristische Entscheidung zwei Jahre brauchte. Der Spielball liege nun beim Wirtschaftsministerium. ver.di habe genügend Verhandlungsangebote gemacht.

Wirtschaftsministerium spricht von Blockadehaltung

Wirtschaftsminister Harry Glawe (CDU) warf der Gewerkschaft vor, mit zweierlei Maß zu messen. In Schleswig-Holstein trage sie eine ähnlich lautende Bäderregelung mit. Außerdem habe sein Ministerium der Gewerkschaft vor dem Gerichtstermin einen neuen Entwurf einer Bäderverkaufsverordnung vorgelegt. Leider seien die im Hintergrund gelaufenen Einigungsbemühungen ins Leere gelaufen. Auch ein unmittelbares Gesprächsangebot nach dem Verhandlungstag (11. Juli) habe ver.di abgelehnt. Diese Blockadehaltung sei für ihn nicht nachvollziehbar. "Wir werden das heutige Gerichtsurteil sorgsam prüfen und dies gemeinsam mit den Betroffenen besprechen, um die aus dem Urteil notwendigen Konsequenzen zu ziehen."

IHK-Hauptgeschäftsführer Siegbert Eisenach sagte, die OVG-Entscheidung sei ein Schlag ins Gesicht der Wirtschaft. ver.di habe versucht, an MV ein Exempel zu statuieren. Nun müsse das Wirtschaftsministerium so schnell wie möglich eine neue Verordnung erlassen, die den Maßgaben des Gerichts entspricht.

Nordkirchen-Sprecher Stefan Döbler sagte, die Nordkirche gehe davon aus, dass das Land die vom OVG gegebenen Hinweise bei einer Neufassung der Verordnung angemessen berücksichtigen wird. "Wenn in diesem Zusammenhang der Schutz des Sonntags gestärkt wird, ist das aus Sicht der Nordkirche zu begrüßen."

Weitere Reaktionen

Der wirtschaftspolitische Sprecher der Linksfraktion im Landtag, Henning Foerster, warf dem Wirtschaftsministerium Schlamperei vor. Es sei ein Armutszeugnis, dass es das Ministerium nicht geschafft habe, mit den Gewerkschaften einen Kompromiss zu erarbeiten. Bernhard Wildt von der BMV-Landtagsfraktion forderte das Wirtschaftsministerium auf, mittels Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesverwaltungsgericht sicherzustellen, dass die Läden in den Tourismusorten auch in den kommenden Jahren an Sonntagen öffnen dürfen.

Jochen Schulte von der SPD-Landtagsfraktion bezeichnete die gekippte Bäderregelung als einen guten Kompromiss. Die vom Gericht bemängelten Versäumnisse müssten schnellstmöglich behoben werden. Wolfgang Waldmüller von der CDU-Landtagsfraktion sagte, er habe wenig Verständnis für die Klage von ver.di. Hier werde "ideologiegetrieben" ein Regelwerk beklagt, das sich in der Praxis bewährt habe und mit dem alle Beteiligten gut leben könnten.

Quelle: epd